Jetzt ist es amtlich: CDU setzt (sich) aufs Fahrrad

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Dez 022008
 

Auf dem Stuttgarter Parteitag wurde das klare Bekenntnis der CDU zum Fahrrad als Schlüssel einer modernen, nachhaltigen Verkehrspolitik verabschiedet. Gegenüber der Beschlussvorlage, über die wir in diesem Blog am 24.06.2008 berichteten, wurde sogar noch einmal ein weiteres Anliegen draufgesattelt. Es heißt jetzt nicht mehr nur:

Die Union setzt sich konsequent für die Stärkung des Radverkehrs und die bessere Vernetzung mit anderen Verkehrsmitteln ein.

Vielmehr heißt es jetzt im Beschluss des 22. Parteitags zu Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz:

Die Union setzt sich konsequent für die Stärkung des Radverkehrs, z.B. durch Ausbau des Radwegenetzes und die bessere Vernetzung mit anderen Verkehrsmitteln ein.

Das eingefügte „z.B. durch Ausbau des Radwegenetzes“ bedeutet: Ein bloßes Lippenbekenntnis genügt nicht. Die CDU will konkrete Maßnahmen, wie etwa  den Ausbau des Radwegenetzes. Ausdrücklich – durch dieses feinsinnige „z.B.“ – deutet die CDU damit an: Der Ausbau des Radwegenetzes ist nur eine von vielen anderen konkreten Maßnahmen, die man zur Stärkung des Radverkehrs ergreifen soll.

Natürlich hatte ich über den Kreisverband ordnungs- und formgerecht noch weitergehende Änderungen eingereicht: so verlangte ich eine stärkere Einbeziehung von Fahrradbelangen in der Planungsphase von Straßenbaumaßnahmen, Verbändeanhörung, einen Radverkehrsentwicklungsplan und dergleichen Wünschenswertes, Radverkehrsförderung als Ziel der Kommunalpolitik und ähnliche Weihnachtsgeschenke mehr. Aber jeder, der sich in Partei- und Verbändearbeit auskennt, weiß: Solche Leitanträge sind riesige Omnibusse, in denen viele Fahrgäste mitreisen wollen. Es ist nicht Platz für alle Gepäckstücke, die jeder noch vor Abfahrt aufladen will. Man muss froh sein, wenn man noch ein Handtäschchen mitnehmen darf. Meines heißt in diesem Fall: Ausbau des Radwegenetzes. Auch das schlug ich damals vor. Das haben sie angenommen. Das ist doch schon was.

Lest hier noch die endgültig verabschiedete Fassung:

Jeder Bürger kann eigenverantwortlich zur Reduzierung der verkehrsbedingten Umweltbelastung beitragen. Dies gilt insbesondere für den Freizeitverkehr, der bislang in Deutschland zwei Drittel des Pkw-Verkehrs ausmacht. Das Fahrrad spielt als umweltfreundliches Verkehrsmittel eine Schlüsselrolle. Die Union setzt sich konsequent für die Stärkung des Radverkehrs, z.B. durch Ausbau des Radwegenetzes und die bessere Vernetzung mit anderen Verkehrsmitteln ein.

 Posted by at 21:07

Phobie … aus Angst kann Hass entstehen

 Angst, Griechisches, Hebraica  Kommentare deaktiviert für Phobie … aus Angst kann Hass entstehen
Dez 022008
 

41ref48q3xl_sl125_.jpg Im Tagesspiegel erscheint heute ein Artikel über die Ablehnung der Homosexualität. Diese Haltung wird häufig als Homophobie bezeichnet. Heißt aber Phobie nicht Angst? Heißt Homophobie also „Angst vor dem Gleichen“? Ich greife das Thema auf und antworte auf einen Leserkommentar von Leser „netter“. Er schreibt im Tagesspiegel:

„Da kommt die Lesbe“
Phobie?
Klaustrophobie, Arachnophobie usw..

Das sind doch Ängste.
Ich denke, Homophobie triffts denn dann doch nicht. Ich glaube nicht, dass diese Leute Angst vor „Homosexuellen“ haben.
Das klingt ja beinahe so, als würde jemand gleich einen hysterischen Anfall bekommen, wenn er mit einem H. im selben Zimmer ist oder so.

Zja, und dass unsere armen Migrationshintergründigen was gegen H’s. haben, das liegt ja nun an deren Kultur und dass die sich dieses Political Correctness NICHT aufpressen lassen

Auf diesen Kommentar antworte ich so:

Aus Angst vor dem Fremden kann Hass entstehen
@ netter: Diese Zusammensetzungen mit -phobie gehen auf griechisch phobos zurück. „Phobos“ heißt vieles: Fliehen, In-die-Flucht-Schlagen, Furcht, Angst. Das Fremdartige kann Flucht und Angst auslösen. Bereits in der griechisch-römischen Antike wurden Komposita mit „-phobia“ gebildet, die dann neben der „Angst vor …“ auch die „Ablehnung von…“ oder den „Haß auf …“ bedeuten, z.B. „iudaiophobia“, also die Ablehnung des Jüdisch-Christlichen durch das römische Imperium und dann der Hass auf das Jüdische (und auch das Christliche), der in gewalttätigen Verfolgungen gegen Juden (und auch Christen) seinen Ausdruck fand. Hierzu gibt es ein höchst lesenswertes Buch des Judaisten Peter Schäfer: „Judeophobia“. So auch bei Arachno-Phobie usw. Die Angst vor Spinnen (arachnoi) etwa kann in blinde Gewalttätigkeit gegen Spinnen umschlagen, also den Willen, alle Spinnen aus dem Haus zu vertreiben. Sinnlose Gewaltakte haben ihren Ursprung häufig in Angst vor Unbekanntem, das zu einem selbst gehört.

