Man sieht sich: von der Cyberworld in die echte Welt

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Nov 302008
 

So ein Blog, die unendlichen Weiten des Internet – das sind alles nur Behelfe, Wellenbretter, mit denen man unermessliche Strecken im Nu überwindet. Gleichwohl sind sie nicht das echte Leben. Schöner und erfüllender sind Begegnungen mit Menschen in Fleisch und Blut! Deshalb lade ich euch Leserinnen und Leser herzlich zu einigen öffentlichen Veranstaltungen in den nächsten Tagen ein. Ich werde sicher dort sein! Ich hoffe – man sieht sich!

Freitag, 05. Dezember 2008, 15.00 Uhr: doppelgedächtnis. Es spricht der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski. Eine Veranstaltung der Gesellschaft zur Förderung der Kultur im erweiterten Europa. Ort: Vertretung der Europäischen Kommission, Unter den Linden 78, Berlin-Mitte. Eintritt frei, Anmeldung erbeten unter: anmeldung@kultur-in-europa.de oder per Fax: 030 80 48 20 83

Freitag, 05. Dezember 2008, 16.30 Uhr: Ferdinand der Stier. Eine Geschichte von Munro Leaf. ErzählZeit mit Silvia Freund. Mit dabei sind Kinder der Kita am Kleistpark, Johannes Hampel (Violine), Michael Köke (Gesang und Gitarre), Elena Marx (Tanz). Großer Saal im Nachbarschaftsheim Schöneberg, Holsteinische Straße 30, Berlin-Schöneberg. Eintritt frei

Dienstag, 09. Dezember 2008, 19.30 Uhr: Treffen der ADFC-Stadtteilgruppe Friedrichshain-Kreuzberg, Café Sybille, Karl-Marx-Allee 72. Eintritt frei

Mittwoch, 10. Dezember 2008, 19.00 Uhr: Jahreskonzert der Gesellschaft zur Förderung der Kultur im erweiterten Europa. Mit Sonora Vaice, Sopran, und Tereza Rosenberga, Klavier. Atrium der Deutschen Bank, Unter den Linden 13/15, Berlin-Mitte (Eingang Charlottenstraße). Eintritt frei, Anmeldung erbeten unter: anmeldung@kultur-in-europa.de oder per Fax: 030 80 48 20 83

Ihr seht: Musik, Kunst, Kinder, Europa, Radfahren in Berlin, Kultur, eine Kita, ein Geldhaus … alles was das Leben lieb und teuer macht, kommt vor! Kommt ihr auch!

Unser Bild zeigt ein großes buntes Stoffgemälde, gemalt von Kindern der ersten Klasse aus der Staatlichen Grundschule am Brandenburger Tor. Für den lustigen Gesellen Papageno. Für eine Aufführung von Mozarts Zauberflöte

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Nov 292008
 

todenhoefer_warum_toetest_du_zaid.jpg Bereits am 23.05. und am 30.05.2008 stellten wir in diesem Blog den unermüdlichen, unbequemen Mittler Jürgen Todenhöfer vor. Er ist einer, der niemandem nach dem Munde redet. Und solche Menschen brauchen wir in der Demokratie. Nach dem Bezug auf Lessing – „Sei mein Freund!“ – jetzt ein klares, wörtliches Zitat aus Schillers Don Carlos. Jürgen Todenhöfer hat sich nach Berichten des Spiegel in die „Höhle des Löwen“ begeben wie einstmals der Marquis von Posa im zehnten Aufzug des dritten Aktes. Dies ist der Beweis: Zum Thema Freiheit bleibt Friedrich Schiller einer der maßgeblichen Autoren. In ganz Europa, in  Russland, in Polen, in Deutschland sowieso war er im 19. Jahrhundert einer der Bannerträger des demokratischen Aufbruchs. Wird er die Fackel der Freiheit auch in andere Länder tragen? Wir wissen es nicht. Der Iran oder Persien hat es eigentlich nicht nötig, sich belehren zu lassen. Es ist eine der ältesten Kulturen der Welt, Vielfalt und Pluralismus lassen sich in Persiens Geschichte von der Antike an auf Schritt und Tritt finden.

Der Mut Todenhöfers findet meine Bewunderung.

Todenhöfer in Iran: „Unnötig, bösartig, eine Schande“ – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik
Fast eine Stunde hören die Studenten dem Gast aus Deutschland mit wachsendem Unbehagen zu. Todenhöfer nennt die Holocaust-Konferenz „eine Schande“. Er fordert die „völlige Gleichberechtigung von Mann und Frau“. Er verlangt „wahre Meinungsfreiheit, für alle“. Und er appelliert an die Führung des Landes: „Geben Sie Gedanken- und Meinungsfreiheit.“ Es ist mucksmäuschenstill im Saal. Das Klatschen ist brave Pflicht. Dann äußern die angehenden Diplomaten ihr Unbehagen über die Ansichten Todenhöfers. Warum sollen die Palästinenser unter dem Holocaust leiden? Wir haben Israel nie mit einem Angriff gedroht! Warum macht uns der Westen zum neuen Feindbild? Lernen Sie den Unterschied zwischen Terrorismus und Dschihad! Bei seinem Auftritt „in der Höhle des Löwen“ muss Todenhöfer aufpassen, dass seine Zuhörer ihn nicht zerfleischen.

