„Kopf aus. Motor an. Geld her.“ Oder: Die Abwrackung der Vernunft

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Mrz 312009
 

Bei der heutigen Aktion Kopf an. Motor aus. stand auch das Bundesumweltministerium als Pate auf den Pappschildern, die ich lächelnd in die Kameras hielt. Ich machte also irgendwie Werbung für – die Bundesregierung! Hier seht ihr den schreibenden Blogger in der grünen Jacke:

Die Bundesregierung fordert die Bürger auf, das Auto bei Kurzstrecken stehenzulassen und lieber zu Fuß zu gehen oder mit dem Rad zu fahren. Ein guter Ratschlag, denn jeder weiß: Kurzstrecken verschlingen besonders viel Kraftstoff, sie tragen besonders viel zur Belastung der Atmosphäre bei. Außerdem verringern häufige Kaltstarts die Lebensdauer eines Motors.  Wer nachhaltig wirtschaftet und auch auf die Umwelt achtet, wird sein Auto nicht für Kurzstrecken verwenden. Dann hält es länger bis zur Abwrackung.

Womit wir beim Thema wären: Denn  zeitgleich mit dem Aufruf: „Lasst das Auto stehen!“ fordert uns die Bundesregierung auf: „Kauft Autos, zerstört mittelalte Autos, wir schenken euch den Gegenwert eines etwa 10 Jahre alten Autos – ohne Bedingungen.“

Thomas de Maizière, Fritz Kuhn und einige wenige Politiker, die noch ihre fünf Sinne beisammen haben, und obendrein der einhellige Chor der Wirtschafts- und Finanz-Fachleute bezeichnen die Abwrackprämie öffentlich als Unfug (Der Spiegel, 14/2009, 30.03.2009, S. 61). Fällt der CDU und der SPD wirklich nichts Gescheiteres mehr ein?

Doch belehrt uns ein Blick in die Türkei eines Besseren, sofern wir am Verstand der Politik zu zweifeln begannen: Es gelang letztes Wochenende der AKP im kurdischen Osten, mit dem Verschenken von Kühlschränken, die gleich per LKW herangekarrt worden waren, die Kommunalwahlen zu gewinnen. Wir können uns also beruhigen: Wahlgeschenke, ob sie nun als Kühlschrank oder Auto daherkommen, wirken – die Zeche zahlt die nächste Generation.

Wie passt nun die von der Bundesregierung getragene Kampagne „Kopf an. Motor aus“ zur von derselben Bundesregierung getragenen Abwrackkampagne „Kopf aus. Motor an. Geld her“?

Antwort: gar nicht. Es ist erneut ein großer Un-fug, beide Kampagnen gleichzeitig laufen zu lassen. Daraus spricht – wie de Maizière richtig erkennt – die „Feigheit“ der Politiker vor dem Volk. Ein höchst gefährliches Spiel! Es ist, als wollte man unartigen Kindern sagen: „Ich schenke Dir ein herrliches Spielzeug, damit du mich liebst. Aber spiele nicht damit. Und wisse: Deine Kinder werden dieses Spielzeug mit Zins und Zinseszins zurückzahlen.“ Das Kind wird die Eltern für verrückt halten – oder es wird selber verrückt.

Der Psychiater spricht von „Doppelbindung“ – einer in sich widersprüchlichen Haltung, mit der das Kind nicht fertigwerden kann. Diese Haltung kann auf Dauer zur emotionalen Abhängigkeit oder zur psychischen Störung führen. Man wird sehen, ob die Wähler-Kinder die Bundesregierung-Eltern von ihrem gefährlichen Irrweg abbringen.

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Mrz 312009
 

31032009001.jpg „Mit dem Auto erst ab 6“ – diesen Slogan hatte ich mir in diesem Blog am 09.11.2008 einfallen lassen. Gemeint war nur natürlich nicht 6 Uhr oder 6 Jahre, sondern ab 6 Kilometer Fahrstrecke! Denn auf den Kurzstrecken fährt das Rad seine Vorteile voll aus: schneller, günstiger, sparsamer als das Auto, obendrein gesünder. Und es macht mehr Spaß. Ist besser für die Stadt. Gut auch: Heute, soeben, startete eine Kampagne mit genau diesem Ziel: „Kopf an. Motor aus.“ Denn zu allgemeine Parolen wie etwa „Fahrt mehr Rad“ oder „Esst mehr Senf!“ bewirken wenig. Man muss Kampagnen klar ansagen, auf ein bestimmtes Teilziel hin ausrichten, Botschaften wiederholen und einprägen. Die eine oder andere Persönlichkeit hilft auch immer, um den Leuten das Diner schmackhaft zu machen. Heute also Köchin Sarah Wiener. Aber auch Judith Holofernes gab sich ein Stelldichein. Ich selber reihte mich ebenfalls ein, hielt mit großer Begeisterung meine Schilder „Kurzstrecke“ in die Höhe – und alle, alle folgten diesem Fingerzeig. Tolles Training für Schultern, Trizeps und Bizeps, mit diesen Wink-Elementen! Der Himmel spielte auch mit, nur das Brandenburger Tor war noch nicht ganz sauber geputzt. Aber das wird noch.

