Dez 142010
 

Zu den Psychologen, die mein Denken nachhaltig beeinflusst haben, gehört der aus Berlin stammende Fritz Perls. Ihn beschäftigten bei den Neurosen und den psychischen Störungen weniger die tiefsitzenden, infantilen Reste einer unbewältigten Vergangenheit, wie dies etwa Sigmund Freud tat. Viel stärker richtete er die Aufmerksamkeit auf das, was den Patienten hier und heute gefangen hielt: welche inneren Hemmungen und Bedenken ihn davon abhielten, so zu werden, wie er sein wollte. Perls entdeckte, dass es nicht der Vater, nicht die Mutter oder die Kindheit waren, die seine Patienten gefangen hielten – sondern feste Muster, eingeschliffene Selbstwahrnehmungen und zum Zwang geronnene Gewohnheiten.

Solche festgelegten, immer wiederkehrenden Erlebnismuster nannte er GESTALT.  Therapie besteht darin, diese Gestalten zu erkennen, mit ihnen zu arbeiten und sie schließlich zu überwinden, indem sie durch bewusstes Gegen-Denken, durch bewusstes Gegen-Fühlen und Gegen-Handeln überwunden werden.

So mag ein Hauptschüler einmal gehört haben: „Mit dem Hauptschulabschluss können Sie nichts anfangen!“ Ich hörte erst vor wenigen Monaten im Abgeordnetenhaus einem Berliner  Bildungspolitiker zu, der genau diesen Satz verwendete.

„Damit kannst du nichts anfangen!“ Diese Voraussage des Scheiterns prägt sich als verhindernde Gestalt in die Psyche ein. Nicht die objektive Unmöglichkeit wird dann zur Selbstbehinderung des Hauptschülers führen, sondern die gestalthaft geronnene, von der Umwelt wieder und wieder bekräftigte Versagenserwartung.

Ich protestierte damals – ich protestierte namens der Freiheit gegen diesen Satz „Damit können Sie nichts anfangen.“ Gegen die Misslingensvorhersage, wie sie leider auf viel zu viele unserer jungen Menschen einströmt, setze ich die Gelingenserwartung: „Du hast den Hauptschulabschluss. Schön! Was willst du jetzt? Du willst mehr Erfolg?“

In der Berliner Grundstimmung lautet die Ansage dann meist: „Ich werde durch die Umstände gehindert. Ich habe zu wenig Zeit. Ich habe zu wenig Geld. Ich bin zu alt. Meine Familie lässt es nicht zu.“ Ich habe viele Gespräche mit Menschen geführt, die die Schuld am Scheitern irgendwelchen anderen, irgendwelchen Umständen gaben.

„Ich verlor in der 8. Klasse das Interesse an Chemie, weil ich mit dem Lehrer nicht klarkam.“ Der Lehrer ist schuld. So schreibt es ein Vater in der Informationsbroschüre des Senats zur Schulreform. Wer weiß, wenn es den schlechten Lehrer nicht gegeben hätte, vielleicht wäre aus dem Schüler ein Chemiker geowrden?

Perls hätte hier angesetzt und gesagt: Du interessierst dich für Chemie? Du willst Chemiker werden? Du willst Erfolg? Wie hinderst du dich daran?

Im Laufe der Gespräche und Übungen wäre er darauf gekommen, dass es nicht der andere ist, der einen behindert, sondern die eigene Erwartung des Nicht-Könnens.

Die Erwartung des Scheiterns frisst sich in die Psyche als Bewusstsein der Benachteiligung ein. Die Pläne und Maßnahmen zugunsten der Benachteiligten verstärken diesen Mangel an Selbstvertrauen. Der Mensch gerät in den Strudel aus negativen Zuschreibungen, Übernahme des entmutigenden Selbstbildes, Einschleifen der Scheiternserfahrungen. Das Selbst verkriecht sich, wird mehr und mehr abhängig von den stützenden Maßnahmen. Der Mensch gerät in Abhängigkeit von dieser GESTALT. „Ich kann nichts. Andere müssen für mich sorgen.“

So entsteht Anhängigkeit von der Versorgung durch andere, die schließlich in lähmende Überversorgung kippt.  Überversorgung manifestiert sich bei Individuen etwa als jahre- oder jahrzehntelange Abhängigkeit von Therapien, von Medikamenten. Sie kann in eine Sucht umschlagen.

Bei Familien oder ganzen Klassen manifestiert sich Überversorgung als generationenübergreifende Abhängigkeit von Fürsorge, Familien- oder Sozialhilfe.  Hier wäre nun nichts falscher, als die Fürsorge noch einmal zu verstärken. Ein therapeutischer Schock ist vielmehr dringend gefordert!

So rate ich etwa dazu, jungen Menschen, die sich an Abhängigkeit gewöhnt haben, nach Verlassen der Schule oder Ausbildung keinerlei Hilfen zum Lebensunterhalt zu gewähren. Sie müssen sich selbst Lohn und Brot erarbeiten – und sei es durch Fortziehen.

Den negativen Zirkel aus Scheiternsvorhersage, Abhängigkeit und Überversorgung gilt es zu durchbrechen. Kein Mensch ist gefangen in den Umständen, aus denen er hervorgeht.

Die Ansprache muss lauten: Du willst Erfolg? Dann tu etwas dafür! NIMM dein BETT und GEH! Die Besinnung auf die große, befreiende Botschaft des Fritz Perls kann in der heutigen Debatte über die Umgestaltung der Sozialsysteme wertvolle Anstöße liefern.

 Posted by at 01:10

  2 Responses to “Du willst Erfolg? Wie hinderst du dich daran?”

  1. Jeder Mensch ist für sein Handeln selbst verantwortlich.In jedem Menschen steckt eine vollkommene Persönlichkeit und ein riesiges Potenzial.Aus diesem Grunde ist es sehr wichtig ganz früh mit der Persönlichkeitsentwicklung zu beginnen.Wir leben hier nicht im Paradies und das ist auch gut so.Wir haben jeden Tag so viele Chancen und die gilt es zu erkennen und umzusetzen.Ich wünsche allen viel Erfolg und ein erfülltes Leben.

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