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„I value good manners“

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Nov 292008
 

28112008.jpg „Ich mag es, wenn die Menschen sich höflich benehmen“, sagt der künftige amerikanische Präsident. Wir zitieren:

I value good manners. Every time I meet a kid who speaks clearly and looks me in the eye, who says „yes, sir“ and „thank you“ and „please“ and „excuse me“, I feel more hopeful about the country. I don’t think I am alone in this. I can’t legislate good manners. But I can encourage good manners whenever I’m addressing a group of young peolpe.

Barack Obama: The Audacity of Hope. Thoughts on Reclaiming the American Dream. Three Rivers Press, New York 2006, Seite 60

You value good manners? You are not alone in this, Mr President!

Auch ich meine: Höfliches Benehmen, wie es beispielsweise Barack Obama wünscht und ermutigt, kann eine Wohltat sein. Ich war selbst als Jugendlicher manchmal frech, reizte Ältere und Lehrer durch Dazwischenreden, durch Witzereißen, Widersetzlichkeit und schnippisches Gebaren. Hat es viel gebracht? Ja! Ein gewisses Ansehen bei den Gleichaltrigen. „Der traut sich aber was!“, müssen sie gedacht haben. Die eine oder andere Rüge oder Kopfnuss, auch einmal einen „schriftlichen Verweis“ habe ich mir an der Schule eingefangen. Geschämt habe ich mich dafür nicht, sondern ich war eher stolz darauf.

Heute bin ich ähnlich unangepasst. So entbiete ich in meinem Hof grundsätzlich als erster den Gruß, hebe schon auch mal Unrat auf, den andere hinterlassen haben. Ich halte stets bei roter Ampel. Und als Radfahrer lasse ich durchaus ab und zu einen PKW zuerst fahren, selbst wenn mir die Vorfahrt zusteht. Ihr seht: Ich habe weiterhin meinen eigenen Kopf. Ich meine mittlerweile: Einhaltung von Regeln erleichtert das Zusammenleben. Ich arbeite daran, höflich und zuvorkommend aufzutreten.

Unser Foto zeigt einen Blick in die Fußgängerzone der Bergstadt Freiberg in Sachsen. Ich nahm gestern das Foto auf. Fußgängerzonen sind ein unerschöpfliches Übungsfeld für sittlich-friedliches Miteinander-Auskommen. In Freiberg ist übrigens die Fußgängerzone für den Radverkehr freigegeben. Eine gute Sache! Allerdings ist gerade dann besonders rücksichtsvolles Fahren angesagt.

Die Wertschätzung guten, menschenfreundlichen Benehmens teile ich übrigens auch mit Gunnar Schupelius, dessen unermüdliches Werben für friedliches Betragen ich unterstütze. Heute hat er sich den Umgang der Hundebesitzer und der Nicht-Hundebesitzer vorgenommen:

Hier noch ein Abschnitt aus dem Berlin-Knigge des heutigen Tages:

Ab sofort geht die Sauberkeit Gassi – BZ-Berlin.de
Die Welt teilt sich auf in Hundebesitzer und Menschen ohne Hund. Der Frieden zwischen beiden Seiten ist wacklig, denn Hunde sind ein Reizthema. Hundebesitzer reagieren empfindlich auf Kritik an ihren liebsten Kameraden. Menschen ohne Hund dagegen sehen nicht ein, warum sie Hunde in der Stadt überhaupt akzeptieren sollten. Auch in diesem Konflikt helfen nur eiserne Regeln, die beide Seiten einhalten müssen.

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Wenige verstehen das Geheimnis …

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Nov 292008
 

27112008001.jpg „Wenige verstehen das Geheimnis der unendlichen Liebe“, so dichtete Novalis in seinen Hymnen an die Nacht. Ich las den Dichter als 15-Jähriger, an seinen Gedichten wie an denen Goethes ging mir damals auf, was Dichten bedeuten kann: kühnes, freies Ausgreifen in einen Gedankenraum hinein, den vorher noch niemand betreten hat.

Den gestrigen und den heutigen Tag verbrachte ich beruflich in der alten Bergstadt Freiberg in Sachsen. Dort studierte Novalis an der Bergakademie, arbeitete anschließend in der Bergwerksverwaltung, erkundete Braunkohleflöze in Mitteldeutschland. In der Nacht lag ich am offenen Fenster in der Winterkälte, starrte hinaus zum goldenen Knauf der Martinskirche und versuchte mich an Verse zu erinnern, die ich beim Novalis gelesen, an Szenen, die ich aus seinem Ofterdingen noch in mir trug. Besonders erinnerte ich mich an die Szene, in der Heinrich in einem alten Bergwerk ein Buch findet, in dem er aufgeschlagen seine eigene Geschichte findet. Nach innen geht der geheimnisvolle Weg … dieses Motto tauchte von irgendwoher wieder auf.

Mein getreuer Reisebegleiter ist weiterhin das Buch „The Audacity of hope„. Nur wenige verstehen das Geheimnis der Freiheit! Nur wenige verstehen es, von der Freiheit so zu reden, dass man auch bei größter Müdigkeit noch weiterliest. Der Verfasser von The Audacity ist einer!  Was für ein begnadeter Erzähler! Im zweiten Kapitel „Werte“ erzählt er davon, was Freiheit für ihn bedeutet – für ihn, für seine Frau, für uns alle. „The value of individual freedom is so deeply engrained in us that we tend to take it for granted“ (S. 53). Wir dürfen nicht vergessen, dass die Freiheit, die wir genießen, jederzeit an vielen Orten dieser Welt nicht gilt, erst noch errungen und dann verteidigt werden muss.

In der Fußgängerzone entdeckte ich einen Hinweis auf unser Thema. Das Foto zeigt den Schreibenden in Freiberg am gestrigen Tag. Auf dem Pflaster lag erster Schnee. Es roch nach Winter.