Persönlich erzeuge ich allerdings mehr CO2, wenn ich radfahre als wenn ich blogge. Grund: Ich atme stärker beim Radfahren, wodurch mehr Kohlendioxid erzeugt wird als im Ruhezustand. Aber das ist nicht so schlimm. Bloß: „Null CO2“, das stimmt in meinem Fall nicht ganz. Aber lest selber einen ernsthaften und ordentlichen Pressetext über das Ereignis, dessentwegen ich noch ganz außer Atem bin und bei dem ich dabei war:

europaticker: Kopf an: Motor aus. Für Null CO2 auf Kurzstrecken Deutschlands erste Kampagne für Fuß- und Radverkehr startet
Unter dem Motto „Kopf an: Motor aus. Für Null CO2 auf Kurzstrecken“ will die Bundesregierung Bürgerinnen und Bürger in den kommenden zwei Jahren dazu bewegen, im Alltag vermehrt ihr Auto stehen zu lassen und zu Fuß zu gehen oder aufs Fahrrad zu steigen. „Das hält fit, spart Geld und schont die Umwelt, denn bundesweit können allein durch eine Verdoppelung der Fuß- und Radkilometer mittelfristig fünf bis sechs Millionen Tonnen CO2 eingespart werden“, sagte Astrid Klug, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, zum Start von Deutschlands erster Rad- und Fußkampagne am Brandenburger Tor in Berlin.

Das Bundesverkehrsministerium unterstützt die Initiative des Umweltressorts, im Sinne des gemeinsamen Ziels, die Treibhausgase im Verkehr zu reduzieren. Ulrich Kasparick, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, würdigte die Kampagne ausdrücklich als wertvolle Motivationsspritze für mehr emissionsfreie Mobilität. „Die Imagekampagne gibt hoffentlich so manchem den nötigen Kick, auf das Rad umzusteigen“, sagte Kasparick anlässlich des Kampagnenstarts in Berlin. „Gerade in der Stadt ist es wichtig aufzusatteln. Auf den ersten drei Kilometern ist das Rad das schnellste Verkehrsmittel.“

Die Kampagne erfährt außerdem prominente weibliche Unterstützung: Judith Holofernes, die Sängerin der Popgruppe „Wir sind Helden“, die Doppelolympiasiegerin im Schwimmen, Britta Steffen, und die Starköchin Sarah Wiener bekennen sich aus unterschiedlichen Gründen zu den Kampagnenzielen. Holofernes will Klimaschutz zu einem Teil der Popkultur machen. „Wir erreichen viele junge Menschen und können eine Menge in Bewegung setzen“, sagte sie anlässlich des Projektstarts. Britta Steffen appelliert an das Körperbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger. „Es muss ja nicht gleich jeder Leistungssport machen, aber die alltäglichen Wege mit eigener Kraft zurückzulegen, bringt schon eine Menge für Fitness und Gesundheit.“

Sarah Wiener, die mit ihrer Stiftung die Ernährungsgewohnheiten von Kindern verbessern will, fordert auch mehr Sport in den Schulen. „Ähnlich wie beim Fast food, verlieren wir auch bei der Mobilität das menschliche Maß aus dem Auge“, sagte Wiener vor dem Brandenburger Tor. Zu Fuß eine Stadt zu erkunden, sei ein viel intensiveres Erlebnis als nur mit dem Auto durchzufah-ren.

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Mrz 312009
 

„Das von der „Aktion Mensch“ geförderte Talent-Projekt richtet sich an Kinder zwischen acht und zwölf Jahren, die neugierig sind und Fragen haben, die ihnen ihre Eltern nicht oder nur begrenzt beantworten können. Zwischen einem halben Jahr und einem Jahr sollen sich die Paten und die kleinen Talente treffen und in einem Online-Tagebuch ihre Erfahrungen dokumentieren.“

Gute, sehr gute  Sache das – diese Patenschaften!  Man könnte fragen: Wären nicht Freundschaften ausreichend? Muss das Ganze so regelhaft, sozusagen öffentlich organisiert werden? Meine Antwort: ja. Von selber ergeben sich die unterstützenden, regelmäßigen Kontakte nicht. Was war das doch immer für eine Aktion, wenn uns mal ein moslemisches Kind besuchte – vieles musste bedacht werden, insbesondere beim Essen. „Wir sind ja Moslems, das wissen Sie hoffentlich.“ Aus lauter Angst aß das uns besuchende Kind aus der Kita überhaupt nichts.

Das Bild im Tagesspiegel heute auf S. 16 zeigt eine Szene, wie ich sie selbst als Kind hunderte Mal erleben durfte: Junge Erwachsene, Studentinnen und Studenten meist, spielten mit uns; sie waren unsere Miterzieher – in Gruppen, Vereinen, und auch bei uns zuhause. Meine Eltern hatten ein geschicktes Händchen darin, andere in die Erziehungsarbeit für uns vier ungebärdige Rangen „einzuspannen“. Folge: Wir waren selten einander ganz allein überlassen, es gab immer Erwachsene, die etwas mit uns unternahmen.

Heute klappt das offenbar nicht mehr von selbst, man muss es in die Wege leiten. Und dafür finde ich dieses Neuköllner-Talente-Projekt vorbildhaft. Toll! Gibt es sowas auch bei uns? Wir leben hier in Kreuzberg doch auch in einem ach so finsteren Problembezirk! Muss mich mal drum kümmern …

Die Paten von Neukölln
„Jedes Kind hat ein Talent im Sinne von Gaben, Wünschen und Interessen – auch die Kinder aus Neukölln“, davon ist Efe überzeugt. Wie beispielsweise die siebenjährige Meltem, die so gerne tanzen und Klavier spielen lernen will und deren Mutter sich den Unterricht nicht leisten kann. Oder der hochbegabte Sahi, der Schwierigkeiten hat, Anschluss zu finden. „Ich sehe hier Kinder, die permanent die Erfahrung machen, nicht dazuzugehören, ob das jetzt ökonomisch oder kulturell bedingt ist“, sagt die 33-Jährige. Sie habe selbst erfahren, wie sehr ein anderes soziales Umfeld die eigene Entwicklung beeinflussen kann.

