Mai 182009
 

„Die Stimmung ist nicht explosiv in Wietstock … “ – “ … aber depressiv“. So ergänze ich den Satz. Die Tagesthemen berichten in herzzerreißenden Tönen über die Armut in Deutschland. Armut? Was ist Armut? Der Paritätische Gesamtverband legte heute seine Studie zur Armut in den Regionen vor. Im „Armutsatlas“ werden große Unterschiede in der Einkommensverteilung zwischen den Regionen Deutschlands nachgewiesen. Nichts weiter! Das mag beunruhigend sein für Volkswirtschaftler, es tut dem System nicht gut. Aber es ist kein Beweis für Armut. Der Nachweis, dass Armut eine Massenphänomen sei, gelingt an keiner Stelle. Die Zeit berichtet:

Der Studie zufolge gilt als arm, wer 60 Prozent oder weniger als das mittlere Einkommen verdient. Für eine allein lebende Person sind das 764 Euro, für ein Paar ohne Kinder 1376 Euro. Die Zahlen aus dem „Armutsatlas“ des Paritätischen Gesamtverbandes spiegeln den Stand von 2007 wider.

Das heißt, als arm gilt hierzulande bereits, wer über mehr Geld (und auch mehr Kaufkraft zu paritätischen Wechselkursen) verfügt als ein Durchschnittsverdiener in der Türkei oder ein Universitätsprofesor in Russland oder ein Arbeiter in Mexiko.

Hier haben sich die Maßstäbe grotesk verschoben! Das ist wirklich eine ganz üble Stimmungsmache, was hier mit saurem Mundwinkel als Armut verkauft wird, eine Verhöhnung der Menschen, die wirklich arm sind, und das sind nun einmal Milliarden von Menschen in Afrika und in Teilen Asiens und Südamerikas. Das Etikett „Du bist arm“ lähmt jede Initiative, vor allem, wenn man dann noch in niederschmetternd trübseligen Jammerarien über die ach so verlogenen Versprechungen von blühenden Landschaften herzzerreißend schluchzt!

Die Leute, die beruflich mit Armutsbekämpfung ihr Geld verdienen,  malen die Lage in schwärzesten Farben. Sie waren offenbar nie in Weißrussland, sie waren nie in Albanien oder in Ägypten. Ich sehe diese Armen in Deutschland einfach nicht. Wo seid ihr? Ich lebe doch im Mehringplatzquartier, nach dem Sozialatlas Berlins eine Gegend, wo die meisten Menschen arm sind. Aber – es gibt bei uns keine Armen. Alle haben zu essen, alle haben Kleidung, die Kinder aller können zur Schule gehen, alle haben ein Dach über dem Kopf. Alle haben Zugang zu medizinischer Grundversorgung.

Arm im eigentlichen Sinne kann nicht sein, wer zu essen hat, wer Kleidung hat, wer zur Schule gehen kann, wer ein Dach über dem Kopf hat. Wenn diese menschlichen Grundbedürfnisse abgedeckt sind, dann ist das Wort Armut ein Mißgriff.

Ich habe selbst als Student, als Alleinstehender von weit weniger Geld gelebt, als damals 60% eines Durchschnitteinkommens betrugen. Dennoch hatte ich mein Zimmer, ich hatte ein Fahrrad, ich konnte in der Mensa essen und mir selbst etwas kochen. Arm war ich nicht, obwohl ich damals nur 30-40% eines Durchschnittseinkommens zur Verfügung hatte.

Ich habe Arme bisher nur in Russland gesehen, bittere Not, wie es das Wort Armut ausdrückt,  gibt es in Deutschland nicht in nennenswertem Umfang.

 Posted by at 22:51

Sorry, the comment form is closed at this time.