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Frag doch mal die Finanzmaus

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Nov 262008
 

Vor Monaten hatte Kanzlerin Merkel eine Art Sendung mit der Maus für Finanzen verlangt.  Dieses Blog berichtete am 14.04.2008. Und siehe da: Die wirkliche Sendung mit der Maus brachte mittlerweile eine ganze Themensendung zum Thema „Was ist Geld“. Ich erinnere mich an lendenschurzschwingende und brilletragende Steinzeitmenschen, die Kühe, Steine und Muscheln hin und her schoben. Das waren die ersten Währungen. Sehr gut! Ich begriff, warum es Geld gibt. Man kann nicht immer Säcke voll Muscheln herumtragen oder Kühe an einem Strick herumzerren, wenn man nur mal zum Tanken fährt.

Einen weiteren, höchst gelungenen Versuch zu einer Finanzmaus liefert heute der Spiegel. Nach meinem Kenntnisstand die beste Darstellung zur Entstehung der weltweiten Finanzkrise. Ich empfehle diesen Link nachdrücklich allen, die – wie der Verfasser dieses Blogs – bisher keinen genauen Durchblick bei all den plötzlich fehlenden Mäusen hatten!

Schaut, lest, und entscheidet dann selbst, ob dies eher eine Lach- oder eine Sach-Geschichte ist!

Der große Crash: Wie es zur Finanzkrise kam – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Wirtschaft

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„Linksfront stoppen“ geht nicht mehr – CDU ist schon längst unterwandert

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Nov 262008
 

Erneut einen harten Schlag erleidet das in Berlin immer noch weit verbreitete Lagerdenken: Demnach zerfällt die Welt in zwei Teile – einerseits die Linksfront, welche durch die SED, die „Partei der Mauerschützen“ (die heutige Linke), große Teile der SPD und große Teile der Grünen gebildet sein soll. Andererseits die „bürgerlichen Parteien“ CDU und FDP. Ich meine: Diese ganze Konstruktion war seit der deutschen Einigung 1990 nicht mehr zu halten. Jetzt kommen täglich neue Einsichten ans Tageslicht, die dieses sorgsam gepflegte Lagerdenken weiter der Unglaubwürdigkeit überführen. So berichtet die Welt heute:

Leitartikel: Sachsens CDU-Ministerpräsident Tillich verteidigt sich mit PDS-Methoden: Das Spiel der Blockflöten – DIE WELT – WELT ONLINE
Tillich trat in der Endphase der DDR in die SED-hörige CDU ein, um die Laufbahn eines Staatsfunktionärs einschlagen zu können. In seiner Position als Nomenklaturkader konnte er politisch Einfluss nehmen, erhielt ein gut doppelt so hohes Gehalt wie ein Facharbeiter und gehörte der Funktionselite an. Dass sich der Familienvater damals für Karriere entschieden hat, gehört zu seiner biografischen Realität. Entgegen der eigenen Wahrnehmung verfügt Tillich mit diesem Werdegang allerdings über keine typische „ostdeutsche Biografie“. Nicht zuletzt schloss seine Arbeit etwas ein, womit die Mehrheit der Bürger nichts zu tun haben wollte – eine ständige Kollaboration mit SED-Genossen und sogar Kontakte mit Stasi-Offizieren.

Diese Enthüllungen kommen nur für Blauäugige als Überraschung. Jeder, der in der DDR politisch etwas innerhalb der etablierten Institutionen bewegen wollte, musste sich dem System anpassen. Er wurde zur Stütze des Systems. Ob man dazu der SED oder einer der DDR-Blockparteien beitrat – dies war nach allem, was ich höre, nur ein gradueller Unterschied.

Die CDU wird nun sehr darauf bedacht sein müssen, ihre Glaubwürdigkeit zu retten. Immer nur auf die böse Linkspartei, die Partei der „Mauermörder“ zu schimpfen, wird nicht mehr verfangen. Damit verstrickt sich die CDU nur in einen ganzen Wald von Widersprüchen. Einen Lagerwahlkampf nach dem Motto „Linksblock stoppen“ wird die CDU in Berlin ebenso verlieren, wie sie ihn in Hessen verloren hat.

Eine erfolgreiche Partei kann sich nur über das definieren, was sie politisch bewegen will. Sie muss sagen, was sie vorhat, nicht was sie hinter sich hat! Moralische Überheblichkeit ist nicht angesagt. CDU-Ministerpäsidenten wie Dieter Althaus  oder Stanislaw Tillich, die bereits in der DDR der Ost-CDU beitraten, spielen dabei eine besonders wichtige Rolle. Sie könnten aufklärend auf ihre Parteifreunde wirken. Dazu ist es nötig, darzulegen, dass man jene DDR mitgetragen hat wie die anderen Angehörigen der Funktionselite auch. Man war als Mitglied der DDR-Blockparteien kein Widerständler, man gehörte auch nicht zu jener DDR-Mehrheit, die das Ganze mehr oder minder duldsam über sich ergehen ließ und sich in einer Art gespaltenen Bewusstseinslage einrichtete, sondern man war ein Teil des Systems.

