Apr 012010
 

Sie fühlen sich in ihrem neuen Land wie zu Hause, wenn auf sie hier Arbeit statt sozialer Leistungen wartet. Heimisch fühlen sie sich, wenn sie einem Konkurrenzdruck ausgesetzt sind …“ Einige gute Sätze aus dem Kommentar von Jerzy Macków seien hier herausgegriffen. Er veröffentlichte ihn heute im Tagesspiegel auf S. 6.

Er trifft mit diesen Sätzen des Pudels Kern. Nur durch Arbeit, nur durch den selbstverdienten Lebensunterhalt wird den Familien die Integration in einem neuen Heimatland gelingen. Nicht durch Sozialleistungen.  Nur die Familien, die ihren Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen, werden sich hier integrieren können.

Für den Kardinalfehler der deutschen Integrationsdebatte halte ich, dass „Integration“ als Teilproblem gesehen wird. Mal schraubt man an der Schulpolitik, mal schraubt man am Aufenthaltsrecht, mal schraubt man am Sozialrecht. Und immer wieder schraubt man auf dem Markt der Meinungen herum.

Ich vertrete hingegen die Auffassung, dass die Verknüpfung von „gewöhnlichem Aufenthalt“ und „Anspruch auf Sozialleistungen“, wie sie im SGB II (Sozialgesetzbuch II) festgeschrieben ist, aufgelöst werden muss. Der Zuzug von Arbeitskräften nach Deutschland muss erleichtert, der Zugang zum Arbeitsmarkt muss erleichtert werden. Der Zugang zum Sozialsystem hingegen muss deutlich erschwert und zunächst befristet werden. Wie? Ich plädiere für eine zeitliche Befristung der heutigen Sozialleistungen etwa in folgender Art: jeder, der nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hat, sollte nur eine eng begrenzte Zahl an Jahren einen verbrieften Anspruch auf ihm persönlich zustehende Sozialleistungen haben. Innerhalb dieser Zeit wird er entweder a) arbeiten oder b) arbeitslos sein oder c) vom Einkommen anderer Menschen leben, etwa dem von Familienangehörigen.

Und danach? Nach diesen Jahren (sagen wir fünf oder acht Jahren) ist entweder die deutsche Staatsangehörigkeit erreicht, mit all den überragenden Vorteilen, die sie gegenüber der Staatsangehörigkeit anderer Staaten mit sich bringt. Zu diesen Vorteilen gehört eben auch das lebenslang verbriefte Recht auf Grundsicherung. Oder sie ist nicht erreicht – oder nicht gewünscht. Dann wird der ausländische Staatsangehörige entweder in Deutschland bleiben, aber nicht auf Kosten des Sozialsystems leben. Oder er wird Deutschland wieder verlassen, um anderswo sein Lebensglück zu erarbeiten.

Er muss im Wissen dieser Befristung der Sozialleistungen von Beginn seines Aufenthaltes in Deutschland versuchen, aus eigenen Kräften den Anschluss zu finden, sich fortzubilden, die Sprache zu lernen – also alle die Dinge der nachholenden Integration tun, zu denen jetzt keinerlei Nötigung besteht.

Oder er verlässt Deutschland wieder, um in einem anderen Land, zum Beispiel seinem Herkunftsland, Arbeit bzw. soziale Sicherheit zu finden. Das ist keine Tragödie – sonden das ist Mobilität. Eine Grundbedingung des heutigen Lebens.

Diese Befristung der Sozialleistungen wird sich herumsprechen und den erwünschten Ansporn-Effekt haben.

Wenn die Türkei, der Libanon unseren Arbeitslosen eine auch nur im Entferntesten ähnlich umfassende soziale Absicherung böten wie Deutschland heute, dann würden sich viele – auch  Deutsche – auf den Weg in genau jene Länder machen.

