Jan 122008
 

Der Roman Windows on the World schildert die letzten 2 Stunden eines Vaters, der am 11. September 2001 zusammen mit seinen beiden Söhnen die Attentate auf die Zwillingstürme erlebt – ein fiebriger, überhitzter Abriss der letzten Gedanken eines weißen Amerikaners über die letzten Dinge. Ein einziger weitgespannter Essay-Roman über die Angst, Angst vor dem Nichtsein, Angst davor, umsonst gelebt zu haben, und davor, den Sinn (aber was ist das?) zu verfehlen. Mannigfaltig sind die offenen und versteckten Bezunahmen auf die Traditionen der alten Welt – insbesondere das Alte Testament, Buch Genesis, und die attische Tragödie. Zitat aus dem Kapitel 10 h 24: „Ce roman utilise la tragédie comme une béquille littéraire.“ Dieser Roman stützt sich auf die Tragödie als einen literarischen Krückstock.

Wie steht es mit der Todesangst? Ist sie die größte, umfassendste Angst? Ist sie das eigentlich Menschliche, das uns vom Tier abhebt? Der fiktive Erzähler-Autor scheint dieser Ansicht zuzuneigen, und der Roman, der ja nicht zwei Stunden, sondern nur 1 Stunde 59 Minuten dauert, führt den Leser zielstrebig auf den Zeitpunkt 10 Uhr 30 zu – exakt die Minute, in welcher der Erzähler mit seinen Söhnen stirbt. Die Leser sollen also selber eine Art Todeserfahrung erleben. Um 10 Uhr 16 heißt es:

J’ai peur de la mort. Je suis fier de ma lâcheté. Mon absence totale de courage physique m’oblige à vivre sous la permanente protection de la police et de la loi. Mon absence totale de courage physique est ce qui me distingue de l’animal.

Frédéric Beigbeder: Windows on the World. Roman. Bernard Grasset, Paris 2003

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