Feb 242009
 

Wir berichteten im vorigen Eintrag über die Doppelmoral bei den hiesigen Debatten über die Bildungspolitik. Wie sieht es im Bereich Gesundheitspolitik und im Bereich Basisdemokratie aus? Was man alles so im Lokalblättchen Tagesspiegel liest – lässt einen doch den Kopf schütteln. Denn –

Der Konflikt um die Drogenszene am Kottbusser Tor spitzt sich politisch zu: Die Bewohner eines Hauses in der Kottbusser Straße sind empört, weil sie über einen Bericht im Tagesspiegel erfahren haben, dass Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) einen Drogenkonsumraum in ihrem Haus einrichten will. Im unteren Stockwerk des ehemals besetzten Hauses werden demnächst die Betreiber eines kurdischen Cafés ausziehen – laut Schulz „der ideale Raum“ als Anlaufstelle für Drogenabhängige in Aussteigerprogrammen.

Wenn das so wäre, dass unser Bürgermeister über die Köpfe von allen Betroffenen hinweg einfach mal so einen Raum als Fixerstübli requiriert, dann wären unsere guten Grünen in Kreuzberg ja schlimmer als die bösen Schwarzen in Bayern! Dann wäre ihnen die satte Mehrheit, die sie eingefahren haben, nicht gut bekommen. Dann bräche eine Welt zusammen!

Wertvoll scheint mir der Hinweis auf den Görlitzer Park. Das Heimatblatt berichtet:

„Im Görlitzer Park und am Gleisdreieck stehen ehemalige Bahnhofsgelände leer, warum kann denn da nicht eine Lösung mit medizinischer Versorgung gefunden werden?“, fragt er. Doch Togrulca weiß, dass am „Görli“ der Bürgermeister höchstpersönlich wohnt.

Dort konnte ich in der Tat ein reges Treiben und Handeln mit gesuchten Stoffen immer wieder beobachten. Wäre es nicht im Sinne einer ökologisch verantwortlichen  „Politik der kurzen Wege“, wenn Dealer und Verbraucher eng zusammenrückten und auch das wohlwollende Auge des nahebei wohnenden Bürgermeisters jederzeit auf ihnen ruhte? Die so gewonnenen Erfahrungen ließen sich dann sofort wieder zurückspeisen in einen fruchtbaren Lernzyklus Verwaltung – Bürger – internationale Investoren.

Zweite Frage: Hat jemand mit den Kranken gesprochen? Denn Drogensüchtige sind Kranke. Man sollte ihnen nicht einfach  eine Lösung vor die Nase setzen, sondern erst einmal mit ihnen reden und alles besprechen. Dann sollte man mit den Anwohnern, den Vätern, Müttern und Kindern, alles bereden und besprechen. Dann auch mit den Handeltreibenden, die den wertvollen Stoff unermüdlich heranschaffen: Ist die Stelle mit öffentlichen Verkehrsmitteln Tag und Nacht gut erreichbar? Ist der Weg zum nächsten Polizierevier auch weit genug entfernt, damit eventuelle Meinungsverschiedenheiten basisdemokratisch und selbstverwaltet beigelegt werden können und keine Ruhestörungen durch die geballte Macht des Staates drohen?

Grün gegen Grün: Ärger für Kreuzbergs Bürgermeister
Einer der Eigentümer im GbR-Haus ist aktiv bei der „Bürgerinitiative Kottbusser Tor“ – für den Bürgermeister ein Argument, um die Hausbewohner in die Enge zu treiben: „Wenn diese Leute den fehlenden Fixerraum beklagen, dann müssen sie auch prüfen, ob ihre eigenen Gewerberäume infrage kommen“, sagt Schulz. Der Angesprochene ist Hasan Togrulca, ein Kreuzberger Vater mit zwei Kindern, der sich seit einigen Wochen der Bürgerinitiative angeschlossen hat. „Unser Hauptanliegen ist doch nicht eine neue Fixerstube“, sagt Togrulca, „das ist keine Lösung.“ Er bietet Bürgermeister Schulz eine Führung am Kotti an, um ihm zu zeigen, wie die bittere Realität aussieht. „Spritzen und Urin, überall.“ Togrulca ist enttäuscht vom Bürgermeister, der offenbar nicht bereit ist, hier eine Lösung zu finden und stattdessen eine Fixerstube in einem Mehrfamilienhaus einrichten will.

 Posted by at 23:51

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