Dez 152009
 

Eine recht besinnliche Weihnachtsfeier besuchte ich gestern bei der CDU Kreuzberg-West im Lokal Diomira in der Stresemannstraße. Allerlei Märchen und Lieder schossen mir auf dem Hinweg durch den Kopf – von reichen Königen und armen Schneidern etwa. Aber dann ließ ich mich einfach ein in den Strom an Gedanken und Gesprächen. Gleich zu Beginn machte ich mich für eine neue innerparteiliche Vielfaltskultur stark: „Abweichende Meinungen müssen nicht nur toleriert werden, sondern jedes neue Mitglied, das klare, eigenständige Ideen vorträgt, muss ausdrücklich begrüßt werden.“ Nur so kann der dringend benötigte politische Nachwuchs entstehen. Ich saß genau diametral dem Abgeordneten Kurt Wansner gegenüber. Zwei Männer an den Ecken, die einander bei allen unterschiedlichen Meinungen respektieren und ausreden lassen. Schön!

Thema der Reden von BVV-Fraktionschef Müller und Kurt Wansner waren verschimmelte Wohnungen im sogenannten Schimmelkiez, brennende Autos, linksradikale Gewalt, nächtliche Ruhestörungen durch loses Volk, drogenbesteckverseuchte Spielplätze. Nachdem einige derartige Reden verklungen waren, ergriff ich selbst das Wort.

„Es reicht nicht aus, immer nur den Finger auf wunde Punkte zu legen! Wir müssen ein positives Leitbild aufzeigen. Bei allen Problemen gilt es Lösungen vorzuschlagen. Probleme, für die es keine Lösungen gibt, sollte man nicht zu Tode reiten. Mir fällt auf, dass in Friedrichshain-Kreuzberg so viele Gruppen nebeneinander herleben. Es herrscht ein beziehungsloses Nebeneinander: Türken, Deutsche, Araber, Familien, Alte, Studenten, Ossis und Wessis, Friedrichshainer, Kreuzberger, türkische Urberliner und deutsche Zugewanderte,  … alle diese Gruppen gilt es zusammenzuführen.

Wir brauchen (ich hielt bedeutungsschwer inne) ein Leitbild. Ich nenne es:

Der zusammenwachsende Bezirk 

Alle werden dieses Leitbild freudig begrüßen. Statt Autos anzuzünden, werden die Menschen lieber bei uns mitmachen. Keiner wird sich der Anziehungskraft dieser guten Idee entziehen. Statt immer nur mehr für sich zu verlangen, werden die Menschen sagen: Da will ich mitmachen!“

„Wie stellen Sie sich das vor?!“ ward ich gefragt.

Ich sagte: „Kommen Sie am Freitag zur Zauberflöte in die Fanny-Hensel-Grundschule, dann werden Sie es sehen!“

Ich meine, dass Kultur einen Kristallisationspunkt dieses neuen Miteinander ausmachen muss: Mozart, Goethe, Chamisso, Homer, der Koran, die christliche Bibel, türkische und deutsche Klassiker, arabische Bildkunst aus dem 13. Jahrhundert, Immanuel Kant, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung … das Feld ist weit! Nur darf man sich nicht immer mit kurzlebigen Popsongs oder gar mit der heutigen kulturellen präsentischen Wüste der Werte begnügen.Wir müssen unbedingt zu den Quellen zurück – und zwar zunächst einmal in deutscher Sprache, später dann auch in den Originalsprachen.

Zufällig kommen die Kinder, mit denen und für die wir am Freitag die Zauberflöte aufführen, aus genau diesem „Schimmelkiez“. Na, überlegen Sie mal, wie Sie sich fühlen würden, wenn Sie hörten: „Sie kommen aus dem Schimmelkiez? Wie schön!“

Diese Gedanken vom Vorrang des Guten über das Böse fallen der Berliner CDU noch sehr schwer! Sie krallt sich immer noch in Negativpropaganda fest, entwickelt kaum Impulse für die Zukunft.

Unsere Kinder, die Berliner brauchen nicht das Gefühl, im Schimmelkiez der Nation zu wohnen. Sie brauchen das Gefühl, jederzeit Zugang zur Zauberflöte unserer Werte zu haben! Zur Zauberflöte unserer gemeinsamen Leitkultur in Deutschland, wie das Armin Laschet nennt.

„Die Aufsteigerrepublik“ Armin Laschets, „die soziale Marktwirtschaft“, „die wachsende Stadt“ eines Ole von Beust – das alles sind Beispiele für prägnante, positiv nach vorne weisende Leitbilder. Diese müssen das Fundament der Politik in Bezirk und Bundesland bilden, nicht das hämische Kritteln und Knastern, wie es sich Berlins CDU unter der jetzt noch amtierenden Führung leider immer noch nicht abgewöhnt hat.

In der zweiten Hälfte des Abends setzte ich mich auf den Platz Kurt Wansners, den dieser freigemacht hatte, und plauderte sehr nett mit einer  Delegierten ausgerechnet aus Lichtenrade, die unseren Bezirk im Kreisparteitag vertritt. Ich plauderte mit einfachen Mitgliedern, mit Funktionären. Ich nenne das gerne das „Beichtstuhlverfahren“. Aus der  Vielfalt der von mir individuell erfragten Meinungen ergibt sich nach und nach ein Gesamtbild dessen, wie Berlins CDU insgesamt und der Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg insbesondere funktioniert. Leitfragen sind dabei: Wer hat das Sagen? Wer hält die Fäden in der Hand? Welche Rolle ist dabei den Delegierten zugedacht? Worum geht es? Geht es eigentlich um Politik? Oder um etwas ganz anderes? Wie erklärt man sich die Wahlergebnisse? Wie redet man sich die eigene Lage schön? Wie werden eigene Machtinteressen durchgesetzt? Wie wichtig ist die Satzung?

Zu guter letzt griff ich zur Geige. Denn Weihnachten und Besinnung, Weihnachten und Musik, Weihnachten und Versöhnung, das gehört für mich unauslöschlich zusammen. Aber den Mut, ein christliches Adventslied zu spielen, den brachte ich doch nicht auf im Diomira.

Zur Bekräftigung unseres Programms vom „Zusammenwachsenden Bezirk“ spielte ich zuerst die „hebräische Melodie“ von Joseph Achron, dann die Gavotte aus der E-dur-Partita von Johann Sebastian Bach, und dann die deutsche Nationalhymne, wobei ich mich stark auf die ursprüngliche Streichquartettfassung Joseph Haydns stützte: „Gott erhalte Franz den Kaiser!“, war der erste Text, der darauf stand. Dann kam: „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Der Satz steht in G-dur, das jedem Geiger vortrefflich in den Händen liegt.

Übrigens: „Einigkeit und Recht und Freiheit“, das ist ebenfalls ein solches Leitbild. Leitbilder müssen klar sein, müssen einfach sein, und sie müssen oft wiederholt werden. Sie sind keine Selbstverständlichkeit.

Es war für mich ein würdiger Höhepunkt und Abschluss einer denkwürdigen Weihnachtsfeier. Weitere Veranstaltungen  werden folgen.

Am Freitag, 18. Dezember 2009, morgens 8.50 Uhr:

Mozarts Zauberflöte in einer Fassung für Puppentheater und Kinder. Eingerichtet von Irina Potapenko. Mit selbstgebastelten Puppen.

Datum:

Freitag, 18. Dezember 2009

Zeit:

08:50 – 10:00 Uhr morgens

Ort:

Fanny-Hensel-Grundschule, Kreuzberg

Straße:

Schöneberger Straße 23

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