Apr 222011
 

Na endlich sagt es mal einer: Richard David Precht geht in seinen Erörterungen der Frage nach, ob der Mensch gut oder böse sei. Er meint, der Mensch sei neutral. Ich würde sagen: Der Mensch ist in die Entscheidung hineingestellt, ob er gut oder böse handeln will. Gut ist meiner Meinung nach grundsätzlich das, was gleichermaßen gut für den anderen wie für mich ist.

Ich kann beispielsweise sagen:

1. „Menschen wollen und sollen gesund sein.“ Darüber müsste eigentlich Einigkeit bestehen. Wenn jemand sagt: „Nein, Menschen sollen nicht gesund sein. Ich will krank sein„, dann ist schwer mit ihm zu diskutieren. Diesen Sonderfall, dass jemand wirklich das Böse für sich und andere will, lassen hier einmal außer Betracht. Daraus ergibt sich logisch der zweite Satz:

2. „Es ist gut, wenn ich Fahrrad statt Auto fahre.“ Denn Fahrradfahren fördert meine Gesundheit und die Gesundheit der anderen, da ich meine Umwelt und die der anderen weniger belaste, weniger Lärm und Stress für mich und für die anderen verursache, statistisch gesehen weniger Kinder verletze oder töte.

Besteht ein Widerspruch zwischen „gut für mich“ und „gut für die anderen“? Ich meine: nein. Aufs Ganze gesehen, über die gesamte Lebenszeit eines Menschen fällt das „Gut für mich“ und „Gut für den anderen“ überwiegend zusammen. Der kurzfristige Vorteil, der schnelle Gewinn an der Aktienbörse, mag anderes besagen. Aber aufs Ganze gesehen macht der schnelle Gewinn „nur für mich“ nicht glücklich.

Hören wir die Botschaft Prechts. Er kommt in seinem sehr schlüssigen, klugen Interview zu folgenden Ergebnissen:

Richard David Precht: „Lieber böse als dumm“ – Wissen – Tagesspiegel
Das heißt, das christliche Liebesgebot ist eigentlich absurd?

Nein, es ist wichtig, den Kindern, die ja sehr stark prägbar sind, Vorstellungen von Nächstenliebe, Gemeinschaftssinn, Verantwortungsgefühl beizubringen. Wenn die Kinder diese Werte nachahmen können, dann haben wir die Chance, später in einer Gesellschaft zu leben, die moralischer ist, als wenn es diese Werte nicht gäbe. Erwachsene allerdings ändern sich durch fromme Sprüche nicht.

Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Wir leben in einer der am meisten privilegierten Gesellschaften, die es je in der Weltgeschichte gegeben hat. Doch die Wohlstandsentwicklung wird nicht so weitergehen können, wie das bisher der Fall war. Also müssten wir all unsere Anstrengungen darauf richten, auch ohne weiteres Wirtschaftswachstum glücklich zu leben. Aber das geschieht nicht, wir sind nicht darauf vorbereitet, dass der Wohlstand sinken wird. Das wird politisch noch sehr gefährlich.

Dieser letzte Satz ist besonders wichtig! Denn es ist unlauter, wenn die Politiker den Bürgern wieder und wieder das Gegenteil vormachen. Viele behaupten: „Wir Politiker können und müssen vor allem unseren Wohlstand halten und sichern.“ Dies gelingt nur durch Wachstum.

Und wenn dies nicht gelingt?  Nun, dann wird der Wohlstand sinken. Dann fallen wir auf den Grad an Wohlstand und Reichtum zurück, der – sagen wir mal – etwa um 1960 herrschte. Wäre das schlimm? Wäre das eine Katastrophe?

Nein. Der individuell erfahrene Wohlstand kann immer wieder für gewisse Zeiten sinken. Dies gilt fast zwingend insbesondere in Zeiten der hohen Staatsverschuldung. Diese Kröte müssen die Wähler und vor allem die Politiker schlucken.

Bedenken wir: Hier im Bundesland Berlin ist die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleitung erborgt, erpumpt, von echten Hallodris aufs Blaue hinaus ans Volk verschenkt.

Die Menschen verfahren ihren ganzen privaten Reichtum mit ihren fetten Autos, legen ihn in Gamekonsolen, Flachbildfernsehern und Flugreisen an. 50% davon, die Hälfte von all dem Plunder und Krempel, ist erborgt und erbettelt.

Und das schlimmste ist: Die Kinder und Jugendlichen hier in Kreuzberg lernen weder richtig rechnen noch lesen, weder richtig Deutsch noch richtig Türkisch noch richtig Arabisch. Es fehlt am Nötigsten. Es herrscht Fülle des Überflüssigen.

Es fehlt an der Zukunftsfähigkeit unseres Bundeslandes Berlin.

Wäre es schlimm, würde es uns schaden, wenn jeder plötzlich nur noch 10 statt 20 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung hätte, Fahrrad statt Auto fahren müsste?

Wäre es schlimm, wenn die Menschen selber singen und tanzen müssten, da es keine iPods, keine MP3-Player gäbe? Wenn sie Theater spielen müssten, da es keinen Fernseher mehr gäbe? Wenn sie Gedichte lernen müssten, da es kein Kino gäbe?

Wäre es schlimm, wenn die Kinder im Sandkasten spielen, wenn sie Hüpfspiele und „Häschen in der Grube“ spielen müssten, statt die heute üblichen 3-4 Stunden am Fernseher und an der Spielkonsole zu verbringen?

Wenn es Coca-Cola und Capri-Sonne nur noch einmal im Jahr gäbe und die armen Kinder stattdessen tagaus tagein Milch, Früchtetee und WASSER trinken müssten?

Nein, es wäre nicht schlimm. Es wäre kein Weltuntergang.

 Posted by at 11:43

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