Die Deutschtürkin ist in Kreuzberg aufgewachsen und hat ein Gymnasium in Tempelhof besucht. Das von der „Aktion Mensch“ geförderte Talent-Projekt richtet sich an Kinder zwischen acht und zwölf Jahren, die neugierig sind und Fragen haben, die ihnen ihre Eltern nicht oder nur begrenzt beantworten können. Zwischen einem halben Jahr und einem Jahr sollen sich die Paten und die kleinen Talente treffen und in einem Online-Tagebuch ihre Erfahrungen dokumentieren. Die Bürgerstiftung steht den Paten unterstützend zur Seite, und einmal im Monat gibt es ein Patentreffen für den gemeinsamen Austausch. Um die Studenten bei ihren Unternehmungen finanziell zu entlasten, gibt es 20 Euro im Monat.

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Mrz 302009
 

Immer wieder wird von „bürgerlicher Politik“ gesprochen. Man müsse eine „bürgerliche Alternative“ zur unsäglichen Politik der Herrschenden schaffen.  So erscholl es am Vorabend der Französischen Revolution, als es darum ging, die Vorrechte des Adels und der hohen Geistlichkeit zu beseitigen. Das unterdrückte Bürgertum pochte an die Pforten der Macht. Aber auch in der Berliner Landespolitik wird immer wieder erneut in dieses Horn gestoßen. Das unruhige Bürgertum will sich nicht länger mit der Vorherrschaft des SPD-Funktionsadels und der Hohen Geistlichkeit des linken Sozialadels abfinden. Die herrschenden Verhältnisse werden scharf kritisiert, mit geradezu revolutionärer Ungeduld wird zur Abwahl der Herrschenden aufgerufen.

Wie stehe ich dazu? Nun, wie viele andere Menschen mit gesunden Sinnen halte auch ich die Themen Bildung, Teilnahme am Gemeinwesen, gelingendes Leben für äußerst wichtig. Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, ein selbstverantwortetes, gelingendes Leben – das ist es, wofür ich arbeiten möchte. Wir müssen zu diesem Zweck an die dicken Ränder der Gesellschaft herangehen, die Macht der allzu Mächtigen durch klare Regeln begrenzen, die Ohnmacht der Ohnmächtigen beseitigen. Durch Teilhabe, durch Bildung, durch sinnvolle Arbeit.

Wir müssen eine starke Vermittlung hin zum Gedanken des Bürgerlichen schaffen. Denn:

Alle, die in Friedrichshain-Kreuzberg wohnen, sind gleichermaßen Bürger unseres Bezirks.

Alle, die in Deutschland wohnen, sind gleichermaßen Bürger unseres Landes.

Alle Parteien, die an der verfassungsmäßigen Ordnung teilhaben, sind gleichermaßen bürgerliche Parteien, insbesondere die Linke, die CSU, die Grünen, die FDP, die SPD und die CDU.

Wir alle sind Bürger, wir müssen allen anderen Bürgern Chancen schaffen, durch Teilhabe an unserem Gemeinwesen die Chancen eines guten, gelingenden Lebens zu nutzen. Diesen Grundgedanken hat erst vor wenigen Tagen Bundespräsident Köhler in seiner beeindruckenden Paulskirchenrede hervorgehoben:

Es ist faszinierend, wie stark die Abgeordneten für das staatliche Aufbauwerk auf Bildung und auf den gleichen Zugang zu Bildungschancen setzten. „Verfassung und Gesetz sind leere Worte für ein Volk ohne Bildung“, hieß es zur Begründung. Die Frankfurter Reichsverfassung schrieb ein flächendeckendes öffentliches Schulwesen vor und machte die darin beschäftigten Lehrer zu Staatsdienern – bis dahin hatten viele Volksschullehrer ihr Dasein nur durch Nebentätigkeit als Küster, Gartenarbeiter oder Kleinhändler fristen können. Der Besuch der Volksschulen und niederen Gewerbeschulen sollte kein Schulgeld mehr kosten, und begabten Kindern armer Leute sollte auch auf den höheren Schulen freier Unterricht gewährt werden. Dabei verstand man übrigens das gesamte Bildungswesen vom Kindergarten bis zur Universität als organisches Ganzes, und es sollte mit unterschiedlichen Erziehungsmethoden experimentiert werden dürfen. Das mutet ausgesprochen modern an. Fragt sich: Haben wir heute alles verwirklicht, wonach die Achtundvierziger strebten, und entwickelt sich unser Bildungswesen in die richtige Richtung?

Lasst es uns anpacken!

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„Der Verkehr muss fließen können“

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Mrz 302009
 

So hört man es immer wieder aus der Verkehrslobby. Gemeint ist dabei meist: der Autoverkehr.  Fuß- und Radverkehr wird dabei oft übersehen.

