Kinder bereiten Freude

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Okt 212011
 

Wieder einmal goldrichtig, was die Kanzlerin hier macht: Statt wie die meisten anderen zu lamentieren und mit dem Finger auf das zu zeigen, was nicht klappt, geht sie hin zu den Kleinen, „beugt sich herunter“, ermuntert, zeigt, dass ihr die Bildung unserer Kinder am Herzen liegt. Ich stimme zu: Alles, was gut ist, muss gelobt und gestärkt werden, der Erfolg einer Schule, einer Kita hat eine Vorbildwirkung auf andere, so wie der Erfolg einer Familie Vorbildwirkung auf andere entfaltet.

Das ist richtig, genauso richtig ist es, wenn der amerikanische Präsident Schulkonzerte seiner Töchter besucht und dafür auch einmal Gremientermine sausen lässt, was drüben in den USA schon mal kritisiert wird. Er zeigt damit: Familie ist wichtig, da kann auch die Politik, die sich selbst mit ihren Glücksverheißungen meist viel zu wichtig nimmt, einen Augenblick zurückstehen.  Ich meine:  Die arme Politik soll sich ruhig einmal klein machen und sich von den Kindern symbolisch beschenken lassen. Kinder bereiten Freude!

Zu erwarten war auch, dass der SPIEGEL unserer Anspruchsgesellschaft kein gutes Haar an dem Besuch der Kanzlerin lässt und recht kräftig – wie es seine Art ist – dazwischenfährt. Dieser Bericht des SPIEGELS ist zutiefst geprägt vom quantifizierenden Bildungsverständnis, das es zu kritisieren gilt. Der SPIEGEL behauptet: Weil vieles verbesserungsbedürftig (also „schlecht“) ist, darf es nichts Gutes geben, man soll nichts Gutes sagen, nichts Gutes gelten lassen.  Das Rezept funktioniert wieder und wieder.

Ein Morgenlob aus Kreuzberg erschalle für die Erika-Mann-Schule!

Kanzlerin auf Schulbesuch: Frau Merkel bastelt Rettungsschirme – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – SchulSPIEGEL
Merkel hat sich für das Schaulaufen eine Vorzeigeschule ausgesucht, die zwar in einem Problemviertel liegt, die aber die Probleme des Viertels ganz gut meistert: Acht von zehn Kindern hier haben Eltern, die nicht aus Deutschland stammen. Viele Eltern leben von Hartz IV. Die Schule reagiert mit Betreuungszeiten von 6 bis 18 Uhr, zwei Lehrern pro Klasse, Theater-Unterricht für alle. Sie hat Preise für Gewaltprävention und Integration bekommen, und Dreiviertel der Schüler schaffen eine Realschul- oder Gymnasialempfehlung. Die Schule ist ziemlich erfolgreich, trotz aller Widrigkeiten.

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Die lernende Gesellschaft hat einen lebendigen Kanon

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Okt 202011
 

Bildungsgipfel: Gesucht: Die „Bildungsrepublik“ – Wissen – Tagesspiegel
Die öffentlichen und privaten Ausgaben für Bildung und Forschung sollten bis zum Jahr 2015 auf zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen: In der Bildung von 6,2 Prozent auf sieben Prozent, in der Forschung von 2,4 Prozent auf drei Prozent.

Unter vorwiegend quantitativen Kriterien bemisst sich Erfolg oder Scheitern des ehrgeizigen Projekts der „Bildungsrepublik Deutschland“. Alle hacken jetzt schon darauf herum, weil die rein fiskalisch, monetär und statistisch gesetzten Ziele wohl nicht zu erreichen seien. Der Mehrjahresplan droht wegen Nichterreichung zu scheitern.

