Apr 212009
 

Diesen Satz las ich oft in Stein gemeißelt und auch überlebensgroß auf Berghängen hingewuchtet bei meinen Reisen in der Türkei.

Interessanter Artikel über Abwanderungswünsche junger türkischer Deutscher in der heutigen taz. Nach einer Studie tragen sich viele hier lebende junge deutsche Türken mit Rückkehrwünschen. Ich verstehe das. Die Türkei ist ein wunderschönes Land. Ich verstehe, wenn man Sehnsucht  nach ihr hat – habe das Land mehrfach besucht, bin absolut fasziniert von Geschichte, Kultur und Natur. Und ich mag die Leute, ich komme prima mit ihnen aus. Auf den Straßen und Plätzen herscht insgesamt mehr soziale Nähe, es ist ein menschlich wärmeres Land als Deutschland. So habe ich das erlebt, und so erlebe ich die Türken eigentlich fast immer auch in Berlin: in der Schule, im Laden, bei Besuchen. Auch deswegen lebe ich gerne in Kreuzberg.

Jeder Türke soll dieses Land in seinem Herzen tragen, wo auch immer er sich befindet. So Premierminister Erdogan in Köln. Der türkische Staat hat es über all die Jahrzehnte hinweg geschafft, bei den meisten Türken ein starkes Familienbewusstsein, ja geradezu ein eingeschworenes Zusammengehörigkeitsgefühl einzupflanzen. „O meine geliebten Brüder und Schwestern“ – so redet der türkische Staat in Gestalt des Herrn Erdogan zu den Auslandstürken.

Dem dienen die allmorgendlichen Eide auf ein gemeinsames, staatlich verordnetes Ethos. Die Türken haben in der Schule jeden Tag Morgenandacht, eine Art ritualisierten Ethik-Unterricht.“Wie glücklich ist der, der sich Türke nennt!“ Wie toll wäre es, wenn unsere türkischen Schüler einmal einen Monat an einer türkischen Grundschule verbringen könnten und einmal erführen, was echte Disziplin für gute Türken bedeutet (nicht in Kreuzberg, sondern in der echten Türkei)!

Hier der verpflichtende Eid aller türkischen Schüler laut Wikipedia:

 „Ich bin Türke, ehrlich und fleißig. Mein Gesetz ist es, meine Jüngeren zu schützen, meine Älteren zu achten, meine Heimat und meine Nation mehr zu lieben als mich selbst. Mein Ideal ist es aufzusteigen, voranzugehen. O großer Atatürk! Ich schwöre, dass ich unaufhaltsam auf dem von dir eröffneten Weg zu dem von dir gezeigten Ziel streben werde. Mein Dasein soll der türkischen Existenz ein Geschenk sein. Wie glücklich derjenige, der sagt ,Ich bin Türke‘!“

O meine lieben türkischen Brüder und Schwestern, da können wir nicht mithalten! In Deutschland ist Familie Familie, Gesellschaft ist Gesellschaft, der Staat ist der Staat, und das sind wir alle. Wir sind in Deutschland keine einzige große Familie. Der einzelne muss selbst dafür arbeiten, dass er sich zugehörig fühlt. Etwa durch beruflichen Erfolg, durch soziales und politisches Engagement. Dieser Weg steht allen offen, die noch kein großes Heimatgefühl entwickelt haben.

Mir gefällt die Zuschrift eines Italieners zum heutigen taz-artikel:

Abwanderung der Deutschtürken: Braindrain nach Istanbul – taz.de
Ich als Italiener werde ständig auf meine Herkunft angesprochen und wurde auch schon oft dumm angemacht (wenn bspw. in der Videothek von einem Mitarbeiter lahme Witze à la „Willse tu einä Filmä ausleihe, meinä Freund“ gerissen werden oder bei der Fußball-WM oder oder oder). Aber: das tangiert mich nicht, ich lache darüber, solche „Nettigkeiten“ erreichen mich überhaupt nicht. Ich versinke nicht in Selbstmitleid und Mimosenhaftigkeit. Ich steigere mich nicht in diffuse Erwartungshaltungen hinein. Ich habe eine relativ große Verwandschaft, zum größten Teil einfache Leute aus dem armen Süden. KEINER von ihnen hat die Probleme, die sie hier beschreiben. Und wenn, dann pflegt er einen anderen Umgang damit. Die Besten studieren, von Ökotrophologie bis Germanistik. Wir machen unser Glück nicht von der Rückständigkeit anderer Leute abhängig. Wir schmieden es selbst. Wir geben das Tempo vor […]

 Posted by at 15:49

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