Umgekehrt gehen die Überlegungen bei Vertretern einer sanfteren, nachhaltigen Verkehrspolitik in eine andere Richtung: Ausweitung des Querparkens in verschiedenen Straßen, Verringerung des Straßenquerschnittes für den rollenden Verkehr durch sehr teure Tiefbaumaßnahmen, dadurch die erwünschte Verlangsamung des Verkehrs insgesamt. Beispiel: Friedrichstraße, Berlin-Mitte:  Die beiden Spuren sind durch den nachträglich gebauten Mittelstreifen stellenweise so eng, dass für Radfahrende und Autos nicht genug Platz ist und ich als Radfahrer immer wieder sehr gefährlich überholt werde.

Ich persönlich befürworte grundsätzlich eher folgendes: möglichst gerade, übersichtliche, einfache Verkehrsführung, mehr Anteil des nutzbaren Straßenquerschnitts für Fußgänger und Radfahrer, weniger Platzanteil für fahrende und parkende Autos, fußgänger- und fahrradfreundlichere Ampelschaltungen, aber keine künstliche Verringerung des Straßenquerschnittes durch Querparken, Parkbuchten, kostspielige Inselchen und Mittelstreifen. Die Verlangsamung des Durchschnitts des Autoverkehrs ergibt sich dann dadurch, dass die Autos weniger oft Gelegenheiten zum Überholen haben, da ja mehr Anteil des Straßenquerschnittes für Fuß- und Radverkehr ausgewiesen wird.  Mein Leitsatz wäre: „Der Verkehr soll gleichmäßiger, leichter begreiflich bei insgesamt niedrigeren Spitzengeschwindigkeiten fließen. Dies verringert die Gesamtverkehrsleistung nicht.“

Was meinst du?

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Sprungbrett für neue Aktionen

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Mrz 282009
 

Der Nachmittag rief mich zur jährlichen Mitgliederversammlung des ADFC Berlin. Klarer, gut organisierter Ablauf, es herrscht eine gute, zu Arbeit und Aktion hinführende Stimmung. Der im letzten Jahr gewählte Vorstand unter Landeschefin Sarah Stark erntet viel Zustimmung. Sie sind erkennbar ein gut eingespieltes Team, und genau das brauchen Verbände für eine erfolgreiche Arbeit.

Meine Aufgabe war es, den Bezirksrat – also die Versammlung der Berliner Stadtteilgruppensprecher, des Vorstands und der Fachreferenten –  in 5 Minuten vorzustellen und Rechenschaft abzulegen. Ich tue dies mit Freude. Ich spreche eigentlich immer ganz gerne vor Menschen.

Mehrere Satzungsänderungsanträge werden eingebracht, als Bezirksratssprecher vertrete ich zusammen mit Stellvertreter Holger Martin ebenfalls einen solchen Antrag, der allerdings die nötige 2/3-Mehrheit der erschienenen Mitglieder knapp verfehlt, da es zu viele Enthaltungen gab. Das ist kein Beinbruch, Satzungen sind Gerüste, die das Leben einfacher oder auch schwerer machen können, nichts weiter.

Ansonsten gab es viele Gespräche am Rande, so manches Wiedersehen, und ein paar neue Mitglieder und Mitstreiter habe ich auch noch kennengelernt. Wir radeln an – in den Frühling!

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Wahlrecht hin zu mehr Bürgerbeteiligung ändern? Man sollte darüber reden!

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Mrz 272009
 

Oft wird vom Parteienstaat gesprochen. Die Parteien, denen von der Verfassung eine „mitwirkende“ Rolle zugewiesen wird,  hätten sich tatsächlich die staatlichen Organe untereinander aufgeteilt, so ein häufiger Vorwurf.

Statt mündiger Bürger, statt selbstbewusster „Freigänger“ sitzen in dieser Sicht „Parteikarrierevollzugsbeamte“ in den Parlamenten.

Ich meine: Diese Kritik ist in vielfacher Hinsicht berechtigt. Denn nur etwa 0,2 Prozent der Wahlbürger bestimmen über die Zusammensetzung der Listen für die Parlamentswahlen.

Zwei Wege aus der mangelnden Repräsentativität sehe ich: Einerseits sollten die Bürger in die Parteien hineinströmen, sie am hellen Tageslicht unterwandern, oder auch neue Parteien gründen, wenn sie an den bestehenden Parteien verzweifeln. Die Grünen haben dies erfolgreich vorgeführt.

Andererseits sollte man ernsthaft über eine Wahlrechtsreform nachdenken. Bundespäsident Köhler hat dies heute in seiner Paulskirchenrede angeregt. Muss die Hälfte der Parlamentssitze wirklich über Listen vergeben werden? Könnten die Listen nicht unter Einbeziehung von Nicht-Parteimitgliedern ermittelt werden? Warum haben es parteilose Bewerber so schwer? Sollte man nicht die Bürger ermuntern, ohne Parteienbindung auf eigene Faust sich in ihrem Wahlkreis zu bewerben? Ich bin für eine stärkere Gewichtung der Direktkandidaturen!

Brauchen wir überhaupt die Parteien in der jetzigen Form? Oder läuft es mehr auf „Bürgerplattformen“ hinaus? Auf den Grundgedanken einer „Union“ und Bündelung verschiedener Kräfte? Bedenken wir: Die athenische Demokratie kam ganz ohne Parteien aus, ja es wurde sogar alles getan, um die Aufspaltung der Gesellschaft in Parteien (staseis) zu verhindern! Wer sich um ein Amt bewarb, der musste eines unter Beweis stellen: seine ausschließliche Orientierung am gemeinsamen Guten, am Gemeinwohl. Umgekehrt gab es Parteien im römischen Kaiserreich – die „Blauen“ oder die „Grünen“ – sie verkörperten in der Regel die Soldatenhorden, die sich um einen General geschart hatten, um für sich die Macht zu erringen, und zwar mit allen Mitteln, auch mit Mord.

