Aug 272010
 

Der oben zitierte Satz ist ein Meisterwerk der Bürokratiekritik, voller poetischer Kraft. Aber ist es richtig gutes Deutsch?

Aber sicher doch! Er ist in „stabender“ Reimform geschrieben: Das häufige Zusammentreffen der S-Laute erzeugt eine rhythmische Innenspannung. Man könnte an das Klappern von Funktastaturen auf den Schreibtischen der Sachbearbeiter denken. Man hört gewissermaßen, mit welchem Überdruss die Sachbearbeiter einen Antrag nach dem anderen durchackern, auf Plausibilität prüfen und ohne zu seufzen abheften. Die Lautform des Satzes spiegelt den gemeinten Inhalt wider!

Das ist nichts anderes der Ursprung der Dichtkunst.

In vielen Sprachen greifen die Menschen für kurze, einprägsame Wendungen auf dieses Prinzip der Anlautgleichheit zurück. Bekannt sind Wendungen wie etwa Sex sells, Veni vidi vici, Waldis WM. Derartige Anlautgleichheiten nennt man „Stäbe“. Der Stabreim war die früheste Reimform in den germanischen Sprachen.

Der Endreim hingegen, der etwa ab dem 9. Jahrhundert n. Chr. einen beispiellosen Siegeszug durch alle europäischen Sprachen angetreten hat, entspringt dem Morgenland, insbesondere der besonders hoch entwickelten persischen und arabischen Dichtung.

Beispiel für einen Endreim:

Die wenigen, die was davon erkannt,
Hat man seit je gekreuzigt und verbrannt.

In Werbung, Politik, Boulevardpresse wird aber weiterhin gerne auf die beschwörende Kraft des Stabreims gesetzt.

Lesen wir abschließend die heutige stabende Spruchweisheit laut, genussvoll und angemessen betont vor:

Staatliche Sachbearbeiter schreiben stoisch ihre Bescheide.

Quellenangabe:

BILD-Bundesausgabe, 27.08.2010, S.10
Goethe, Faust, Vers 590/593

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