Sep 072008
 

Immer wieder hört man als aufmerksamer Zeitgenosse lästerliche Rufe über die „Parteiendemokratie“: „Politik ist ein schmutziges Geschäft!“ „Denen geht es doch nur um Macht!“, „Wer nichts wird, wird Wirt – oder Politiker!“

Selbst Gesine Schwan, ihres Zeichens Präsidentschaftskandidatin einer namhaften Partei, sieht es als ihre vornehmste Aufgabe an, die Bürger von den Vorzügen des demokratischen Systems zu überzeugen. Sie möchte die allgemeine Parteienverdrossenheit bekämpfen, indem sie für das Fundament unserer staatlichen Ordnung wirbt. So äußerte sie sich erneut kürzlich bei Reinhold Beckmann in dessen recht aufschlussreicher Mitternachts-Runde:

„Dieses Fundament unserer Gesellschaft wird von vielen Bürgern nicht mehr geschätzt. Es gibt die große Chance in diesem Land, den Bürgern die Demokratie wieder näher zu bringen.“

Nur wenige aber fragen: 1) Was geht innerhalb der Parteien ab? Wie funktionieren Parteien, jenseits des personenbezogenen Hauens und Stechens? 2) Wie bilden sich Meinungen innerhalb der Parteien? 3) Welchen Einfluss haben die einfachen Mitglieder? 4) Warum wird jemand überhaupt Mitglied bei einer Partei? 5) Kann man Politik machen, ohne Mitglied einer Partei zusein?

Fangen wir es von hinten her an:

Kann man Politik machen, ohne Mitglied einer Partei zu sein? Meine Antwort: Man kann sehr wohl in gewissem Umfang und für einzelne Themen die Politik beeinflussen – etwa als meinungsbildender Journalist, durch das Schreiben von Leserbriefen, durch die Mitarbeit in Verbänden, durch das Gründen und Fördern einer Bürgerinitiative. Oder auch durch das Mitreden in Bars, Stammtischen, Chatrooms, oder auch durch das Halten einer Rede im Londoner Hyde Park oder im Berliner Tiergarten. Man stelle sich auf eine Seifenkiste und warte, bis jemand kommt. Die große Frage ist: Was bewirkt man? Wird man gehört? Ich meine: Wer über längere Zeit hinweg zu mehr als nur einem Thema politisch mitarbeiten will, der gewinnt durch die Mitarbeit oder Mitgliedschaft in einer Partei erheblich mehr Gewicht. Wer gar Politik mitgestalten will, wer sein erklecklich Scherflein zum Gelingen des Gemeinwesens beisteuern will, der wird um die Mitgliedschaft in einer Partei nicht herumkommen. Beweis: Das gesamte politische Spitzenpersonal der Bundesrepublik oberhalb der Kommunalebene gehört Parteien an. Nur selten schafft es eine parteipolitisch ungebundene Fachfrau oder ein Fachmann in die Ämter auf Bezirks- oder Kommunalebene. Weiter nach oben geht es dann erfahrungsgemäß nicht. Gesetzlich oder gar grundgesetzlich vorgeschrieben ist dies keineswegs, aber es hat sich so herausgebildet. Alle Parteien, auch die früheren Protest- oder Alternativparteien Die Grünen und Die Linke, sind Teil dieses Systems.

Eine in diesem Sinne systemische Sichtweise pflegt in einem klugen Hintergrundartikel auch der Journalist Joachim Fahrun in der heutigen Morgenpost:

Wie das System der Berliner CDU funktioniert – Berlin – Berliner Morgenpost

Es lohnt sich, den Artikel zu lesen, weil er geeignet ist, von dem Hickhack um Personen wegzuführen. Die Frage muss nicht zuerst lauten: „Wen stellen wir vorne hin?“, sondern: „Wie funktionieren Parteien? Welche Parteien wollen wir? Welche Chancen bieten wir den Bürgern, sich einzubringen?“ Mein Eindruck aus Friedrichshain-Kreuzberg: Die Parteien sind hier in unserem Bezirk offener als anderswo. Man kann leicht zu jedem in jeder Partei hingehen, seine Meinung offen sagen. Und man wird auch gehört. Jedenfalls habe ich das in der Partei, der ich angehöre, festgestellt.

Und deshalb sage ich auf Schritt und Tritt: „Wenn euch so vieles an der Politik und an den Parteien stört, dann geht rein in die Parteien! Wir sind – quer durch alle Parteien – Schmiede unseres Glücks! Geht in die Partei, die euch am wenigsten missfällt und macht sie zu der Partei, die euch am besten gefällt. Gestaltet den Parteienwandel mit, mischt euch ein! Und macht euch ruhig ein bisschen die Hände schmutzig.“

Um aber dem erwartbaren Vorwurf vorzubeugen, ich machte hier einseitig für die Partei der Gesine Schwan Propaganda, schließen wir diese morgendliche Betrachtung mit einem Wort der Bundeskanzlerin ab. Sie erteilte den allzu leicht in hitzige Wallung geratenden Lokalmatadoren ihrer Partei am Freitagabend die folgende ernstliche Mahnung – wir zitieren aus der Berliner Zeitung vom 6./7. September 2008, S. 28:

Als Hauptrednerin mahnte auch Bundeskanzlerin und CDU-Bundeschefin Angela Merkel die Wahlkämpfer der eigenen Partei: „Sie müssen Respekt zeigen, einheitlich auftreten und nicht das Blaue vom Himmel versprechen.“

 Posted by at 10:33

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