Das Projekt der Bildungsrepublik ist zwar im Ansatz hochlöblich. Die vorrangige Ausrichtung an quantitativen Zielwerten bei gleichzeitiger völliger Unbestimmtheit der Bildungsinhalte halte ich jedoch für einen nur mit großen Anstrengungen zu behebenden Mangel. So kann es etwa kein sinnvolles Ziel sein, die Quote der Studienanfänger auf 40% zu steigern, wenn zugleich Lehrstellen unbesetzt bleiben, wenn Handwerksbetriebe verzweifelt nach geeigneten Kandidaten suchen, während die Universitäten – vorübergehend – einen Studentenwellenberg zu bewältigen haben!

Ich würde vorschlagen, dass das Programm der „Bildungsrepublik Deutschland“ eingebettet würde in ein umfassenderes Leitbild der lernenden Gesellschaft. Diese Gesellschaft bemisst sich nicht an Zahlen, sondern an inhaltlichen Werten, an den Grundhaltungen des beständigen Lernens, Veränderns und Bildens. Das Leitbild verfügt über einen lebendigen Kanon an Werten,Werken, Erfahrungen und Riten.

Lerne und arbeite! Dies könnte das Leitwort der Lernenden Gesellschaft sein.

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„Das vorbildliche Leben“

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Okt 202011
 

Immer wieder streiften in den letzten Tagen unsere Gedanken über das Thema des Vorbildes hin. Erziehung des Kindes ohne Vorbild scheint mir nicht möglich. Sokrates, Jesus, Meister Eckart, um nur diese drei wichtigen Gründer des europäischen Bildungsdenkens zu nennen, gingen davon aus, dass der zu Bildende sich selbst ausrichten, sich anverwandeln müsse an ein in ihm und außerhalb seiner, durch einen anderen Menschen verkörpertes Vor-Bild. Bildung ist Heraus-Bildung, Heraus-Führung des Menschen auf ein gelebtes, erlebtes Vor-Bild hin. Hat die zu Bildende dieses Bild, dieses vorbildliche Leben erfahren, so erfährt sie ihre eigene Natur und kehrt zu sich selbst zurück. Mit den Worten des Meisters Eckart:

Ez ist ouch der acker, dar în got sîn bilde und sîn glîchnisse hât îngesæjet und sæjet den guoten
9 sâmen, die wurzel aller wîsheit, aller künste, aller tugende, aller güete:
10 sâmen götlîcher natûre.

Die moderne Bildungsdebattte kreist demgegenüber fast ausschließlich um Strukturen, Kompetenzen, Curricula, Methoden, Lehrpläne usw.
„In der vierten Klasse sollen Kinder 4000 Wörter können.“
„Die Probanden sollen einen möglichst hohen Punktwert im VERA-Test erreichen.“
„Wir wollen in der PISA-Nachfolgestudie den Rang des Bildungssystems verbessern!“
„Die MINT-Kenntnisse unserer Kinder MÜSSEN BESSER WERDEN!“
„MIT MINT ZUKUNFT SCHAFFEN!“

Diese Dinge sind nicht überflüssig. Doch sie verfehlen ihr Ziel, wenn sie nicht gehalten und unterlegt sind mit dem klaren und sicheren Bewusstsein von der letztlich alle Anstrengungen tragenden persönlichen Beziehung zwischen Älteren und Jüngeren, zwischen Vorbild und Nachbild. Er-ziehung ist ein Be-ziehungsgeschehen! Bildung ist ein Nachbilden des Vorbildes, ein Nachleben des vorbildlichen Lebens. Was aber ist dieses vorbildliche Leben?

Recht anrührend fand ich das folgende Zeugnis eines Menschen, der lebenslang über Fragen der Erziehung nachgedacht hat, – ich füge es hier an, ohne den Namen des Verfassers zu nennen. Ein bisschen Bemühung und Anstrengung im Rätsel-Raten sei auch von den Lesern dieses armen Blogs verlangt.