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„Ich bin die, die eure Kinder einsperrt …

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Nov 262008
 

. . .  aber das macht mir keinen Spaß.“ Mit diesen Worten stellt sich laut Morgenpost die Richterin Kirsten Heisig vor arabische und türkische Eltern. Ich hatte mich bereits am 22.01. und am 19.09.2008 als Bewunderer dieser Richterin zu erkennen gegeben und sie den Parteien dieser Stadt als leuchtendes Vorbild hingestellt. Ich hatte sogar angeregt, Kirsten Heisig sollte irgendwann in die Politik gehen. Ich würde mich darüber sehr freuen! Frau Heisig fordert und fördert mit ihrer neuen Initiative genau jenes bürgerschaftliche Engagement, von dem so viele nur reden. Sie tut wieder einmal etwas! Diese Art Aktivität ist genau das, was der damals völlig unbekannte Obama – ebenfalls ein Jurist – in Chicago gemacht hat: sich um die negative Auslese kümmern, verhindern helfen, dass sich ein Grundstock an Perspektivlosigkeit ausbildet. Die Zeitung berichtet:

„Ich bin die, die eure Kinder einsperrt, aber das macht mir keinen Spaß. Wir müssen zu anderen Konzepten kommen“ – so stellt sich die für Nord-Neukölln zuständige Richterin ihre Eingangssätze vor. Sie stehe am Ende der Kette, müsse dann tätig werden, wenn es eigentlich zu spät sei und die kriminellen Karrieren bereits weit fortgeschritten seien.
Migrantenvereine ziehen mit
Um an die Eltern heranzukommen, hat sich die Richterin an zwei gut vernetzte Organisationen aus der Migranten-Community gewandt. Das Türkisch-Deutsche Zentrum TDZ, nach eigenen Angaben der von den Einzelmitgliedern her größte türkische Verein der Stadt und in der Integrationspolitik in Neukölln als Partner bewährt, soll die türkischen Eltern ins Rathaus bringen. Und die Deutsch-Arabische Unabhängige Gemeinde DAUG hat zugesagt, vor allem libanesische und palästinensische Familien anzusprechen.

Was mir auffällt, ist: Die Initiative scheint von keiner mehrheitlich deutschen Organisation ausgegangen oder mitgetragen zu sein. Eine einzelne Frau bringt den Stein ins Rollen. Das wäre merkwürdig und vielsagend. Nicht einmal die Parteien scheinen mitrudern zu wollen. Bitte aufwachen! Hier könnt ihr Sympathien einfahren.

Jugendkriminalität – Richterin Heisig hat keine Lust, Kinder einzusperren – Berlin – Berliner Morgenpost

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„Wir haben für Gerechtigkeit gekämpft …“

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Nov 252008
 

4124h5pvpcl_sl160_.jpg „Wir haben für Gerechtigkeit gekämpft, doch was wir erhalten haben, war der Rechtsstaat.“ In diesen Worten Bärbel Bohleys spiegelt sich eine tiefe Enttäuschung über den Gang der Wiedervereinigung. Die Bürgerbewegung, die den Staat DDR zum Einsturz brachte, – welche Rolle spielt sie heute noch? Wo sind sie hin, stehen sie noch im Rampenlicht? Nur wenige! Die meisten haben sich zurückgezogen. Manche fühlen sich im neuen Staat nicht heimisch. Andere, wenige, wie etwa Vera Lengsfeld, sind weiterhin innerhalb und außerhalb von Parteien als aktive, unbeugsame Kritiker des Ist-Zustandes tätig.

Und heute, an dem Tag, an dem Christian Klars Entlassung bekanntgegeben wird, fällt mir dieser Satz wieder ein: „Wir haben für Gerechtigkeit gekämpft, doch was wir erhalten haben, war [nur] der Rechtsstaat.“ Wieso doch? Wieso nur?

Ich meine: Etwas Besseres als den Rechtsstaat haben wir nicht anzubieten! Gerechtigkeit pur – die können wir durch ein staatliches Gebilde nicht herstellen. Denn es gilt: Summum ius – summa iniuria! Ein uralter Satz, der besagt: Beim Versuch, Gerechtigkeit unverkürzt zu erzwingen, verstricken wir uns in höchste Ungerechtigkeit.

Es wird auch im Rechtsstaat des öfteren schreiende Ungerechtigkeiten geben, immer wieder – oder mindestens etwas, was einem, mehreren, vielen oder den meisten so vorkommen mag. Und da liegt der Hase im Pfeffer: Dem einen kommt das Handeln des Rechtsstaates wie schreiende Ungerechtigkeit vor, dem anderen wie ausgleichende Gerechtigkeit, dem dritten wiederum wie eine Verhöhnung des Rechtsempfindens – seines Rechtsempfindens.

Da bleibt letztlich nichts übrig als die Unterscheidung zwischen der Idee der Gerechtigkeit und dem faktisch durchsetzbaren Recht. Was Gerechtigkeit ist, darüber wird jede Gesellschaft ihre unabschließbare Auseinandersetzung führen. Diese Auseinandersetzung geht weiter. In der Antike zum Beispiel galten Sklaven als Sachen, nicht als Menschen. Nur ganz wenige, wie etwa Seneca, empfanden dies als Ungerechtigkeit. Wir Heutigen lehnen Sklaverei ab, denn wir sind überzeugt, dass jeder Mensch mit gleichen Grundrechten geboren wird. Die Vorstellungen von Gerechtigkeit unterliegen also dem Wandel.