Ich vermute, die Sozialstadträte, die Bildungsstadträte der Berliner Innenstadtbezirke werden mir wohl zustimmen, wenn ich sage: Ohne einschneidende Befristungen des Sozialleistungskatalogs ist die Integration der beständig neu ins Sozialsystem zuwandernden Menschen nicht zu schaffen.

Ich bin mittlerweile zu der Meinung gelangt: Nur durch eine Befristung der Sozialleistungen wird sich der Aufstiegswille erzeugen lassen, der bei einem großen Teil der Einwanderer schlechterdings fehlt.

Dies ist gewiss eine radikale, gewiss noch nicht mehrheitsfähige Ansicht. Sie verlangt den Mut, sich den niederprasselnden Vorwürfen der „sozialen Kälte“ oder des „Spaltens“ auszusetzen. Aber dieser Mut wird von einer kühnen, konzeptionell arbeitenden Politik erwartet. Alles andere muss Stückwerk bleiben, wie wir es zur Genüge kennen.

Das Rezept „Aufstiegswille schaffen durch Befristung der Sozialleistungen“ funktioniert, wie die Sozialreformen Bill Clintons im Jahr 1996 gezeigt haben.

Von einem derart massiven Anreiz zum Aufstieg, wie es die Befristung der Sozialleistungen wäre, sind wir heute Lichtjahre entfernt. Wir haben keine Befristung der Grundsicherung im Gesetz. Jeder weiß: Hat man es – egal auf welchem Weg, oft genug durch falsche Angaben – ins deutsche Sozialsystem geschafft, ist man „fein heraus“. Man ist aller Sorgen ledig. Der Druck, zur Arbeit zu gehen, entfällt. Der Druck, den Aufstieg selbst zu erarbeiten, entfällt.

Diese paradiesischen Zustände verführen dazu, Familien durch Nachholen eines ausländischen Ehepartners direkt ins deutsche Sozialsystem hinein zu gründen – eins der Hauptprobleme, vielleicht DAS Hauptproblem in Bezirken wie Neukölln, Mitte und Kreuzberg.

Keine Partei bringt den Mut auf, eine überfällige zweite Sozialreform zu stemmen. Und doch wäre dies bitter nötig, um den Grundstein für eine erfolgreiche Integrationspolitik zu legen.

Alle anderen Probleme und Scheinprobleme – „Islam“, „Burka“, „Kopftuch“ usw. – sind lösbare Fragestellungen.  Die kulturellen Fragen werden in der Öffentlichkeit übertrieben, die sozialrechtlichen und wirtschaftlichen Determinanten der Integration werden – so meine ich – sträflich vernachlässigt.

Stattdessen redet man sich die Köpfe heiß über Interpretationsprobleme, etwa darüber, ob im Grundgesetz Art. 116 eine ethnische Definition des Deutschtums vorliege! (Es ist keine ethnische Definition). Oder ob Sprache der Schlüssel zur Integration sei. Ich glaube, dass Arbeit und Leistung noch vor der Sprache der Schlüssel zur Integration sind. Eine Familie, die weder die Landessprache kennt noch auch den Lebensunterhalt aus eigener Arbeit gewinnt, wird sich nicht integrieren können. Wozu sollte sie? Weil die deutsche Kultur so großartig wäre?

Lesen Sie hier einen Ausschnitt aus dem Kommentar von Jerzy Macków:

Deutschland träumt von Assimilation
Sie fühlen sich in ihrem neuen Land wie zu Hause, wenn auf sie hier Arbeit statt sozialer Leistungen wartet. Heimisch fühlen sie sich, wenn sie einem Konkurrenzdruck ausgesetzt sind und nicht dem Vorwurf, sie würden für weniger Geld mehr arbeiten wollen als die Einheimischen. Der schnelle, nicht zuletzt ökonomische Erfolg der Eltern macht es in einer Einwanderungsgesellschaft möglich, dass die Assimilierung der Kinder einfach der Zeit überlassen werden kann. Dabei haben Einwanderungsgesellschaften die Kraft, auch mit den Eigenarten der Einwanderer zurechtzukommen.

 Posted by at 17:41

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