Okt 042010
 

Größte Hochachtung empfinde ich vor den offenen Worten einer Rektorin aus Berlin-Lichtenberg, die heute in der BZ ganz unverhohlen über die psychischen Probleme vieler Lehrer spricht: „Viele Eltern sind überfordert. So werden wir Lehrer zu Erziehern, bevor wir überhaupt mit dem Lehrstoff beginnen können. Die Belastung wird dadurch größer“ (S. 6). Die Schule hat viele Lehrer krank gemacht.

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In dieser Zuspitzung, wie das Berliner Boulevard-Blatt B.Z. heute den Bericht über die wachsende Belastung der Berliner Lehrer bringt, muss ich die Diagnose der Lichtenberger Rektorin leider unterstützen, Die Kinder kommen aus den Familien heute anders in die Schule als noch vor zwanzig oder dreißig Jahren. Die Familien delegieren stillschweigend immer mehr Aufgaben der Erziehung an die staatlichen Einrichtungen Kita und Schule.

Jeder Erwachsene wird dies aus eigener Anschauung bestätigen. So habe ich selbst beispielsweise noch zuhause in der Familie das Kochen lernen, den ungeliebten „Küchendienst“ ausüben müssen. Warum gaben unsere Eltern uns nicht herrliche Capri-Sonne, das herrliche Nogger-Eis, den herrlichen Hamburger vom McDonalds? Die schmeckten doch viel besser als Krautsalat!

Heute wird in den Familien schon oft nicht mehr regelmäßig gekocht. Die „Tafeln“ und die Schulmensen florieren, ständig werden kostenlose oder billige neue warme Mahlzeiten vom Staat gefordert und gewährt.

Die Tatsache, dass so viele Menschen liebend gerne kostenloses warmes Essen annehmen, wird dann flugs als Beweis für schreckliche Armut gedeutet.“Wenn es keine Tafeln gäbe, müssten alle diese Menschen in der Bundesrepublik Deutschland verhungern!“ So ist es sinngemäß immer wieder zu hören. Selbst im „Kapital“ von Marx, das ja viele gute Einsichten enthält, habe ich es kürzlich so ähnlich gelesen.

Die Tatsache, dass Menschen kostenloses warmes Essen lieber in Empfang nehmen als selber zu kochen, wird als Beweis für Massenelend und Massenarmut gedeutet.

Ich würde es anders herum sehen und sagen: „Wenn es keine Tafeln gäbe, müssten alle diese Menschen selber kochen.“ Und selber kochen ist unbequem, daran erinnere ich mich noch genau. Vor allem auch das Geschirrspülen, das hatte und habe ich ja so was von gefressen.

Mein Wunsch lautet: Alle Buben und Mädchen sollten früh schon das Kochen und Abspülen lernen, am besten in der Familie, aber notfalls auch im Deutschunterricht in der Schule, etwa durch das Diktieren von schlichten Kochrezepten. Das Kochen halte ich für eine noch wichtigere Kulturtechnik als selbst das Radfahren und das Schwimmen. Ich halte das eigene Kochen für Kinder ebenso wichtig wie das eigene Singen der Kinder.

Aus einfachen billigen Zutaten, wie etwa Kartoffeln, Karotten, Kohl, Zwiebeln, Gemüse der Saison, einem Tropfen Speiseöl und Quark lässt sich eine gute, schmackhafte Kost zaubern, die recht wirksam vor der grassierenden kindlichen Adipositas und dem zunehmenden frühen Diabetes bei Kindern schützt.

Und die herrliche Capri-Sonne? Sollte man gleich ganz absetzen.

Lesehinweis:
Reinhard Marx: Das Kapital. Plädoyer für den Menschen. Pattloch Verlag, 2008

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