Wie aber Recht durchzusetzen ist – darüber wird man letztlich im gegebenen Fall nur durch gesicherte Verfahren urteilen können. Diese gesicherten Regeln finden ihren Ausdruck in den Gesetzen eines Landes. Die Durchsetzung der Kraft der Gesetze obliegt den Gerichten. Gerichtsentscheidungen können gepriesen oder getadelt werden, ja sie können sogar in vielen Fällen angefochten werden – solange sie den Regeln der Rechtsfindung genügen, muss man sie hinnehmen. Man kann sie nicht umstürzen, indem man ausruft: „Das ist ungerecht!“

Ich meine also den einleitenden Satz so abändern zu dürfen: „Wir Menschen sollten ständig weiter für Gerechtigkeit kämpfen. Denn wir haben den Rechtsstaat erhalten.“ Nur im Rechtsstaat – nicht im Willkürstaat – haben wir die Möglichkeit, unsere Vorstellungen von Gerechtigkeit in winzigen Schritten in die Wirklichkeit umzusetzen.

Das Zitat von Bohley fand ich übrigens in folgendem, höchst lesenswerten Buch:

Konrad Jarausch: Die Umkehr. Deutsche Wandlungen 1945 -1995. Lizenzausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2004, S. 274

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Clement tritt aus und verlässt SPD!

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Nov 252008
 

Soeben wird mir Wolfgang Clements Erklärung zugereicht, mit der er seinen Austritt aus der SPD bekanntgibt:

„Hiermit erkläre ich mit Wirkung vom heutigen Tag meinen Austritt aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Die Gründe dafür sind

  • erstens die Entscheidung der Bundesschiedskommission, die meint, die Wahrnehmung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit mit einer öffentlichen Rüge drangsalieren zu sollen,
  • zweitens die Tatsache, dass die SPD-Parteiführung zugleich keinen klaren Trennungsstrich zur PDS/Linken zieht, sondern sogar – in den Ländern – zu einer Zusammenarbeit mit dieser Partei ermuntert, obgleich deren Stasi-Verstrickung offenkundig ist, und
  • drittens eine Wirtschaftspolitik treiben lässt, die – wie der IGBCE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt soeben wieder warnend hervorgehoben hat – auf eine De-Industrialisierung unseres Landes hinausläuft.

Ich bedauere sehr, diesen Schritt, zu dem ich mich nach gründlicher Abwägung entschlossen habe, tun zu müssen.

An den weiteren Diskussionen und Auseinandersetzungen um die hier angesprochenen Fragen werde ich mich – nunmehr als Sozialdemokrat ohne Parteibuch – nach Kräften beteiligen.“

Dies ist ein schwerer Schlag für die SPD! Ich halte Clements Schritt für zwar für nachvollziehbar. Dennoch meine ich, dass auch nach schweren Zerwürfnissen ein Ausgleich innerhalb der Parteien gesucht werden sollte. Und für einen bekennenden Sozialdemokraten muss die Sozialdemokratische Partei die Hauspartei sein, oder doch eine andere? Die SPD wiederum war schlecht beraten, als sie Wolfgang Clement eine Rüge aussprach. Ich glaube, Parteien müssen Widerspruch aus den Reihen ihrer Mitglieder aushalten, auch wenn dieser öffentlich geäußert wird, auch wenn dieser im Wahlkampf geäußert wird! Denn genau dann, wenn innerhalb einer Partei eine Haltung des offenen Gesprächs herrscht, wird dieser Partei auch zugetraut, mit anderen Parteien und mit den gesellschaftlichen Kräften draußen im Lande überhaupt in ein offenes Gespräch einzutreten.

Am Umgang mit den öffentlichen Abweichlern erweist sich, wie ernst es einer Partei mit den Grundsätzen der Demokratie ist.

Es lebe der innerparteiliche Wettbewerb! Es lebe die Wettbewerbsdemokratie!

Clements Erklärung im Wortlaut: „Ich bedauere sehr, diesen Schritt tun zu müssen“

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Nov 252008
 

Eine gute Initiative startet in der BZ heute der bekennende Rad- und PKW-Fahrer Gunnar Schupelius. Statt immer nur zu schimpfen und sich zu ärgern, wie das wir anderen tun. Herr Schupelius scheint also den Pfad des „Gerechten Zorns“ sachte sachte zu verlassen – hin zum Pfad des „Freundlichen Handschlags.“ Löblich, so sei es! Er verlangt Rücksicht und Partnerschaft. Dabei wendet er sich gleichermaßen an Autofahrer wie an Radfahrer:

Autofahrer und Radfahrer ärgern sich im Berliner Straßenverkehr, jeder über den anderen, täglich, tausendfach, bis zur Weißglut. Die Situationen, in denen sie sich ärgern, sind meistens unspektakulär und immer die gleichen. Und immer glauben beide Seiten, von der jeweils anderen in ihrem guten Recht verletzt worden zu sein. Dabei könnten wir uns den Stress miteinander ganz einfach sparen: Wenn nämlich beide, Auto- und Radfahrer, jeweils nur drei Regeln des guten Benehmens einhalten würden, dann wäre der ganze Ärger schon längst verflogen.

Noch etwas ist gut: Er verknappt seine Hinweise, fasst einige wenige Einsichten in kurzen Geboten zusammen. Das endlose Debattieren „Wer hat recht?“  bringt uns in der Tat nicht weiter. Selbstverständlich mag man gegen das eine oder andere „Schupelius-Gebot“ Einwände erheben, so etwa gegen seine Aufforderung an Radfahrer, immer möglichst weit rechts zu fahren. Das würde nämlich voraussetzen, dass die Autofahrer genug Abstand halten und einen nicht ständig noch weiter nach rechts abdrängen, bis man am nächsten Bordstein oder PKW landet.

Aber der Grundansatz, dass alle Verkehrsteilnehmer sich mindestens an einige wenige Grundgebote halten sollen, ist schlechterdings nicht von der Hand zu weisen. Damit fährt Schupelius richtig.

