Jul 282009
 

Auch im neuesten Rechtschreibduden, der 25. Auflage aus dem Jahre 2009, findet sich auf S. 30 folgender Beispielsatz:

Das Wort „fälisch“ ist in Anlehnung an West“falen“ gebildet.

Dieser Satz ist nahezu wörtlich der „Amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung in der Fassung von 2006“, wie sie die deutschen Kultusministerien (KMK) beschlossen haben, entnommen. In diesem amtlichen Dokument heißt es in § 94 (3):

Das Wort „fälisch“ ist gebildet in Anlehnung an West“falen“.

Was aber ist das – „fälisch“? Kommt euch das Wort spanisch vor? Nun, es handelt sich um einen Kernbegriff der sogenannten „Rassenkunde“. Die „Rassenkunde“, wie sie in Deutschland maßgeblich etwa Dr. H.F.K. Günher (1891-1968) vertrat, war das Kernstück des nationalsozialistischen Rassismus. Die Menschheit wurde in verschiedene Rassen eingeteilt, wie etwa nordisch, ostisch, dinarisch, jüdisch – oder eben auch „fälisch“ bzw. „dalisch“. Das Wort „fälisch“ ist ein Kunstwort, das ausschließlich innerhalb der „Rassenkunde“ Verwendung fand. Dabei ging es darum, anhand bestimmter Merkmale – etwa Kopfform, Augenbrauenform, Lippenform und Wesensart – die Einteilung der Menschen in höher- und minderwertige Menschen vorzunehmen. Langschädelig etwa war höher-, Kurzschädeligkeit war minderwertig. Bei unklarer Abstammung wurden in den Jahren 1933 bis 1945 von verschiedenen Dienststellen „rassekundliche Gutachten“ angefordert, die dann darüber entscheiden konnten, ob ein Mensch ins Vernichtungslager geschickt wurde oder nicht. Das alles ist sehr gut dokumentiert und sogar im Internet abrufbar.

„Dinarische Rasse“ und „fälische Rasse“ – diese Wörter habe ich noch in 90-er Jahren ohne entsprechende Kennzeichnung als „rassistisch“ in namhaften Wörterbüchern, etwa dem Bertelsmann-Rechtschreibwörterbuch „Die neue deutsche Rechtschreibung“des Jahres 1996  gefunden. Ich schrieb daraufhin dem Bertelsmann-Verlag, in den neuesten Auflagen des „Wahrig“ findet sich glücklicherweise weder die „fälische Rasse“ noch die „dinarische Rasse“. Aber noch heute verkündet das Duden Bedeutungswörterbuch online den „dinarischen Menschentypus„. Na, immerhin nicht die dinarische Rasse. Das ist schon ein Fortschritt.

Dass die deutschen Kultusminister noch im Jahr 2006 sich völlig ungescheut eines Beispielwortes aus der pseudowissenschaftlichen „Rassenkunde“ bedienen konnten, mutet mich äußerst merkwürdig an. Unwissenheit? Diese Begriffe, welche die Menschheit in unterschiedliche Rassen einteilten, ziehen doch eine gewaltige Blutspur hinter sich! Das sollte man nie vergessen, wenn man sich die scheinbar so harmlosen Beispielsätze der deutschen Kultusminister zu Gemüte führt. Da verschwindet doch glatt der Ärger über die jahrzehntelange Kesselflickerei namens Rechtschreibreform.

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