Mai 162009
 

16052009.jpg Gestern zitierten wir zustimmend den Katholiken Joseph Ratzinger. Heute zitieren wir zustimmend den Katholiken Joseph Fischer. Wie denn das? Spät abend sah ich – soeben in Würzburg angekommen – noch auf Phoenix die Ansprache des ehemaligen deutschen Außenministers. Sein Kampfname war Joschka. Durch die Umbenennung seines katholischen Taufnamens dokumentierte der Aktivist ganz eindeutig: „Ich möchte mich in eine zutiefst verwandelnde, streitbare Auseinandersetzung mit meiner Herkunft begeben.“ Harte Widerworte, ja sogar Pflastersteine flogen in dieser Auseinandersetzung. Diese Auseinandersetzung hat Fischer nunmehr endgültig zu einer Versöhnung vorangetrieben und lässt sie harmonisch ausklingen.

Er würdigte in der bayerischen Staatskanzlei die Verdienste der Mütter und Väter des Grundgesetzes. Er hob hervor: „Wir Deutsche sind die großen Gewinner des 20. Jahrhunderts.“ Uneingeschränkt zollte er auch dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl, ja der Person Helmut Kohl Anerkennung und Bewunderung. Darin ähnelt Fischer übrigens Helmut Schmidt, der in seinen Memoiren Außer Dienst ebenfalls die herausragenden Verdiente Helmut Kohls anerkennt. In vielem meinte ich die Stimme meines eigenen Vaters zu hören, als ich gestern diesem früheren Kämpfer, diesem früheren widerborstigen Sohn von der Partei Die Grünen zuhörte.

Was für eine Versöhnung! Was für eine Rückkehr des verlorenen Sohnes! Und so wie Joseph alias Joschka Fischer wird es in den nächsten Jahren Tausende, ja Hunderttausende geben. Ein weiteres Beispiel für die Rückwendung zu den Vätern, für diese umfassende Aussöhnung ist übrigens Bilkay Öney, die Berliner Abgeordnete, die die Partei der Grünen verließ, um in eine Väterpartei überzutreten. Sie sagte sinngemäß laut Süddeutscher Zeitung von vorgestern: „Mein Vater hat bei meinem Schritt eine wesentliche Rolle gespielt. Viele Tränen sind geflossen. Aber ich fühle mich – das klingt jetzt vielleicht komisch – für dieses Land, diese 80 Millionen mitverantwortlich.“

Mit den 80 Millionen meint sie – Deutschland. Tränen fließen bei jedem großen Abschied. Das finde ich bewegend! Das ist genau jener Sinn für Verantwortung, den wir unbedingt brauchen. Und diese Übernahme von Verantwortung kann, so meine ich, erst dann gelingen, wenn die streitige Auseinandersetzung mit den Vätern zu einem heilenden Abschluss gekommen ist. Für einen linken Kemalisten wie den Vater Bilkay Öneys ist sicherlich in Deutschland die SPD die politische Heimat. Ist er Mitglied der SPD? Es ist zu vermuten. Durch den Übertritt in die SPD vollzieht Öney eine hochsymbolische Geste: Sie tritt der Partei der Väter bei. Sie verlässt die Partei der ewigen Töchter und Söhne.

Ihr Vorwurf an die Grünen lautete übrigens: „Denen geht es nur noch um die Macht.“ Ich wage zu behaupten: Auch in der SPD wird sie wohl ähnliche, für sie abstoßende Erfahrungen machen können – wie in jeder anderen Partei auch. In der Politik geht es selbstverständlich immer auch um Macht. Wer dies ablehnt und meint, in der Politik sollte es vor allem und ausschließlich um Moral gehen, die sollte nicht in die Politik gehen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Unser Bild zeigt den Blick auf die Mariannhiller Herz-Jesu-Kirche in Würzburg, wie er sich heute beim Verlassen des Hotels meinen Augen bot. Es ist ein strahlend schöner Morgen.

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