„Das vorbildliche Leben besteht in der Liebe und Demuth; in der Herzens-Fülle, welche auch den Niedrigsten nicht ausschließt; in der förmlichen Verzichtleistung auf das Recht-behalten-wollen, auf Vertheidigung, auf Sieg im Sinne des persönlichen Triumphes; im Glauben an die Seligkeit hier, auf Erden, trotz Noth, Widerstand und Tod; in der Versöhnlichkeit, in der Abwesenheit des Zornes, der Verachtung; nicht belohnt werden wollen; Niemandem sich verbunden haben; die geistlich-geistigste Herrenlosigkeit; ein sehr stolzes Leben unter dem Willen zum armen und dienenden Leben.“

Jede mag wohl nachdenken über dieses Wort: „Herzensfülle, welche auch den Niedrigsten nicht ausschließt…“ Vieles erinnert an die neueste Debatte, das neueste Gassengerede  über „Inklusion in der Erziehung“. Stimmt ihr dem zu, stimmt ihr nicht zu?

 Posted by at 22:58
Okt 202011
 

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Weiterhin recht schnöde und roh ist die Sprache, mit der deutsche Medien über deutsche Türken sprechen. So gefällt mir etwa das Wort „Importbraut“ nicht. Denn „importiert“ wird eine Sache, kein Mensch! Lest selbst, was Julia Haak in der Berliner Zeitung heute den Neuköllner Migrationsbeauftragten Alfred Mengelkoch berichten lässt:

Kottbusser Damm: Längst nicht mehr Klein-Istanbul | Berlin – Berliner Zeitung
Noch immer heirateten 90 Prozent der Türken Türken, 50 Prozent davon importierten den Partner aus der alten Heimat. „Auch aufgeklärte Leute machen das“, sagt Mengelkoch.

Ich schlage folgende Sprachgebung vor: „90 Prozent der in Berlin  lebenden Türken heiraten Türken“, die Hälfte der Bräute und Bräutigame „… werden aus der alten Heimat für die Ehe geworben, oder: … wandern aus der Heimat zu … oder: …  werden aus der alten Heimat geholt.

Auch wird hier durch den Migrationsbeauftragten der Anschein erweckt, als seien Türken weniger aufgeklärt als andere Menschen in Deutschland, als wüssten sie nicht recht, was sie tun. Die alte Sicht der blühenden Integrations- und Migrationsindustrie auf die „rückständigen Türken“, die als Analphabeten nach Deutschland kämen und hier erst einmal durch den Fürsorgestaat jahrzehnte- oder lebenslang nachbemuttert werden müssten, schlägt hier voll durch.

Unsinn.  Das beständige Nachholen von Ehepartnern aus der Türkei ist gewollt und sichert die  Abgeschlossenheit und das beständige Wachstum der türkischen Volksgruppe in Deutschland. Der Gefahr der Integration in die deutsche Gesellschaft oder der Vermischung mit den Nichttürken wird so vorgebeugt – wobei „Gefahr“ selbstverständlich aus der Sicht des türkischen Staates zu sehen ist. Wie das Beispiel Zypern lehrt, sind die Auslandstürken für den türkischen Staat ein wichtiger Machtfaktor, der ganz bewusst als Hebel eingesetzt wird. Man studiere nur die riesigen Erfolge der BIG genau am Kottbusser Tor! Werte von bis 12% erzielte die türkisch-islamische Partei am Kottbusser Tor mit dem in türkischer Sprache verkündeten Slogan: „Wählt einen von euch!“

Der deutsche Staat, ja wir als deutsche Gesellschaft  haben selbstverständlich ein Interesse daran, dass die Chancen zur Integration, die ja überreichlich gegeben sind, angenommen werden. Wir wollen durchlässige „Volkstumsgrenzen“.

Bitte nehmt die Türken endlich als Menschen mit eigenem Willen ernst, stoppt die Bevormundung! Wenn sie sich als eigene Gruppe bewahren wollen, sollten wir das akzeptieren.

Wir sind doch alles Menschen wie du und ich – hepimiz insaniz!