Spricht man dagegen heute mit Parteimitgliedern, so scheint ihr vordringliches Interesse vielfach darin zu bestehen, möglichst viel Macht für das eigene Lager zu gewinnen. Wie oft habe ich gehört: „Es ist zwar richtig, was Sie sagen, aber damit können wir nicht punkten!“ Es geht offenbar nicht darum, die besten Lösungen für die Gemeinschaft zu erarbeiten, sondern die eigenen vorgefertigten Rezepte ins Volk zu tragen und dafür möglichst viel Zustimmung einzuwerben. Deswegen wirken Parteien auf Außenstehende oft so undurchdringlich, so unbegreiflich, so lächerlich, so abgeschlossen, ja mitunter so abstoßend.

Und die Vorläufer der heutigen Parteien, die „Clubs“, die 1848 in der Paulskirche zusammentraten, waren lose Personenverbände, keineswegs straffe Organisationen des heutigen Typs. Ihre Namen sprechen Bände: „Café Milani“, „Casino“, „Pariser Hof“, „Westendhall“ usw.

Ich selber hege – offen gestanden – Sympathien für jene Politiker, die nicht durch ihre Parteizugehörigkeit erklärbar sind, ja sogar als echte „Freigänger“ quer zu den Parteigrenzen agieren, wie etwa der jetzige Bundespräsident, Altkanzler Helmut Schmidt, die jetzige Bundeskanzlerin und vor allem auch der jetzige Präsident der USA. Ich glaube: Nach dem Ende des Kalten Krieges wird der politische Wettbewerb um die besten Lösungen geführt, nicht mehr darum: „Welche Partei hat immer und überall recht?“

Ich muss mir unbedingt den Wortlaut der letzten Rede von Horst Köhler beschaffen. Ich glaube, er bringt erneut etwas Förderungswürdiges ins Rollen.

Verfassungsrede: Köhler fordert mehr Rechte für Wähler – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik
Horst Köhler hat zusätzliche Rechte für die Wähler in der deutschen Demokratie vorgeschlagen. Zum 160. Jahrestag der ersten demokratischen Verfassung für Deutschland schlug der Bundespräsident am Freitag in der Frankfurter Paulskirche Änderungen des Wahlrechts an. Wähler sollten mehr Einfluss darauf erhalten, welche Kandidaten von den Wahllisten der Parteien ein Mandat bekämen: „Es müssen ja nicht immer nur die sein, die oben stehen.“

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Mrz 272009
 

Der Bürger Thomas Heilmann findet in der heutigen Morgenpost genau die richtigen Worte, um sein Engagement in der Berliner Landespolitik zu begründen – und ganz nebenbei formuliert er einen  erhöhten Diskussionsbedarf über die Grundfragen: Was hält uns zusammen in unserer Gesellschaft? In was für einem Gemeinwesen wollen wir leben?

Heilmann verspricht echte Konkurrenz für den Senat – Berlin – Berliner Morgenpost
Morgenpost Online: Sie sind ein international agierender Wirtschaftsmanager. Was treibt einen da in die Niederungen der Berliner Landespolitik?
Heilmann: Berlin ist internationaler, als ich es wahrscheinlich je werden kann. Ich denke, dass wir momentan in einer Zeit leben, in der man über die Frage, was soll privat sein, was muss der Staat machen, eine ganz neue Grundsatzdebatte führen muss. Ich glaube, dass diese Diskussion überall stattfinden sollte. Und die Verbindung der Begriffe von Politik und Niederungen kann man schnell als Hochmut verstehen. Politik ist der Ort, an dem unser Gemeinwesen gestaltet wird. Das ist nicht niedrig oder hoch.

Bravo, Herr Heilmann! Ich setze sogar noch einen drauf: Nicht nur die weiten Parkanlagen der Landespolitik, sondern eher noch, stärker sogar die Schrebergärten der Bezirkspolitik sind spannend – hier können wir mitmischen, hier sind wir alle gefragt!

Immerhin: Ein Bezirk wie Friedrichshain-Kreuzberg zählt heute etwa genauso viele Einwohner wie der größte Stadtstaat der griechischen Antike, nämlich Athen. Genau die richtige Größe also, um sich zu beteiligen. Demokratie findet überall da statt, wo einfache Bürger – wie etwa Thomas Heilmann – sich zu Wort melden. Bürger, erwartet jedoch bitte das ganze Heil nicht von Heilmann, sondern macht es ebenso: Mischt euch ein! Ihr seid alle Bürger im vollen Sinne.

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Füllen Sie Wasser in den Tank der Marktwirtschaft, oder: Wer kann schon etwas gegen den Weihnachtsmann haben?