Lesen wir die heutige BZ:

Und so sehen die drei Regeln des guten Benehmens für Autofahrer aus:

Regel Nummer eins: Achten Sie beim Rechtsabbiegen frühzeitig und ganz konsequent auf den Radfahrer. Es ist seine Urangst, von einem rechts abbiegenden Fahrzeug verletzt zu werden. Da er nicht in der Mitte der Straße fahren darf, muss er irgendwie rechts an Ihnen vorbeikommen. Machen Sie ihm diese Vorbeifahrt so angenehm wie möglich.

Regel Nummer zwei: Fahren Sie nie zu dicht an einem Radler vorbei. Das macht ihm Angst und löst Stress und Aggressionen aus. Oft passen Auto und Fahrrad nicht aneinander vorbei. Bleiben Sie hinter dem Rad, bis sich eine Überholmöglichkeit bietet, auch wenn das etwas Zeit kostet. Bedrängen Sie den Radler nicht. Denken Sie daran, dass Sie vielleicht 100 oder 200 PS zur Verfügung haben, Radfahrer aber nicht einmal ein halbes. Sie können eben nicht schneller fahren.

Regel Nummer drei: Öffnen Sie die Fahrertür sehr vorsichtig. Der Radfahrer muss zwischen parkenden und fahrenden Autos fahren. Das ist nicht sehr angenehm. Die aufspringende Tür eines geparkten Autos kann für den Radler lebensgefährlich werden, weil er nicht ausweichen kann.

So sehen die drei Regeln des guten Benehmens für Radfahrer aus:

Regel Nummer eins: Fahren Sie nie bei Rot. Dieser schwere Verstoß gegen die Verkehrsregeln ist unter vielen Radlern zur Gewohnheit geworden. Wer bei roter Ampel fährt, stresst und verunsichert die Autofahrer ganz erheblich. Er macht sie außerdem wütend, weil sie Angst haben, einen Radler zu überfahren, und weil sie selber bei Rot halten müssen. Das verlangen sie dann auch von den anderen Verkehrsteilnehmern.

Regel Nummer zwei: Fahren Sie möglichst ganz rechts. Ermöglichen Sie es dem Autofahrer immer, Sie zu überholen. Er hat es eilig und fährt doppelt so schnell wie Sie. Wenn Sie zu weit in der Mitte der Fahrbahn fahren, dann wirkt das provozierend und ist oft der Anfang eines erbitterten Streits.

Regel Nummer drei: Nehmen Sie Rücksicht auf abbiegende Autos. Unter den Autofahrern gibt es nur wenige Rowdys, die meisten wollen die Radfahrer respektieren. Es kommt aber auch bei den routiniertesten Fahrern vor, dass sie ein Rad im toten Winkel übersehen. Das passiert ungewollt, ist aber gefährlich, und darauf müssen Sie vorbereitet sein.

Ich meine: Schupelius trifft den richtigen Ton. Seine Aufforderung, Rücksicht und Partnerschaft an die Stelle von Rechtsverletzungen und Grobheit zu setzen, ist goldrichtig. Weiter so – beschreiten oder befahren wir doch gleich alle miteinander den goldenen Pfad des „Freundlichen Handschlags“!

Berlin-Knigge – Radfahrer gegen Autofahrer – BZ-Berlin.de

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Bildungsvergleich: Ost-Schüler bringen West-Mann in Bedrängnis

 Geige, Gute Grundschulen, Integration durch Kultur?, Kinder, Leitkulturen, Musik, Pflicht, Vorbildlichkeit  Kommentare deaktiviert für Bildungsvergleich: Ost-Schüler bringen West-Mann in Bedrängnis
Nov 242008
 

Immer wieder gerate ich als einzelner West-Mann unter Druck in den fröhlichen Versammlungen meiner durch Kommunismus und Diktatur geprägten Freunde und Verwandten. So auch wieder gestern: Gemeinsam hörten wir – eine Runde von Musikern und Sängern aus aller Herren Länder, darunter ich als einziger West-Mann – einen privaten Mitschnitt vom Wieniawski-Wettbewerb Lublin 1988. Junge Geiger mussten in drei Runden ein anspruchsvolles Programm vorführen, darunter eben auch einige der schwersten Stücke, die es überhaupt in der Violinliteratur gibt, solche Leckerbissen wie die Variationen über ein eigenes Thema von Henri Wieniawski. Die spätere Siegerin, Natalia Prischepenko aus der damaligen Sowjetunion, hatte es uns gleich von Anfang an angetan: Eine bezaubernde Erscheinung, brachte sie die Emotionen der Musik voller Lebendigkeit, mit Stolz, Selbstgewissheit und Charme über das Podium in den ganzen Saal hinein, technisch makellos, brillant, angriffslustig, aber im Tempo absolut unerschütterlich. Selbst die allerschwersten Variation mit den Pizzicati der linken Hand „stand“ sie ohne Tempoverzögerungen! Jeder einzelne Ton perlte. Hinreißend, und das alles im Alter von 15 Jahren! Ihr Lehrer Zachar Bron saß irgendwo in einer der letzten Reihen, spielte im Geiste und sogar mit Gesten alles mit, ackerte, litt mit der Schülerin … Aber der Erfolg gab den beiden recht.