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Sind Grillverbote in Parks Menschenrechtsverletzungen?

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Okt 192011
 

Deutschland ist ein Staat, der systematisch Menschenrechte verletzt. Immer wieder erheben türkische Politiker diesen Vorwurf, zuletzt meines Wissens der türkische Staatspräsident Gül. Diese Vorwürfe werden immer wieder in den Raum gestellt, wenn die türkische Schutzmacht, der türkische Staat versucht, hier in Deutschland den Ton anzugeben. Nebenbei: auch in Zypern ist es letztlich der Vorwurf der Menschenrechtsverletzungen, der dazu führt, dass ein Teil Zyperns von türkischen Truppen besetzt wurde und bis heute besetzt ist. Wir in der EU haben also bereits türkisches Militär auf EU-Territorium stehen. Der türkische Staat lässt nicht mit sich spaßen, wenn er Menschenrechtsverletzungen wittert. Aufgepasst!

Eben dieses Grundmuster zieht sich wieder und wieder durch die Argumente der türkischen Verbandsvertreter. Sobald irgendetwas gesagt oder getan wird, was die Türken in Deutschland beeinträchtigen könnte, erhebt sich eine Stimme aus den Verbänden: „Das ist gegen unsere Kultur gerichtet. Wir werden immer und überall benachteiligt. Das ist eine Menschenrechtsverletzung. Wir Türken haben in Deutschland keine Bürgerrechte usw. usw.“

Letztes Beispiel: An schönen Wochenenden ziehen Tausende und Abertausende von Menschen in den Tiergarten, um dort zu grillen. Die meisten von ihnen, so scheint mir, sind Menschen mit einem ganz bestimmten Migrationshintergrund.  Am Abend dann bietet sich stets das gleiche Bild der Vermüllung. Im Nachhinein lässt sich nicht mehr feststellen, wer hier seinen Müll hinterlassen hat, anstatt ihn nachhause mitzunehmen. Fest steht, dass die bezirklichen Säuberungsaktionen jedes Jahr Hunderttausende Euro kosten. Die Berliner Zeitung berichtet am 14.10.2011:

 Die Reinigung kostet den Bezirk 300 000 Euro pro Jahr. Doch der hat kein Geld. „Wir mussten schon Sozial- und Jugendeinrichtungen schließen, weil im Haushalt ein paar Tausend Euro gefehlt haben. Da stimmen die Relationen nicht mehr“, sagt Bürgermeister Hanke.

Und andere Bezirke? Friedrichshain-Kreuzberg hat aus genau diesem Grund komplette Grillverbote in vielen Parks erlassen. Ist der linkeste aller grünen, der grünste aller linken  Bezirke also noch rassistischer, noch migrantenfeindlicher als der Bezirk Mitte?  Man muss es wohl so sagen, wenn man dem Türkischen Bund Berlin-Brandenburg glaubt!

Anstatt gegen die Müllhalden im Tiergarten irgendwie durch Ermahnungen an „die eigenen Leute“ vorzugehen, wirft der Türkische Bund nämlich dem Bezirk Mitte vor, durch ein Grillverbot gegen die Kultur der hier lebenden Menschen „mit Migrationshintergrund“ vorzugehen, und er ruft zur Demo auf! Großartig, das hat Klasse, das ist sehr sehr lehrreich!

Lest die offizielle Ankündigung des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg:

Die Grillkultur in Tiergarten wird vorwiegend von Bevölkerungsgruppen mit niedrigen Einkommen und Migrationshintergrund in Anspruch genommen. Diese bestehen vorwiegend aus Familien mit Kindern, die über keine eigenen Einfamilienhäuser mit Gärten verfügen und im Jahr ca. an 15 Wochenenden in Tiergarten grillen. An diesen Tagen wird in Tiergarten ein buntes und familienorientiertes Lebensgefühl vorgeführt. Dies ist in den letzten 20 Jahren zur festen Lebenskultur dieser Bevölkerungsgruppe geworden. Es gibt offensichtlich politische Kreise, die diese Vielfalt für die Hauptstadtzone als unwürdig erachten.

