Apr 242009
 

Guter Artikel zu Pro Reli in der heutigen Süddeutschen Zeitung auf S. 3, gutes Interview mit Frank Henkel in der Berliner Zeitung. Konstanze von Bullion stellt ihren wohlabgewogenen Bericht unter den Titel: „Die geteilte Stadt“. Sie fuhr nach Ost-Berlin wie nach West-Berlin, sie sprach mit muslimischen Jugendlichen, mit christlichen Gymnasiasten, mit linken Ethik-Befürwortern. Ihr Befund: Das Ringen um Pro Reli hat Indikatorwert für die ganze Republik. Na endlich eine auswärtige Journalistin, die sich über das Hickhack in der Berliner Landespolitik nicht nur lustig macht, sondern uns Berlinern zubilligt, dass wir bei aller Wuscheligkeit, bei aller teilweise komischen Aufgeregtheit eben doch wichtig sind, dass in dieser Stadt die entscheidenden Fragen aufgeworfen und dankenswerterweise nicht beantwortet werden. Befund: Der zum Scheitern bestimmte Volksentscheid Pro Reli hat Spaltungen in der Stadt sichtbar werden lassen und sie auch noch vertieft – zwischen Ost und West, zwischen Islam und Christentum, zwischen der säkular eingestellten Mehrheit und den konfessionell gebundenen Wagenburglern.

Frank Henkel kommt aus seiner Sicht zu einem ähnlichen Ergebnis. Er sagt:

„So aber wird die Stadt, wie schon im Fall Tempelhof, gespalten: in Gläubige und Ungläubige, Befürworter und Gegner.“

„Na, gehste wieder zu deinem Gott, beten“ – Berliner Zeitung

Gut gefällt mir auch, dass Henkel offen erzählt, dass er eine glückliche Kindheit in der DDR hatte. Das war überfällig, ich habe das bisher leider von kaum einem anderen CDU-Mann gehört.

Ganz wenige haben sich auf keine, sondern auf beide Seiten gestellt – so wie ich. Equidem sum pro religionibus et pro ethica! Ich bin dafür, dass in der Schule von Klasse 1 an zivilgesellschaftliche Werte und zusätzlich auch religiöse Inhalte gelehrt werden. Wie? Das wissen wir noch nicht.  Ein politisches Problem hat die Form: Wir kennen uns nicht aus, wie Gevatter Ludwig Wittgenstein sagen würde. Vielleicht ist die jetzige Lösung die beste erreichbare.

Pro Reli hat schwerste, ja unverzeihliche  strategische Fehler gemacht, ebenso die Berliner CDU in der vorbehaltlosen Unterstützung von Pro Reli.  Wie damals auch schon die Pro-Tempelhof-Recken. Wieder einmal hat man die Mehrheitsverhältnisse in der Stadt völlig falsch eingeschätzt und ein Thema zur Profilierung missbraucht, das viel zu wichtig ist, als dass es in einem Volksentscheid versemmelt werden dürfte. Jeder General weiß doch: Mustere deine Truppen, bevor du angreifst, wirb um Überläufer, sende Spione zum Gegner, sondiere das Terrain!

Aber Pro Reli kommt dennoch ein Verdienst zu: Die Stadt spricht über ein wichtiges Thema: die kulturprägende Kraft von Religionen, die Wichtigkeit von Werten, die im bürgerschaftlichen Diskurs außerhalb der religiösen Bindung gesucht werden müssen.

Volksentscheide über Pseudo-Alternativen sind der falsche Weg. Nach dem Scheitern von Pro Reli sollte in Berlin eine ernsthafte Wertedebatte begonnen werden. Ich freue mich darauf. Dieses Blog nimmt bereits seit längerem daran teil, versucht Anstöße zu geben.

 Posted by at 08:38

Sorry, the comment form is closed at this time.