Mrz 052008
 

In den Morgenzeitungen herrscht helle Aufregung: Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG sind in einen unbefristeten Ausstand getreten. Die Not ist riesig: „Jetzt muss ich eine halbe Stunde zu meinem Arbeitsplatz gehen, und eine halbe Stunde zurück. Dadurch habe ich 1 Stunde mehr Arbeit am Tag“, klagt eine Postmitarbeiterin. „Jetzt müssen die Schüler auch mal eine kurze Strecke zu Fuß gehen oder aufs Rad umsteigen“, äußert sich ungerührt, ja geradezu erbarmungslos die Sekretärin einer Spandauer Oberschule. O Jammer, o Schrecken! Doch – es herrscht nicht nur Weltuntergangsstimmung. So schreibt die Berliner Zeitung heute:

Aber es gibt auch Streikgewinner. „Die Nachfrage nach Pkw ist definitiv gestiegen“, freut sich Sebastian Grochowski von der Autovermietung Rent-a-Car. „Der BVG-Streik ist für uns eine Chance, den Berlinern zu zeigen, dass wir da sind, wenn wir gebraucht werden“, sagt Bernd Dörendahl, Vorsitzender der Innung des Berliner Taxigewerbes. Der ADAC ruft seine Mitglieder dazu auf, Fahrgemeinschaften zu bilden. Der Senat müsse für die Dauer des Streiks die Parkraumbewirtschaftung aussetzen. Allerdings gibt es morgen keine Knöllchen: Dann streiken auch die Ordnungsämter Berlins.

Vortrefflich – in diesem Chaos gibt es also auch einen Hoffnungsschimmer. Wenig gesprochen wird bisher vom Rad. Vielleicht weil es heute endlich einmal schneit? Ja, der Märzenschnee treibt gerade jetzt in dicken Flocken gegen die Fenster unserer Kreuzberger Wohnung. Oder weil es sich noch nicht herumgesprochen hat, dass man das Fahrrad wirklich das ganze Jahr hindurch nutzen kann und folglich jederzeit einsatzbereit halten sollte? Ich freue mich schon auf meine Tour heute – wie üblich dauert sie nur wenige Kilometer, von Kreuzberg in das Stadtviertel Tiergarten – ich könnte eigentlich auch zu Fuß gehen. Aber das würde ja eine halbe Stunde dauern. Das sei ferne von mir! Wie so viele in unserer hektischen Metropole bin ich auf die schnellste, effizienteste und sicherste Beförderung angewiesen. Ich bin auch nicht besser als die anderen. Und deshalb setze ich weiterhin voll auf das Rad.

Für alle Fälle habe ich sogar noch ein älteres, nicht so schnelles Ersatzrad im Keller. Streikopfer, meldet euch – ich verleihe es tageweise. Unentgeltlich, zum Zeichen des mitmenschlichen Erbarmens mit den unschuldigen Leidtragenden des Streiks.

Wie heißt es doch: „Der BVG-Streik ist für uns eine Chance, den Berlinern zu zeigen, dass wir da sind, wenn wir gebraucht werden.“ Wenn Fahrräder reden könnten!

 Posted by at 08:19

  3 Responses to “BVG-Streik belegt erneut: Fahrrad ist verlässlichstes städtisches Verkehrsmittel”

  1. <p>Hallo Manuela, danke für Deinen Beitrag! Ich werde Deine Stellungnahme beim ADFC-Stadtteilgruppentreffen aufgreifen – oder kommst Du selber hin, das wäre noch besser! Ich habe Lust, dieses Thema anzugehen, und zwar so, dass alle, Taxifahrer, Radler und BVG-Streik-Opfer sagen können: „OK, Ihr habt recht, das ist aber ein guter Vorschlag, den Ihr da macht. Dass wir das vorher nicht gesehen haben … ?“ Gruß, Johannes.<br />
    P.S.: Du bist die erste, die sich als Leserin registriert hat. Gratuliere! Dies bedeutet, glaube ich, dass Du jederzeit ohne Moderation und in Echtzeit das Wort ergreifen kannst und europaweit gelesen wirst, denn dieses Blog hat einen Leser in Barcelona, einige Leserinnen in der Schweiz, einige in Bayern, viele in Deutschland und viele viele in Berlin.</p>

  2. Alles gut und schön. Habe aber das Gefühl, dass seit dem BVG-Streik die Aggressionen im Straßenverkehr noch zu genommen haben. Völlig wild verhalten sich die Taxifahrer. Die wittern anscheinend fette Beute je mehr Fahrten sie machen können. Also rasen sie….
    Nächste Gefahr: Ungeübte RadlerInnen, die einfach mal eben den Weg kreuzen, gucken kenn wer nicht :-), Licht am Rad? Nö, so was haben wir nicht!!!

  3. Schön, dass Ihr den Streiktag ähnlich gelassen genießen konntet!

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