Beim Grillen entstehen zweifelsfrei Kollateralbelastungen vor allem mit Müll. Dies sieht an solchen Tagen in Krumme Lanke und Schlachtensee nicht anders aus. Statt diesen Kollateralbelastungen mit öffentlicher Infrastruktur und bei vorsätzlichen Fehlverhalten mit persönlichen Sanktionen zu begegnen, will das Bezirksamt Mitte nun diese Kollateralbelastungen mit einem Grillverbot auf Kosten des Lebensgefühls und Kultur von Menschen begegnen, die auf diese Erholungsfläche angewiesen sind.

Eine Diskussion um Lebensgefühl, Kultur, Freiheit und hiermit verbundenen Kollateralbelastungen von Bevölkerungsschichten mit höheren Einkommen, die sonst intensiv und öffentlich geführt wird, wird bewusst unterlassen.

Die betroffenen Menschen mögen nicht ausreichend artikulations- und konfliktfähig sein um ihr Lebensgefühl und ihre Kultur zu verteidigen. Das Grillverbot in Tiergarten richtet sich gegen ihr Lebensgefühl und Kultur.

Stellvertretend für sie möchten wir mit unserer demonstrativen Grillaktion in Tiergarten am kommenden Samstag, den 22.11.2011 um 13.00 Uhr die Stimme erheben.

Alisan Genc
Mitglied TBB-Vorstand


 Posted by at 15:16
Okt 192011
 

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Was wirklich sehr viel Leiden über Mütter und Kinder gebracht hat, ist der Glaube vieler Väter, vieler Männer und einiger kinderloser Frauen, dass die Mütter dies doch locker alles allein schaffen können. „Das bisschen Erziehung, das bisschen Hausarbeit schaffst du doch allein!“ Und tschüß!

Also: Eva braucht Adam nur ganz kurz, dann darf er verschwinden. So halten es viele Tierarten, etwa die Bären. Bärenmütter erziehen ihre Kinder alleine, bis sie selbständig sind. Dann geht jeder seiner Wege. Anders die Elefanten! Sie bilden lebenslang haltende Gesellschaften und sammeln so auch ein beachtliches kulturelles Wissen an. So erfuhr ich kürzlich von meinem zweiten Sohn, dass manche afrikanischen Elefantenherden über Jahrtausende hinweg immer wieder dieselben Höhlen in der Erde aufsuchen, um sich dort mit den nötigen Mineralien zu versorgen, die sie genüsslich zermalmen.  Als Quelle zeigte mein Gewährsjunge mir den WAS-IST-WAS-Band über Elefanten. Das ist kulturelles – also nicht genetisches – Wissen!

Noch bezeichnender die Aufforderung einer Eva unserer Zeit, die kürzlich in einem SPIEGEL unserer Gesellschaft zu lesen war: „Wenn ihr Kinder wollt, bekommt sie allein.“

Mutterschaft in alleiniger Verantwortung der Frau? Ist dies ein ein weiser Rat? Ich schlage seit längerem in diesem armen Kreuzberger Blog eine neuartige Alternative zu diesem heute weithin gelebten Modell vor, nämlich – jetzt bitte nicht alle Ohren verschließen! – : zukünftige Mutter und zukünftiger Vater schließen eine auf Nachhaltigkeit angelegte Bindung, die sich nach außen als ver-bindlich bekundet. Sie bilden eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche und persönliche Grund-Einheit oder auch eine „soziale Keimzelle“. Dann zeugen sie Kinder, übernehmen gemeinschaftlich Verantwortung für die Kinder, soweit diese es noch nicht für sich selbst tun können. Wenn Vater oder Mutter früh sterben oder sich wider alle Absichten trennen, übernehmen sofort andere, ältere Männer oder Frauen die Rolle des verlorenen Vaters, der verlorenen Mutter. Sie sind das, was man in den älteren Gesellschaften die „Paten“ nannte, denn in den älteren Gesellschaften war Verlust des leiblichen Vaters, Verlust der leiblichen Mutter sehr häufig. Wenn sich diese soziale Patenschaft nicht erreichen lässt, tritt die nächsthöhere, die nächstgrößere Gemeinschaft helfend, ratend, vermittelnd ein.