Oft höre ich dann: „Solche Höchstleistungen in den Bereichen Musik, Naturwissenschaften und Sport brachte eben nur das alte System hervor! Es gab weniger Ablenkung durch Gameboys, Handys und MP3-Player. Talente wurden bis in die hintersten Winkel der Sowjetunion gezielt gefördert. Herkunft zählte nicht – nur die Begabung. Solange man politisch nicht aneckte, konnte man sicher sein, dass eigene Leistungsreserven optimal ausgeschöpft wurden. Ihr im Westen habt dem nichts entgegenzusetzen. Bei euch herscht Kuschelpädagogik. Die soziale und ethnische Herkunft entscheidet hier in Berlin im großen und ganzen über den Bildungserfolg! Ausländer schaffen es kaum nach ganz oben. Das Niveau wird nach unten angeglichen, Leistung wird kaum gefördert.“

Schluck! Ich kann dem kaum etwas entgegensetzen. Das Niveau etwa in der Musikerausbildung war in den Staaten des Ostblocks deutlich höher als in Westeuropa. Dies meine ich wirklich nach Dutzenden von direkten Begegnungen mit Musikern feststellen zu können.

Wer weiß – vielleicht hat das bessere Abschneiden der Ost-Bundesländer auch etwas mit dieser Kultur der Leistung und des Lernens zu tun? Ich vermute dies. Denn die Mehrzahl der Lehrer, die etwa in Sachsen und Thüringen unterrichten, dürften noch aus der DDR stammen. Doch halt – es gibt ja noch Bayern … und da kenn ich mich aus. Denn ich habe mein Abitur in jenem fernen Lande errungen – das allerdings weder dem Osten noch dem Westen, sondern dem stolzen Süden der Republik angehört! Vivat Bavaria.

Bildungsvergleich: Ost-Erfolg bei Pisa macht Westländer neidisch – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – SchulSPIEGEL

Hauptschulen? Nicht in OstdeutschlandSachsen und Thüringen zählen jetzt zu den großen Gewinnern des innerdeutschen Ländervergleichs Pisa-E der 15-jährigen Schüler. Sachsen eroberte den Spitzenplatz in Mathematik und Lesekompetenz sehr knapp vor Bayern. Beim Schwerpunkt Naturwissenschaften liegt das Land international sogar auf dem zweiten Rang hinter Finnland, wenn man die deutschen Bundesländer in die weltweite Studie einsortiert.

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Hilft Reden? Hilft Schweigen?

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Nov 232008
 

Oft begegne ich Menschen, die mir wieder und wieder dieselbe Geschichte erzählen: Geschichten, die ihr Leben unauslöschlich verändert haben, es in eine andere Richtung drängten, ungewollt und häufig so, dass sie nicht mehr davon loskommen. Man könnte nun meinen, durch häufiges Erzählen würde die Last der Erinnerung leichter. Ich hege mittlerweile Zweifel daran. Ich glaube, nicht immer ist dieses Erzählen-Müssen Zeichen für eine Bewältigung des Erlebten. Es kann auch ein Zeichen dafür sein, dass das Erlebte dauerhaft traumatisierend gewirkt hat: Es ist dann bei solchen Menschen so, als wären sie nie ganz in der Gegenwart angekommen, müssten wieder und wieder hinabsteigen in den Brunnen jener schrecklichen Zeit. Hubertus Knabe schreibt: „Weil sie in der Gegenwart nicht angekommen sind, leben sie weiter in der Vergangenheit.“ Hier dürfte mitunter auch Schweigen angebracht sein. Oder ein konfrontatives Zuhören: „Gut, ich habe deine Geschichte gehört. Du hast sie schon oft und oft erzählt. Nun lass uns überlegen, was wir daraus machen können! Was willst du mir sagen? Was rätst du mir?“

Oft spreche ich mit Zeitzeugen – aus der Nazi-Zeit, aus dem Sowjetkommunismus, aus der DDR … ja, ich werde allmählich selbst zum „Zeitzeugen“, da ich etwas erlebt habe, was der Bundesrepublik nach und nach verlorengeht: ein zutiefst konfessionell geprägtes, durch den Kalten Krieg bestimmtes Umfeld, in dem die Gebote der katholischen Kirche unbefragt an uns Kinder weitergegeben wurden, in dem der Beichtspiegel auswendig gelernt wurde und jeden Abend die Seele froh war, wenn sie nur lässliche Sünden begangen hatte. Und ein Umfeld, in dem schon die Protestanten mit einem Satz wie „Du musst sie achten, denn es sind letztlich auch Christen“ bedacht wurden. Ich war damals, als kleiner Bub, zutiefst überzeugt, dass alle Kommunisten böse Menschen sein mussten. Begegnet bin ich damals allerdings keinem.

Der Münchner Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer schreibt heute im Neuen Deutschland auf S. 22 über die Magie der Erinnerung:  „Wer die Erinnerungen eines Menschen, aber auch eines Volkes beherrscht, beherrscht auch diesen Menschen oder dieses Volk.“

22.11.2008: Flüchtig oder unauslöschlich, kostbar oder qualvoll: Die Magie der Erinnerung (Tageszeitung Neues Deutschland)

Wer mit den inzwischen ins Greisinnen- und Greisenalter tretenden Zeitzeugen von Krieg und Vertreibung sprechen will, wird das am besten tun können, wenn er ihr Schweigen respektiert und sich in ihre Situation einfühlt: Sie verlieren, indem sie sich öffnen, ein Stück gewonnene Sicherheit, ein Gleichgewicht zwischen dem Erlebten und ihrer eigenen Art, es zu verarbeiten oder abzukapseln.

Wenn sie dann doch erzählen, ist es hilfreich, taktvoll mit den Informationen umzugehen und sich mehr oder weniger naseweise Bewertungen zu verkneifen. Nur allzu schnell hört man dann: »Wer nicht dabei war, kann es sowieso nicht verstehen«, und das Gespräch ist zu Ende. Ob es den Kindern und Enkeln der Menschen, welche die real existierende DDR noch erlebt haben, irgendwann einmal ähnlich geht?

