Feb 262010
 

Mehr Mut zur Grundformel einer Partei – das wünschte ich mir am 29.12.2009 in diesem Blog. Und genau dieser Wunsch wurde mir gestern Abend erfüllt. Ich bin hochzufrieden! Annette Schavan hatte sich in der Katholischen Akademie genau dies vorgenommen: Was hält die CDU zusammen? Was macht sie aus?

Listigerweise hieß das Thema: „Wie die CDU die Mitte gewinnt, aber dabei vielleicht ihre Seele verliert“. Das war eine deutliche Einladung an all jene, die Sorge tragen, die Partei könne in dem Modernisierungskurs, für den neben anderen der Name Angela Merkel steht, „das Konservative“ oder „das Christliche“ verlieren.

Mein Eindruck vorweg: Schavan rückte die Grundbegriffe zurecht auf eine Weise, wie ich mir das klarer nicht hätte wünschen können. Auszusetzen, zu kritisieren – habe ich gar nichts an Schavans grundsätzlichen Erwägungen. Zu loben viel.

Zeichnen wir’s in grober Raffung noch einmal mit unseren eigenen Worten nach:

Die Union will Volkspartei sein. Sie will alle ansprechen, politische Mehrheiten aus allen Schichten suchen. Eine klare Absage an das Modell der katholischen oder meinetwegen auch der „bürgerlichen“ Milieupartei! Kompromisse sind bei der Suche nach Mehrheiten unvermeidlich. Es geht schließlich auch um den Einfluss, um die Macht, gewünschte Entscheidungen herbeizuführen.

Die Politik der Christdemokraten steht unter dem Vorrang der Person. „Politik, Kultur, Wirtschaft dient dem Menschen“. So sinngemäß Konrad Adenauer. Der Partei selbst kommt keine „beseelte Persönlichkeit“ zu.

Ich füge hinzu: auch Parteien „dienen“ zu etwas. Sie sind kein Selbstzweck. Sie sollten sich nicht immer so furchtbar wichtig nehmen. Ebensowenig sind sie Ersatz für Glaubensgemeinschaften wie etwa die Kirchen. Es fällt mir immer wieder auf, dass manche Parteianhänger geradezu glühend an die ehernen Wahrheiten der Partei (- oder was sie dafür halten -) glauben. Oder haltbare Wahrheiten von der Partei erwarten. Bei  Abweichungen höre ich den Aufschrei: „Das ist nicht mehr die Partei, die ich kenne.“ Gerade bei den Grünen und bei der CDU sehe ich das immer wieder. Ein Missverständnis, wie ich meine! Eine politische Partei ist kein Brauchtumsverein.

Die CDU entstand als Bündnis von Kräften, nicht als klassische Partei. Das lagerübergreifende Denken steht gewissermaßen schon in ihrer Geburtsurkunde.

Bekenntnisse allein reichen nicht. Allzu viel Bekenntnishaftes schadet sogar. Viel wichtiger ist das Vorleben, das Handeln im Dienste des Nächsten. Aus diesem Grund gehört auch der Grundsatz der Subsidiarität, also das Vertrauen in die jeweils niedrigste Ebene zum Kernbestand christdemokratischer Politik.

„Das C steht nicht für Beharrungsvermögen.“ Das Christliche ist keineswegs grundsätzlich das Konservative. [Na endlich!]. Es ist eher ein Kompass – aber auch ein Stachel.

Die Selbstbeschreibung der CDU ist nicht „die Konservativen“, sondern „die Christdemokraten“.

Ich ergänze: Es gibt konservative, stockkonservative, erzkonservative, progressive, liberale, ökologische, muslimische, atheistische, jüdische, alternative, „grün“ und „rot“ angehauchte Christdemokraten. Alle müssen in der CDU Platz finden. Das hat nichts mit Beliebigkeit zu tun. Sehr viel aber mit dem Bündnischarakter der Union.

„Übertriebenes Beharrungsvermögen führt zum Traditionsbruch“ – ein sehr guter Gedanke, den ich nicht kannte!

Aber ich meine, in der Tat ist es so: Wenn man immer die gleiche Platte auflegt, dann hört man nicht mehr, wenn die Musik „draußen im Lande“ sich gewandelt hat. Außenwelt und Innenwelt der Partei klaffen dann auseinander, es kommt erst zur Muffigkeit, dann zum Realitätsverlust, dann zur sklerotischen Erstarrung.

„Die Ausstrahlungskraft der Partei leidet, wenn zuviele herumspringen, die nur für sich einen coolen Auftritt suchen.“ Mehr Dienen ist angesagt. Auch hier stimme ich zu: Die Partei kann einen nicht ernähren. Niemand sollte politische Arbeit anfangen, weil er oder sie ein Einkommen oder Auskommen sucht.

In der Aussprache kam das eine oder andere Argument der alten Milieus zur Sprache.  Leider meist nur als mehr oder minder persönlich verletzendes Zitat, stichhaltige Einwände gegen die vorgetragenen Positionen Frau Schavans konnte ich nicht erkennen.

Ich selber meldete mich ebenfalls als Vertreter einer Kreuzberger christdemokatischen Splitterpartei kurz zu Wort, erhob die Stimme unterstützend, warb für die Karte des zwischenmenschlichen Vertrauens und stellte in provokanter Absicht die Frage nach dem Sinn des gegliederten Schulwesens. Eine absolute Steilvorlage, denn Frau Schavan konnte sehr starke Argumente für den deutschen Sonderweg – die beiden Säulen der stärker berufsbezogenen dualen Ausbildung und des typisch deutschen Gymnasiums – ins Feld führen. Erleichterter Applaus brandete auf! Soweit erinnerlich, war dies die Stelle, an der das Auditorium am stärksten hinter Frau Schavan stand. Ansonsten – spürte ich subkutan das Grummeln in der schwarzen Parteiseele natürlich.

Es gibt fürwahr kein schwieriger zu gewinnendes Auditorium als CDU-affine Menschen in Berlin. Das habe ich nun wiederholt als Zuhörer erfahren, das habe ich auch wiederholt als Redner erfahren. Rhetoriktrainer aller Länder, kommt nach Berlin ins CDU-Milieu – da könnt ihr was lernen. Auch ein Obama – so er denn deutsch spräche – würde einen sehr sehr schweren Stand haben. Er würde höchstens 40 Prozent holen.

Jedem wackeren Unionsmitglied sei es ins Stammbuch geschrieben: Wer innerhalb der CDU den Sinn des bestehenden gegliederten Schulwesens auch nur im entferntesten  anzweifelt, wird es sehr, sehr schwer haben! Achtung – Karrieren-Lawinengefahr! Das gegliederte Schulwesen ist ein Besitzstand, an dem man nicht ungestraft rütteln sollte – wie Ole von Beust leidvoll gerade in Hamburg erfährt.

Dem sei wie es sei. Für mich war der Abend nicht leidvoll, sondern eine äußerst spannende, lustvolle, belehrende und ermutigende Erfahrung. Frau Schavan hat es geschafft, das, was den Programmkern der CDU ausmacht, in vorbildlicher Weise darzustellen.

 Posted by at 19:01

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