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Mrz 262009
 

Eine sprudelnde Quelle von staatlichen Beihilfen für einzelne Branchen bleibt Italien. Das Land ist deshalb mittlerweile in der Rangliste der Volkswirtschaften weit nach hinten gefallen, der Produktivitätszuwachs liegt weit unter dem anderer EU-Staaten.  Und als eine der Ursachen dafür benennen Fachleute den allzu ungehinderten Umgang mit staatlichen ‚aiutini‘.  Selbstverständlich gibt es in Italien auch die Verschrottungsprämie – sie wird noch bis 31.12.2009 weiterlaufen. Allerdings hat man sich in Italien mindestens bemüht, einen Umweltanteil einzubauen; wer sein Auto bloß verschrottet, ohne ein neues zu kaufen, erhält immerhin 80 Euro auf die Hand und ein Jahres-Abo im öffentlichen Verkehr:

Incentivi e rottamazione senza segreti Ecco la guida per avere i vari bonus – Motori – Repubblica.it
INCENTIVI CON ROTTAMAZIONE DI AUTO EURO0 O EURO1
Se si distrugge una vecchia auto e non si compra nulla (la famosa „rottamazione pura“ voluta dai verdi) si ottiene un micro bonus di 80 euro che copre i costi di rottamazione dell’auto e un abbonbamento ai mezzi pubblici, ma per avere la tessera „intera rete“ per un anno non bisogna essere intestatari di altre auto).

Ansonsten gilt: Das jahrzehntelange Beihilfewesen, die innige Verquickung zwischen Brancheninteressen und Politik hat die italienische Autoindustrie zurückgeworfen, der Konzentrationsprozess hat stark zugenommen, der Wettbewerb ist massiv beeinträchtigt, die italienischen Autos werden außerhalb des Landes kaum gekauft. Mit einem Wort: Wenn Staaten gezielt Branchen aufpäppeln und verwöhnen, füllen sie Wasser in den Tank der Marktwirtschaft. Sie spielen Weihnachtsmann und Osterhase. Worüber sich natürlich alle Wähler-Kinder freuen.

Was Italien kann, kann das Land Berlin ebenfalls:  Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bringt heute im Finanzteil auf S. 20 einen Rückblick auf die Bankgesellschaft Berlin. „Das Berliner Bankendesaster war bis zum Scheitern der IKB das größte in der deutschen Nachkriegsgeschichte.“ Und dem damals bereits hoch verschuldeten Bundesland Berlin gebührt das zweifelhafte Verdienst, einen Banken-Schutzschirm in der damals noch gigantischen Höhe von 21,6 Milliarden Euro aufgespannt zu haben. An den Folgen wird das Land noch jahrzehntelang zu tragen haben. Berlin macht’s vor!

Die FAZ kommentiert: „Parallelen zur aktuellen Finanzkrise sind unverkennbar: Es wurden Kredite vergeben, die nicht hätten vergeben werden sollen, die Risiken wurden in anderen Finanzprodukten versteckt.“

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„Lasst den Alten doch reden!“

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Mrz 262009
 

Na bitte, es geht doch! Bei Frank Plasberg diskutierten die Männer fair, ehrlich und doch gegensätzlich. Gut! Sehr gut, obendrein sympathisch: Norbert Röttgen. „Bei mir hat sich was verändert: ich sehe jetzt das Wechselverhältnis von Markt, Moral und Staat.“ Überzeugender Schluss-Satz!

Schon eine erste Wirkung von Köhlers Berliner Rede? Hat der Bundespräsident etwas bewegt? Wohl nicht unbedingt, denn die Bundesregierung kann’s einfach nicht lassen, Geld nach dem Gießkannenprinzip an der falschen Stelle zu verschütten: in die Autos hinein. Das Motto dabei könnte lauten: „Lassen wir den Alten reden, Afrika ist Afrika, wir drücken noch mal schön aufs Gaspedal.“

Mein türkischer Krämer um die Ecke klagt über Umsatzeinbrüche unvorstellbaren Ausmaßes. Ist klar, die Leute kaufen Autos und fahren zum Lidl oder zum Aldi, damit sie sich den Neuwagen leisten können.  Die Leute halten das Geld anderswo zusammen, damit sie noch die 2.500 Euro mitnehmen können. Die Tante-Emma-und-Onkel-Mohammed-Läden schauen in den Auspuff. Reiches Deutschland!

Übrigens: diese 2.500 Euro, das sind 1250 Tagesverdienste von 2 Milliarden Menschen, die werden einfach mal so verschenkt. Es lebe die Erderwärmung! Wie sagte der Alte gestern? Lest selbst:

Die Berliner Rede 2009 von Bundespräsident Horst Köhler
Vor allem wir im Norden müssen umdenken. Auf unserer Erde leben derzeit etwa 6 1/2 Milliarden Menschen. Nur rund 15 Prozent von ihnen leben in Umständen wie wir. Weit über zwei Milliarden Menschen müssen mit zwei Dollar pro Tag auskommen, eine Milliarde sogar nur mit einem Dollar. Wir sollten uns nicht länger einreden, das sei gerecht so. […]
Begreifen wir den Kampf gegen Armut und Klimawandel als strategische Aufgaben für alle. Die Industriestaaten tragen als Hauptverursacher des Klimawandels die Verantwortung dafür, dass die Menschen in den Entwicklungsländern am härtesten davon getroffen sind. Der Kampf gegen die Armut und der Kampf gegen den Klimawandel müssen gemeinsam gekämpft werden.

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Des Lesers Glück

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Mrz 242009
 

Mit staunender Eile überfliege ich die Rede des Bundespräsidenten Köhler, wie sie soeben im Internet auftaucht. Gute, bewegende, klare Worte – geprägt von einem Blick auf das Ganze – jedoch mit vielen eingearbeiteten Details, die der Rede jeden Anschein von Beliebigkeit nehmen. Es ist eine große Rede, eine Rede, die auch etwas bewegen kann und bewegen soll, wie ich mir wünsche.