Nun, ich habe keinerlei Schwierigkeiten, mit Menschen längere Gespräche zu führen, die die Sowjetunion oder die DDR mehrere Jahrzehnte lang erlebt und überlebt haben. In all diesen Gesprächen bin ich bemüht, dieses Gleichgewicht zwischen Erzählen-Müssen und Verschweigen-Können auszubalancieren. Ich will nicht immer alles wissen. Ich versuche sogar bewusst, die eine oder andere Leerstelle zu lassen. Und ich gebe mir Mühe, diese Erinnerungen nicht zu instrumentalisieren, also nicht für meine eigenen Zwecke einzuspannen.

Von einem hartnäckig-genauen, einfühlend-behutsamen Umgang mit persönlichen Erinnerungen scheint mir allerdings die öffentliche deutsche Gedenkkultur noch weit entfernt.

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Die Reinemachefrauen, oder: Soll oder kann es eine Frauenpartei geben?

 Frau und Mann  Kommentare deaktiviert für Die Reinemachefrauen, oder: Soll oder kann es eine Frauenpartei geben?
Nov 232008
 

man_und_frau.jpg Sind Frauen in der Politik anders? Kann es eine Frauenpartei geben? Was will das Weib in der Politik?  Mehrfach diskutierten wir in diesem Blog solche bewegenden Fragen. Nach Einträgen am 21., 27., und 28.10.2008 gelangten wir zu folgenden Schlüssen: „Mann dreht seine Runden, Frau putzt hinterher“. Frauen fehlt fast immer der Wille zur Macht als Selbstzweck, deshalb gelangen sie nur zur Macht, wenn die Männer sich vor aller Augen als unfähig oder unhaltbar erweisen. Eine Frauenpartei erklärten wir für unwahrscheinlich. Wir haben uns geirrt. Denn Berlins CDU schickt sich an, eine Frauenpartei zu werden! So jedenfalls berichtet der Tagesspiegel heute:

Die Demontage
Vom Hinterzimmer-Herrenclub zur Frauenpartei in nur zweieinhalb Monaten: So lässt sich zusammenfassen, was die Berliner CDU in diesem Herbst mit sich erlebt hat. Frauenpartei? Klar, so viele Frauen wie jetzt haben noch nie auf den besten Plätzen der Landesliste für den Bundestag kandidiert. Monika Grütters auf dem ersten Rang, Stefanie Vogelsang, Stadträtin aus Neukölln, auf dem dritten, die ehemalige DDR-Dissidentin Vera Lengsfeld auf dem sechsten Listenplatz. Deutlich mehr weibliche Gesichter werden im kommenden Sommer von den Wahlplakaten herunterlächeln.

Ihr seht: Der erste Teil meiner Analyse stimmte – nämlich, dass in besonders schweren Krisen oft der Weg für die Frauen frei wird.

Typisch sind folgende Aussagen: „Wenn ich gewusst hätte, dass ich so deutlich verliere, wäre ich gar nicht angetreten“ – so äußerte sich ein bekannter männlicher Politiker nach seiner Niederlage. „Ich habe nicht damit gerechnet, gewählt zu werden, aber ich war es der Partei schuldig. Ich musste mindestens ein Zeichen setzen.“ – In diesem Sinne äußerte sich eine weibliche Kandidatin nach ihrem Wahlsieg. Typisch Mann, typisch Frau: dem Mann ging es um konkrete Machtperspektiven, der Frau ging es um das Ansehen der Partei, obwohl sie sich keine Macht versprach!

Interessant ist auch, wie Berlins CDU das Thema des Lernens, das Thema des tiefgreifenden Wandels immer wieder elegant vermeidet und umsegelt! „Ja, haben wir denn überhaupt nichts dazugelernt?“ – so eine fassungslose Stefanie Vogelsang, als sie erfuhr, dass auch unter dem neuen alten Landesvorsitzenden munter und fröhlich weitergekungelt wird, als wäre nichts gewesen. „Ihr habt ja nichts dazugelernt!“ Solche und andere Rufe erschollen, als die hinreichend bekannte Landesvorstands-Herrenriege die Landesvertreterversammlung unterbrechen wollte, da die Delegierten sich nicht an die diktierten Listen halten wollten, sondern sich das Recht auf demokratische Wahl herausnahmen. Was für eine Ungehörigkeit!

Ronald Pofalla wiederum sagte am Dienstag zu seiner Berliner CDU: „Sie brauchen keine Belehrungen!“ Ein herrlicher Satz, denn er bedeutet: „Wie Sie aus dem Schlamassel herauskommen wollen, müssen Sie schon selber lernen – niemand kann es Ihnen von außen belehrend vorschreiben.“

Was lernen wir daraus? Ich meine dies: „Lernt selbst – damit ihr euch nicht die Belehrungen anderer anhören müsst!“

Fazit: In besonders schweren, von Männern verursachten Krisen scheinen in der Tat Frauen eher geeignet zu sein, Glaubwürdigkeit zurückzuholen. Leider müssen sie oft, allzuoft gedrängt werden, nach vorne zu treten. Hier scheint mir der Ansatz des gemeinsamen Lernens zum Erfolg zu führen.

Lernen heißt sich wandeln. Gemeinsam lernen heißt, den Wandel mitzugestalten statt ihn über sich hereinbrechen zu lassen. Dazu sollten Männer auf Frauen hören lernen.

Unser Foto zeigt eine glückliche Frau.

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