Nach und nach wachsen die Kinder unter der Obhut der Erwachsenen heran, übernehmen immer mehr Verantwortung für sich selbst, für andere, für die Gemeinschaft, für die Gesellschaft, zuletzt auch für den Staat.

Viele von diesen Kindern wollen selbst wieder Mütter und Väter werden. Was tun, um den eigenen  Kinderwunsch zu erfüllen? Grübel, grübel. Hier, so meine ich, sollte das Ganze wieder von vorne beginnen, nämlich: zukünftige Mutter und zukünftiger Vater schließen eine auf Nachhaltigkeit angelegte Bindung, die sich nach außen als verbindlich bekundet. Dann zeugen sie Kinder, übernehmen gemeinschaftlich volle Verantwortung für die Kinder, soweit diese es noch nicht für sich selbst tun können. Wenn Vater oder Mutter früh sterben oder sich wider alle Planungen  … und so geht es immer weiter!

Zweifellos ist das hier vorgeschlagene Modell der wechselseitigen Fürsorge nicht naturgegeben. Denn es gibt Gesellschaften, die ganz bewusst ohne diese soziale Keimzelle auskommen. An erster Stelle fällt mir hier das antike Sparta ein. Die Kinder wurden sehr früh von den Eltern weggenommen, der Staat Lakedaimon erzog die Kinder für sich selbst. Sexualität wurde von Frauen und Männern mit wechselnden Partnern ausgelebt, es herrschte Promiskuität.

In den Kindergruppen galten körperliche Tüchtigkeit, Wehrhaftigkeit und Mut als oberste Tugenden. Diebstahl und Raub für das eigene Wohl wurden ausdrücklich zugelassen, ja Kinder wurden bewusst ermuntert, bei fremden Gemeinschaften zu plündern und zu rauben.  Dennoch herrschte in Sparta Kinderarmut: die Kinder bekamen oft nicht genug zu essen, oft froren sie und mussten auf nackter Erde schlafen. Ein geregeltes Schulwesen gab es nicht.  Denn Kinder großzuziehen, ist für den Staat sehr teuer. Dennoch behauptete sich dieses Modell über viele Jahrzehnte. Es gelang Sparta, durch Unterwerfung und Ausplünderung benachbarter Gesellschaften das eigene Staatsmodell  erfolgreich auszubauen. Die Kinder der unterworfenen Nachbarn wurden oftmals zu eigenen Bürgern herangezogen. So reproduzierte Sparta sich durch bewusst gesteuerte, oft gewaltsame  Zuwanderung und Ausplünderung anderer höchst erfolgreich, ohne auf Nachwuchs durch die eigenen Familien angewiesen zu sein.

Springen wir in unsere Gegenwart zurück!

„Ein einziger Platz in einem staatlichen Kinderheim kostet den Steuerzahler pro Monat etwa 3.500 Euro“, erzählte mir einmal eine alleinerziehende Mutter, die „es nicht mehr schaffte“ und eines ihrer Kinder dem Staat anvertrauen musste – musste, denn sie wollte es eigentlich nicht.

Wir sehen: Wenn Kinder ohne Familie, ohne Vater und Mutter aufwachsen, bringt dies erhebliche psychische, soziale und finanzielle Herausforderungen mit sich. Es ist für Gesellschaften sehr sehr teuer, Kinder nicht vorrangig von den Familien erziehen zu lassen.

