Benachteiligt unser Schulsystem Migrantenkinder?

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Jan 262009
 

Eine neue Studie zur Integration von Ausländern weist wieder einmal auf, wie schlecht die Türken in Deutschland integriert sind. Das habe ich schon gewusst. Wer ist schuld? Benachteiligt unsere Schule die Migrantenkinder, wie Memet Kilic, der Vorsitzende des Bundesausländerbeirats zu erkennen meint? Oder benachteiligen die Migrantenkinder unsere Schule?

Tja, Freunde, Blogger – wollt ihr meine Meinung hören? Ich lebe in Kreuzberg, bin selbst Vater in einer äußerst migrantisch zusammengesetzten Familie. Ich rede also aus Erfahrung. Denn wir sind auch schon bei Schulschwierigkeiten unseres ach so migrantischen Sohnes in die Schule „einbestellt“ worden und sind von den Lehrern in die Pflicht genommen worden. Wir Eltern sind darauf hingewiesen worden, dass es da und da und da „hakt“. Gut, wir haben das angehört, und wir versuchen, unseren Sohn so zu erziehen, dass die Schwierigkeiten nicht mehr auftreten. Und soll ich euch was sagen? Es klappt.

Mein allgemeiner Eindruck nach fast 20 Jahren Erfahrung als Kreuzberger Vater ist schnell gesagt. Er ist eindeutig: Nein, nein, die deutsche Schule benachteiligt die Migrantenkinder nicht. Ich kann diese ewigen Anklagen nicht mehr hören, sie entbehren jeder Grundlage. Ganz im Gegenteil, die deutsche Schule eröffnet den ausländischen Kindern Chancen, die sie anderswo – etwa in Anatolien und Libanon – nicht hätten. Die Ursachen für die allermeisten Probleme liegen offenkundig bei den Schülern und bei den Eltern. Auch bei den Schülern selbst, denn sie werden durch die ständige fürsorgliche Bemutterung im Zustand der Unmündigkeit gehalten. Die Eltern und die Schüler stehen in der Verantwortung für ihr Leben. Die Schüler und die Eltern haben es in der Hand, durch eigene Anstrengungen die deutsche Sprache zu erlernen und sich durch Bildung Chancen für beruflichen Erfolg zu erarbeiten. Erfolg ist möglich, und zwar durch eigene Arbeit.

Und wenn man im heimatlichen Kreuzberg oder im schnuckeligen Neukölln keinen Job findet? Dann – so finde ich – sollte man nicht einfach zum Sozialamt gehen, sondern dann muss man genügend Mobilität zeigen, um der Arbeit hinterherzureisen, in andere Bundesländer oder auch in andere europäische oder außereuropäische Länder. Aber auch an dieser Bereitschaft fehlt es meist. Denn unser Sozialsystem ermöglicht es, sich zurückzulehnen und irgendwie mithilfe des Staates sein behagliches Einkommen zu finden. Hingekauert am wärmenden Kachelofen der Überweisungen vom Amt.

Noch einmal: Nein, es liegt nicht an den Verhältnissen, es liegt nicht am Berliner Senat, es liegt nicht an „der Gesellschaft“, wenn Migrantenkarrieren im Abseits enden, – und wenn doch „die Gesellschaft“ schuld sein sollte, dann nur insofern, als sie diese unsere migrantischen Kinder nach jeder neuen niederschmetternden soziologischen Erhebung in ihrem Opfer-Status noch bestärkt und verhätschelt, etwa durch Aussagen wie „Wir müssen mehr Angebote an die armen Migrantenkinder machen!“ Freunde, Blogger: Dadurch alimentieren wir uns die nächste Generation des Bildungsproletariats selber, und auch die übernächste gleich mit. Die armen Migrantenkinder erfahren sich von Anfang an als ohnmächtige Objekte unserer vergeblichen Liebesmüh – und ihr einziger Protest dagegen ist, dass sie diese gutgemeinten Anstrengungen scheitern lassen.

Ich halte diese ständige sozialstaatliche Bemutterung und Bevaterung für den falschen Weg. Es gibt auch eine Hilfe zum Lebensunterhalt, die auf Dauer entmündigt und unfähig macht, das eigene Schicksal zu meistern. Es entsteht dann Abhängigkeit von staatlichen Leistungen. Das ist schlecht.

Wir brauchen eine neue soziale Unabhängigkeitserklärung. Jeder kann sie selbst für sich aussprechen. Auf deutsch, auf türkisch, auf arabisch. Sie könnte so lauten: „Ja, ich kann!“

Lest hier aber den ganz anders lautenden Standpunkt der beruflichen Kümmerer:

Bundesausländerbeirat: Schulsystem benachteiligt Migrantenkinder
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, hält die festgestellte schlechte Integration von Türkischstämmigen in Deutschland nicht für ein ethnisches Problem. Die Studie zeige eher die gesellschaftlichen Probleme einer Unterschicht auf, sagte Kolat. Er appellierte an die Politik, den Nationalen Integrationsplan umzusetzen und für gerechte Bildungschancen zu sorgen. „Die Zeiten gegenseitiger Beschuldigung sind vorbei. Wir müssen als Gesellschaft zu einem gemeinsamen Diskurs kommen“, forderte Kolat.

Bundesausländerbeirat nennt Integrationsstudie ein „Warnsignal“

Der Vorsitzende des Bundesausländerbeirates, Memet Kilic, sieht in der neuen Integrationsstudie jedoch ein „Warnsignal“. Kilic sagte, es müsse mehr für die Bildung von Migrantenkindern getan werden. Gefordert seien sowohl die Eltern als auch die Bundesregierung.

Kilic warnte: „Wenn wir ein Riesen-Bildungsproletariat produzieren, dann wird unsere Zukunft düster aussehen.“ Er kritisierte, das Schulsystem in Deutschland benachteilige Migrantenkinder. Die Eltern dürften aber ihre eigenen Aufgaben nicht vernachlässigen, sondern müssten sich mehr als bisher etwa beim Erlernen der deutschen Sprache engagieren. So sollte den Kindern schon im Vorschulalter zweisprachig vorgelesen werden.

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