Jan 182010
 

Eine knappe Meldung aus der Berliner Morgenpost:

Schreiber-Prozess – Ab heute steht die „Bimbesrepublik“ vor Gericht – Politik – Berliner Morgenpost
Heute beginnt vor der 9. Strafkammer des Landgerichts Augsburg der Prozess gegen den 75-jährigen Karlheinz Schreiber. Den Vorsitz hat Richter Rudolf Weigell, Chefankläger ist der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz. Über 160 Seiten umfasst die Anklageschrift.

Ein Sieg des Rechtsstaates! Wir leben in einem Rechtsstaat!

Unvergesslich sind die Worte der damaligen Generalsekretärin Merkel, mit denen sie ihrer Partei empfahl, sich wie in der Pubertät von ihrem alten Schlachtross, wie Helmut Kohl sich selbst immer wieder bezeichnete, zu lösen. Die Partei müsse lernen, auf eigenen Füßen zu gehen. Das „System“ brach in sich zusammen.

Dieser Vorgang wiederholt sich  in lebendigen Demokratien wieder und wieder. Wieder und wieder erleben wir, wie die berühmten „alten Schlachtrösser“ im Laufe der Jahre und Jahrzehnte sich ein personengebundenes System aufbauen. Man spricht dann vom „System Müller“, vom „System Schmidt“, vom „System Meier“. Die Namen sind austauschbar, das Prinzip ist immer dasselbe: Durch ein weitverzweigtes Netz an persönlichen Gefolgschaftsverhältnissen, durch ein System an Belohnungen und Bestrafungen errichten diese Männer ihre Erbhöfe, ihre kleinen Hofstaaten. Wichtig ist dabei das Prinzip der „Anciennität“: Der Mann im Zentrum des Systems, der Platzhirsch, muss über lange Jahre hin mehr oder minder unveränderlich auf demselben Posten bleiben, sich in denselben Kreisen bewegen. Nur so kann er sein kleines Königreich errichten, ausbauen und gegen von außen oder von innen auftauchende Widersacher verteidigen. Jede Versetzung in einen anderen Wahlkreis, in ein anderes Bundesland würde sofort das personengebundene System gefährden.

Aus diesem Grunde müssen Diplomaten etwa regelmäßig versetzt werden. Jeder Staat muss größten Wert darauf legen, dass seine Vertreter auch den leisesten Anschein von Schattenkönigreichen vermeiden.

Immer dann, wenn ein Politiker über viele Jahre oder gar Jahrzehnte im selben Wahlkreis, auf denselben Ämtern wirkt, besteht die Gefahr, dass er sein persönliches System, sein kleines Königreich errichtet, sein Netz an Erbhöfen und Futterkrippen – zum Schaden der Demokratie, zum Schaden seiner demokratischen Mitbewerber, zum Schaden der Stadt.

Um politische Inhalte geht es bei diesen Systemen der Gefolgschaft meist nicht. Es geht um Macht, um Geld, um Ansehen – Macht, Geld, Ansehen, das sind für viele Männer die stärksten Verlockungen.So sind wir. Bereits die Römer erkannten die enorme Gefahr, die in solchen personengebundenen Gefolgschaftssystemen ruht. Sie schufen für ihre wichtigsten Ämter den Grundsatz der „Kollegialität“ und der „Annuität“. Was heißt das? Es gab zwei derselben Art, etwa zwei Konsuln, zwei Aedilen, zwei Liktoren. Sie schauten sich gegenseitig auf die Finger. Und nach einem Jahr mussten die gewählten hohen Beamten Platz machen.  Sie mussten Rechenschaft ablegen. Folge: Korruption und Amtsmissbrauch waren in der römischen Republik auf ein Minimum beschränkt. Zwar wissen wir von zahllosen Fällen der Korruption, der Durchstechereien, der Klientelwirtschaft. Aber eben dies belegt, dass die Grundeinsicht richtig war: Niemand sollte öffentliche Ämter zur schamlosen persönlichen Bereicherung nutzen können. Dass dies immer wieder geschah, war zwar bekannt. Aber gerade durch das Aufdecken von Skandalen, durch die Entfernung korrupter Beamter von ihren Posten blieb die Republik erhalten.

Die Folge war: Die römische Republik konnte sich etwa 5 Jahrhunderte lang halten, eine auch nach heutigen Maßstäben unvorstellbar erfolgreiche Karriere! Sie überdauerte und besiegte zahllose Königreiche und Stammesgesellschaften, stieg zur bis heute unerreicht kraftvollen Vormacht des Westens, des sogenannten Abendlandes auf – ja sie schuf die Grundlagen dessen, was wir heute noch als Grundpfeiler der funktionierenden Staatlichkeit ansehen: Trennung von Person und Mandat, Rotation der Ämter, Herrschaft des Rechts über persönliche Willkür, zeitliche Beschränkung der Ämter.

Worauf die Grünen zu recht stolz sein konnten, nämlich die „Trennung von Amt und Mandat“, das „Rotationsprinzip“, die „Quotenregelung“, ja selbst die „Doppelspitze“, das war im Grunde nur eine Wiederbelebung dieser kostbaren Einsicht der Römer: Die Republik braucht den regelmäßigen Wechsel. Niemand darf auf seinem Posten kleben. Wenn dann doch die großen Männer aufgebaut werden, die Schlachtrösser, dann drohen selbstverständlich dieselben Gefahren wie in jedem anderen Gefolgschaftssystem auch: Inhaltliche Beliebigkeit, Verquickung von Amt und wirtschaftlichen Interessen. Dies tritt etwa dann ein, wenn ein Grüner plötzlich für die Autolobby arbeitet.

Es bleibt abzuwarten, ob oder besser wie der Sieg des Rechtsstaates vor dem Landgericht Augsburg ab heute zu neuen Bestätigungen dieser uralten Grundsätze führen wird.

Es lebe die Republik! Es lebe der Rechtsstaat!

 Posted by at 08:25

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