Sep 082010
 

Immer wieder wird auf die Rütli-Schule hingewiesen. Nach einem jener berühmten „Brandbriefe“, mit denen Berliner Schulleiter, Lehrer und Eltern immer wieder auf Missstände hinweisen, wurde in einer konzertierten Aktion der Wandel geschafft: Die Rütli-Schule gilt heute als guter, einladender Lernort, an dem sinnvoller Unterricht wieder möglich ist.

Was steckt dahinter?  Ich erkundige mich und komme zu folgendem Ergebnis. Erfolgsfaktoren sind:

1) Die Schule hat die ganze Not offen benannt. Sie brach aus der resignativen Schicksalsergebenheit aus, die sonst viele Schulen kennzeichnet:  „So geht es nicht mehr weiter“. Dadurch hebt sie sich deutlich von den zahlreichen anderen Berliner Schulen ab, an denen resigniert wird, an denen viele Lehrer dauerkrank werden oder in die innere Emigration abwandern.

2) Alle Beteiligten erarbeiteten eine konzertierte Lösung. Eine Besserung kann nur gemeinsam gelingen.

3) Es wurde massiv staatliches Geld in die Hand genommen. Die Lehrerzahl wurde deutlich erhöht, die Rütli-Schule kam in den Genuss besonders üppiger Förderung. Eine Lehrerin berichtet: „Wir sind jetzt immer zu zweit im Klassenzimmer. Seitdem habe ich keine Angst mehr vor den Schülern, wenn ich mich umdrehe.“

4) Es wird eine positive Identifikation mit der Schule hergestellt, durch gemeinsame Aktionen oder durch den Schulpulli etwa.

Ergebnis: Durch gemeinsames Handeln, durch immense Geldbeträge, durch Herausarbeiten der eigenen Stärken lässt sich offenbar auch im sozialen Brennpunkt ein lernförderliches Umfeld herstellen. Schulen lassen sich in einem herkuleischen Kraftakt gewissermaßen von innen her „sanieren“. Ein möglicher Einwand gegen diesen Ansatz: Er verlangt ungeheure Geldmittel, die selbstverständlich nicht für alle Schulen im sozialen Brennpunkt abrufbar sind.

Dass Lehrerinnen Angst davor haben, allein mit Schülern in einem Klassenzimmer zu sein, und dass deswegen stets zwei Kräfte im Klassenraum sein müssen, halte ich für äußerst besorgniserregend.

In diesem Sinne führt die Migrationsforscherin Naika Foroutan von der Humboldt-Universität aus:

 Integration – Berliner Migrationsforscherin widerspricht Sarrazin – Berlin Aktuell – Berliner Morgenpost – Berlin
Aber es gibt auch Beispiele wie das der Rütli-Schule, die der Bezirk mit viel Engagement und Geld zu einer Vorzeigeschule „gedreht“ hat. Auch dort waren die Zustände vor wenigen Jahren haarsträubend. Der Wandel wurde geschafft. Insgesamt ist Berlin in vielen „Migranten-Belangen“ Beispiel gebend, etwa beim Quartiersmanagement. Aber man muss auch selbst aktiv werden. Mir war es wichtig, dass meine Kinder nicht in diesem Elfenbeinturm in Mitte, wo ich wohne, aufwachsen, sondern dass sie in eine Kita kommen, wo es neben Paul und Paula auch Aysche und Ali gibt, in Wedding. Das tun leider viel zu wenige. In der Hinsicht findet auch von Seiten der Etablierten in Alt-Mitte eine Integrationsverweigerung statt. Das Deutschland, von dem Herr Sarrazin redet, gibt es doch kaum noch. Wenn mehr Menschen, und da schließt sich der Kreis zum Gesprächsanfang mit der „Berliner Tulpe“, etwas tun, um Brücken zu bauen, dann hätte Herr Sarrazin weniger Gelegenheit, einige der durchaus vorhandenen Missstände zu beklagen. Leider zeigt er zu wenige Lösungen auf.

 Posted by at 00:14

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