Apr 252008
 

Ich fahre gerade im Geiste noch einmal die Punkte ab, auf die eine Radttour unsere ADFC-Stadtteilgruppe am Wochenende durch Kreuzberg führen soll. Gerade der Kreuzberg selbst steckt voller eingebetteter Geschichte: die Wolfsschlucht soll ja das schaurig-schöne Entsetzen wiederbeleben, dass man beim Anhören von Webers Freischütz empfinden mag. Und ich höre mir sogar noch einmal diese früher so beliebte Oper an. Heinrich Heine erwähnt, dass er überall die neuen Melodien hörte. Er klagt 1821 in seinem Zweyten Brief aus Berlin:

„Haben Sie noch nicht von Maria von Webers Freischütz gehört? Nein? Sie glücklicher! Wenn Sie vom Hallischen nach dem Oranienburger Thore und vom Brandenburger nach dem Königs-Thore, ja selbst wenn Sie vom Unterbaum nach dem Köpniker Tore gehen, hören Sie jetzt immer und ewig dieselbe Melodie, das Lied aller Lieder: den Jungfernkranz.“

Der Unterbaum, der lag ja meines Wissens in der Nähe der Charité. Riesige Baumstämme machten in früheren Jahrhunderten, als Berlin noch durch Festungsmauern umgeben war, die Spree an der Stadtgrenze nachts für Schiffe unpassierbar. Und der Oberbaum lag ungefähr an der Stelle der heutigen Oberbaumbrücke, die 1894-96 errichtet wurde. In den 90er Jahren, nach der Wiedervereinigung, wurde sie durch eine Stahlkonstruktion Santiago Calatravas ergänzt.

Grundgedanke der Radtour: Seit zwei Jahrhunderten ist der heute Kreuzberg genannte Stadtteil ganz wesentlich durch die „Randlage“, die Suche nach dem „Nicht-Etablierten“, dem „Nicht-Bürgerlichen“, eben dem „Anderen“ bestimmt. Alternative Kunst- und Lebensformen verleihen dem Bezirk somit ein ganz besonderes, anheimelnd-unheimliches Gepräge: von der Nacht- und Schauerromantik C.M. von Webers oder E.T.A. Hoffmanns über die Arbeiterbewegung der 20-er Jahre, die APO der 60/70er Jahre, die neuerdings in der „Rudi-Dutschke-Straße“ einen gemäßen Ausdruck finden soll, bis hin zu den jüngeren städtebaulichen IBA-Neuansätzen, etwa am Fränkelufer. Was ist draus geworden? Wie passt das alles zusammen? Es wird spannend! Und das Wetter wird auch mitspielen.

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