Das uns in diesem Blog beschäftigende Thema der Freiheit hat der Bundespräsident gleich mehrfach aufgegriffen. Er hat den Zusammenhang zwischen Freiheit und Machtbeschränlung – wie ich meine – sehr genau und sehr treffend beschrieben:

Die Berliner Rede 2009 von Bundespräsident Horst Köhler
Die Krise zeigt uns: Schrankenlose Freiheit birgt Zerstörung. Der Markt braucht Regeln und Moral.

Und noch etwas müssen wir wissen: Freiheit ist ein Gut, das stark macht. Aber es darf nicht zum Recht des Stärkeren werden. Denn das ist der Haken an der Freiheit: Sie kann in denjenigen, die durch sie satt und stark geworden sind, den Keim der Selbstüberhebung legen. Und die Vorstellung, Freiheit sei auch ohne Verantwortung zu haben.

Freiheit ist kein Vorrecht, die besten Plätze für sich selbst zu reservieren. Wir wollen lernen, Freiheit nicht nur für uns zu nehmen, sondern sie auch anderen zu ermöglichen. Die Glaubwürdigkeit der Freiheit ist messbar: in unserer Fähigkeit, Chancen zu teilen. Nach innen. Und nach außen. Und in unserer Bereitschaft zur Verantwortung für den Nächsten und das Wohl des Ganzen. Wenn wir das schaffen, dann holen wir das Beste aus uns Menschen heraus, was in uns steckt.

Der Bundespräsident hat daneben viele einzelne Politikfelder aufgegriffen, die im Krisengerede unterzugehen drohten: er hat globale Gerechtigkeit angemahnt. Ein Weg dazu ist, dass jedem Menschen gleiche Verschmutzungsrechte zugesprochen werden. Er hat die Bekämpfung der Erderwärmung als wichtiges Ziel in seine Rede hineingeschrieben. Er hat die Polarität zwischen Freiheit und Regelsetzung, zwischen Machtbegrenzung und Verantwortung in schlichten, guten Worten erfasst.

Und was mich besonders freut: Er hat nicht zu vermehrtem Konsum angespornt, sondern zu Sparsamkeit, zu bescheidenerer Lebensführung, zu einer Selbstbeschränkung des immer üppigeren Wohlstands.  Er hat darauf vorbereitet, dass wir weniger Geld in der Kasse haben werden, dass wir weniger für Eigennutz, für den eigenen Bauch ausgeben müssen, wenn Gerechtigkeit einziehen soll.

Und Horst Köhler hat sogar die Frage gestellt, die wir mehrfach in diesem Blog aufgeworfen haben: Worin besteht Glück? Er gelangt, ähnlich wie Aristoteles, zu einer Art „Strebensglück“, einem Glück, das im Sich-Bemühen liegt, ein Glück, dessen eigene Schmiede die Gemeinschaften und die einzelnen zumal sind:

Was ist das: Glück? Ich finde, wir sollten uns neue Ziele setzen auf unserer Suche nach Erfüllung. Ja, unser Lebensstil wird berührt werden. Und, meine Damen und Herren: Unsere Lebensqualität kann steigen. Sparsamkeit soll ein Ausdruck von Anstand werden – nicht aus Pfennigfuchserei, sondern aus Achtsamkeit für unsere Mitmenschen und für die Welt, in der wir leben. Demokratie ist mehr als die Sicherstellung materieller Zuwächse. Wir wollen nicht nur gute Demokraten sein, solange sichergestellt wird, dass wir reich genug dafür sind.

Der untugendsame, lästerliche Blogger Johannes Hampel hält einen Moment inne, nachdem er so viel kritisiert hatte in den letzten Wochen. Hier muss ich nun gestehen: Diese Rede Horst Köhlers, die ich da soeben gelesen habe und bei der ich jeden Satz unterschreiben kann,  – sie bedeutet für mich ein Erlebnis von – tiefem Glück.

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Wie machen’s die anderen? (2)

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Mrz 232009
 

Überall in den europäischen Ländern stellen sich heute Fragen nach staatlichem Eingreifen in die Wirtschaft. Da liegt es doch nahe, immer wieder über den Tellerrand zu schauen: Was geschieht bei unseren EU-Partnern?

Eine unübertroffene Fülle an Beispielen für staatliche Beihilfen bietet das schöne Italien. In den Jahren 1950 bis 1992 bestand die Cassa del Mezzogiorno, die Beihilfekasse für den Süden, eine Art staatlicher Beregnungsmechanismus, mit dem riesige Geldsummen als Transfer in strukturschwache Gebiete gelenkt wurden. Verantwortlich zeichneten dafür maßgeblich die italienischen Christdemokraten. Wie wird das Ganze heute beurteilt?

Der Schriftsteller Franco Marcoaldi schreibt in seinem neuesten Buch, einer Art Rundreise durch die italienische Provinz (wir sind in Ascoli Piceno, einer Stadt in der Region Marken):

Quanto all’economia, le novità (e i guasti) risalgono a stagioni più recenti. Più precisamente ai disastrosi anni della Cassa del Mezzogiorno; degli ‚aiutini‘ che quell’istituto ha distribuito a pioggia a imprese di ogni genere, e di cui hanno beneficiato a lungo ben ventritre comuni della provincia.

I risultati finali si vedono adesso, con fabbriche obsolete sin dalla nascita e che, cessata l’èra della rapina legalizzata, hanno chiuso una dopo l’altra, lasciando in mezzo alla strada centinaia, migliaia di operai. Senza contare i danni prodotti dallo smembramento del tessuto sociale preesistente, formato essenzialmente da artigiani e contadini, difficile da ricostruire.