Was kann man dagegen tun? Wichtig scheint mir: Das Umgehen miteinander lernen. In einem geschützten Raum, wie ihn unser Rechtsstaat bereitstellt. Das ist schwer, aber es ist möglich.

 Posted by at 10:23

„Man war Teil des Systems“

 Sündenböcke  Kommentare deaktiviert für „Man war Teil des Systems“
Dez 012008
 

„Man war Teil des Systems“ – mit diesen Worten versuchte ich vor wenigen Tagen, am 26.11.2008, die Rolle der Ost-CDU zu kennzeichnen. Darin lag weder ein moralisches Urteil noch eine Anklage. Ich habe die DDR mehr von außen erlebt, da ich selbst ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr aus Berlin (West) einreisen konnte – aber ich kannte und kenne viele, die jahrzehntelang in der DDR und anderen Staaten des Warschauer Pakts gelebt haben. Und aus den zahlreichen Erzählungen ergibt sich für mich ein einigermaßen stimmiges Bild, das mir verbietet, die Menschen nach ihrer damals gespielten Rolle in Mitläufer und Widerständler, in Böse und Gut einzuteilen.

Beurteilen oder kritisieren kann ich immer nur das, was ich selbst Tag um Tag miterlebe. Ich kann Bitten oder Forderungen für die nächste Zukunft erheben. Und meine Bitte, meine Forderung – gerade in der Auseinandersetzung mit denen, die sich hier in Berlin für „bürgerlich“ halten, und mit denen, die sich für „links“ halten, ist immer wieder dieselbe: Lasst uns dieses Schwarz-Weiß-Denken überwinden. Ich halte es für falsch, wenn wir immer die anderen als „die Bösen“, die „Mauermörder“, die „Ausbeuter“, die „Dummen“, die „muffigen Reaktionäre“ bezeichnen. Eins meiner großen politischen Vorbilder, Barack Obama, schreibt in genau diesem Sinne:

I am convinced that whenever  we exaggerate or demonize, oversimplify or overstate our case, we lose. Whenever we dumb down the political debate, we lose. For it’s precisely the pursuit of ideological purity, the rigid orthodoxy and the sheer predictability of our current political debate, that keeps us from finding new ways to meet the challenges we face as a country. It’s what keeps us locked in „either/or“ thinking: the notion that we can have only big government or no government; the assumption that we must either tolerate forty-six million without health insurance or embrace „Socialized medicine.“

Gestern sah ich den mitreißenden Film „Mogadischu“ im deutschen Fernsehen. Was mir an den Terroristen auffiel, war ein unerbittliches Freund-Feind-Denken. Es hagelte Beschimpfungen, wüste Tiraden gegen die „kapitalistischen Schweine“, die „Verräter“ usw. Und bei Anne Will wurden anschließend Presseberichten zufolge von Teilnehmern Forderungen nach der Todesstrafe, nach unerbittlicher lebenslanger Strafe geäußert. Das ist genau  jenes Schwarz-Weiß-Denken, das schon so viel Unglück gebracht hat, das nicht nur Terrorismus, sondern auch verheerende Kriege ermöglicht. So wären etwa die Kette an Glaubenskriegen, der Dreißigjährige Krieg kaum denkbar gewesen, wenn der Reformer Jan Hus nicht lange zuvor wider alle Zusagen als gottloser Ketzer verbrannt worden wäre, wenn Luther nicht in Acht und Bann gesetzt worden wäre, wenn er selber wiederum den Papst nicht als „Sau“ und Antichrist beschimpft hätte. Die europäische Geschichte ist gerade in ihren langen dunklen Kapiteln ohne ein solches ausgeprägtes wechselseitiges Freund-Feind-Denken nicht vorstellbar. Diese erbitterte Feindschaft zwischen den christlichen Konfessionen ist ein saures Lehrstück – studiert man die Holzschnitte und Flugblätter der Katholiken und Protestanten aus dem 16. und 17. Jahrhundert, dann ist man ein für alle mal vom europäisch-christlichen Dünkel einer ach so überlegenen europäischen Werteordnung geheilt.

Gibt es auch in Deutschland Politiker, die sich von diesem vorwiegend moralischen, nach Gut und Böse urteilenden und verurteilenden Denken gelöst haben? Ich glaube ja, es gibt einige. Eine von ihnen wird heute in der Kleinen Zeitung so zitiert:

Merkel will Geschichte der DDR-CDU aufarbeiten > Kleine Zeitung
Merkel will Geschichte der DDR-CDU aufarbeiten
Die deutsche Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hat angesichts heftiger Attacken von SPD und Grünen vor einem Schwarz-Weiß-Denken bei der Rolle der CDU in der DDR gewarnt.
„Die CDU in der früheren DDR war Teil des Systems“, sagte sie am Sonntagabend am Rande des CDU-Bundesparteitags in Stuttgart dem ZDF. „Wenn man in der DDR gelebt hat, dann kann man das heute nicht mit schwarz und weiß einfach darstellen, sondern da waren in dieser Diktatur natürlich auch Kompromisse unterschiedlichster Art und Weise an der Tagesordnung.

Zitatnachweis: Barack Obama, The Audacity of Hope, New York 2006, Seite 39-40.

 Posted by at 11:24