Das Zeugnis für staatliche Beihilfen hätte also schlechter nicht ausfallen können! Staatliche Beihilfen am Markt vorbei führten, so Marcoaldi, zu leeren Fabriken, zu zeitverzögerter Massenarbeitslosigkeit, darüber hinaus zur Zerstörung bestehender sozialer Gefüge. Der Autor geht so weit, dieses staatliche Beihilfesystem als „legalisierten Raub“ zu bezeichen. Denn überall da, wo der Staat zunächst ohne erkennbare Gegenleistung Geld beischießt, sitzen Menschen. Menschen, die entscheiden können. Menschen, die beeinflussbar sind, und die auch gerne dann bei passender Gelegenheit sich an ausgereichte Wohltaten erinnern.

Das Ergebnis: Durch derartige Verschwendung von Steuermitteln wird Korruption und Klientelismus aktiv befördert. Davon sollte man besser die Finger lassen. Italien hat mittlerweile umgedacht. Die Cassa del Mezzogiorno gibt es nicht mehr. Es ist schlechterdings nicht gelungen, den Süden durch ein System von staatlichen Beihilfen an das Niveau des Nordens heranzuführen.

Quelle: Franco Marcoaldi, Viaggio al centro della provincia, Verlag Giulio Einaudi, Torino 2009, hier: Seite 4

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Schweden sagt Nein zur GM-Tocher, oder: Wie machen’s die anderen?

 Anbiederung, Gouvernance économique, Soziale Marktwirtschaft, Sozialstaat  Kommentare deaktiviert für Schweden sagt Nein zur GM-Tocher, oder: Wie machen’s die anderen?
Mrz 232009
 

Es war wieder einmal herzergreifend gestern bei Anne Will.  „Wollen Sie diese tüchtige Familie, die seit 100 Jahren für und bei Opel arbeitet, wirklich herzlos in ein schwarzes Loch fallen lassen, Frau Bundeskanzlerin?“ Diese Rede schwebte unausgesprochen im Raum, Gefühle wogten hin und her. Ohne Gefühlszeugen geht es offenbar nicht mehr ab im guten deutschen Bekenntnisfernsehen. Von Vertrauen war viel die Rede, von Krise sowieso, von Opel auch – ein herrlicher Dauerbrenner! Opel stellt also tatsächlich mit dem Insignia Autos her, die ohne zusätzlichen Treibstoff 6 Monate lang durch die Zeitungen, Fernsehsendungen und Blogs fahren: das ist Weltrekord, Öko-Effizienzklasse AAA!

„Wir hängen alle von der Firmenmutter ab!“ Dieser Satz wurde gesagt.  Ach Mutti! Ach Vati Staat, lass uns nicht hängen!

Merkel zog sich den Schuh der herzlosen Mutter gar nicht erst an, sondern wehrte geschickt alle Versuche ab, mit denen die Moderatorin Anne Will ihr ein schlechtes Gewissen einzuflößen versuchte. Sie zeigte Einfühlung: „Wir werden als Staat auch helfen, das ist klar.“ Na bitte, das ist doch schon was.

Ansonsten:  Erneut das Bekenntnis zu Wohlstand und Sicherheit. Kein Politiker ist so herzlos dem Volk zu sagen: Unser Wohlstand wird wegen eines erwarteten Minuswachstums Einbußen erleiden, wir werden weniger Geld in der Tasche haben, es wird weniger soziale Sicherheit geben.

Wie machen es die anderen? Ach, so herzlos sind die Schweden! Sie haben ein klares Nein an die GM-Tocher Saab ausgesprochen. Jetzt wissen alle, woran sie sind, es wird noch einmal ein paar Tage heftigst geklagt, und dann werden sich die Arbeiter und Angestellten etwas Neues suchen, etwas Neues aufbauen. Das Meer ist groß und breit – die Welt steckt voller Möglichkeiten!

Buck up, we’ll get along! So Charlie Chaplin am Ende des Films Modern Times.

Über das endgültige Nein des schwedischen Staates zu Beihilfen für Saab berichtet der International Herald Tribune heute:

Sweden says no to saving Saab – International Herald Tribune
[…] the Swedish government has responded to Saab’s desperate financial situation by saying, essentially, tough luck. Or, as the enterprise minister, Maud Olofsson, put it recently, „The Swedish state is not prepared to own car factories.“

Such a view might seem jarring, coming as it does from a country with a reputation for a paternalistic view of workers and companies. The „Swedish model“ for dealing with a banking crisis — nationalizing the banks, recapitalizing them and selling them — has been much debated lately in the United States, with free-market defenders warning of a slippery slope of Nordic socialism.

[…]

„I’m being optimistic, because I can’t envision a time when Saab doesn’t exist,“ Mr. Andersson said in an interview in City Hall.

His son worked at Saab for a decade; his daughter’s boyfriend works there now. „Saab is our identity,“ he said. „We have lived with it for many years, and it’s very important to all of us.“

Saab was always known for its innovative engineering. But analysts say that in recent years, with General Motors’s emphasis on volume rather than individuality, it has lost its edge.

„Under G.M.’s ownership, they denuded the intellectual content behind the brand,“ said Peter Wells, who teaches at Cardiff Business School in Wales and specializes in the automotive industry. „Its products are not exciting enough, and Saab doesn’t have a strong brand identity anymore.“

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