Nur sehr reiche, sehr wohlhabende oder sehr militarisierte Gesellschaften mit hohem Gewaltpotenzial nach innen und nach außen können es sich erlauben, Kinder ohne Bindung an die Eltern weitgehend durch den Staat aufziehen zu lassen.

Erfolgreicher sind wohl jene Gesellschaften, die die Hauptlast der Fürsorge und der Verantwortung für die Kinder den Vätern und Müttern gemeinschaftlich aufbürden.

Soll frau den Kinderwunsch von großartiger romantischer Liebe und jahrzehntelang lodernder Leidenschaft abhängig machen? Ich würde antworten: Nein. Das wird meist sowieso nicht halten. Aber frau sollte die Erfüllung des Kinderwunsches davon abhängig machen, dass frau dem Kind nach allem menschlichen Ermessen seinen Vater oder einen guten sozialen Vaterersatz, eine dauerhafte, bergende, hegende Gemeinschaft anbieten kann, die sich materiell und finanziell einigermaßen über Wasser halten, sich ernähren und sich tragen wird.

Worauf läuft es also hinaus? Ich sage dies hier in aller Schroffheit, aller Härte: es läuft in der Mehrzahl der Fälle, muss in der Mehrzahl der Fälle hinauslaufen auf Ehe und Familie.

Soziologin Illouz: „Macht euren Kinderwunsch nicht von Liebe abhängig!“ – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Kultur

 Posted by at 11:09
Okt 172011
 

Jedes Kind braucht einen Vater oder eine Art Vaterersatz in der Erziehung. Männer sind wichtig. Allerdings wäre es falsch, den Frauen eine Art Männerquote in der Familienerziehung staatlich vorzuschreiben.

Die Staatsverliebten, die politikversessenen Frauen und Männer glauben an die Reformierbarkeit der Gesellschaft durch die Macht des Staates.

Deshalb wollen sie eine Frauenquote gesetzlich vorschreiben. Ich halte eine staatlich aufgenötigte, verpflichtende Frauenquote in den DAX-Vorständen für gefährlichen, freiheitsberaubenden Unsinn – so wünschenswert ein höherer Frauenanteil aus meiner Sicht auch wäre.

Noch viel wichtiger wäre allerdings ein höherer Männeranteil bei der Kindererziehung. Viel zu vielen Kindern fehlen die Väter.

Gipfeltreffen mit Ministerrunde: Dax-Konzerne blockieren Frauenquote im Top-Management – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Wirtschaft

 Posted by at 18:59

Der Vater sitzt in den Zellen der Ohnmacht

 Familie, Frau und Mann, Männlichkeit, Mutterschaft  Kommentare deaktiviert für Der Vater sitzt in den Zellen der Ohnmacht
Okt 162011
 

Sprich mit Verbrechern, sprich mit Psychiatern, sprich mit Polizisten, sprich mit Soziologen, sprich mit Lehrern! Bei den meisten Schwierigkeiten mit Sucht, Bildungsversagen, Schulabbruch, Lernverweigerung, Krankheit, Kriminalität und Arbeitslosigkeit wirst du in der Ursachengeschichte einen abwesenden, schwachen, prügelnden oder versagenden Vater finden!

Die kulturelle Entmachtung des Vaterbildes ist weiter in vollem Gange. Es ist ein historischer Vorgang ungeheuren Ausmaßes, dessen Zeugen wir seit etwa 1980 werden. Soeben lese ich den Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ von Eugen Ruge. Da ist er wieder, der Vater, wie er seit 1980 wieder und wieder beschrieben wird: dement, inkontinent, hilflos, ein Gegenstand des Mitgefühls und des Mitleids für den Sohn. Lies:

– Mach auf, rief Alexander.
Kurt kam näher, glotzte.
Mach auf!
Aber Kurt rührte sich nicht.

Alexander schloss auf, umarmte seinen Vater, obwohl ihm die Umarmung seit langem unangenehm ware. Kurt roch. Es war der Geruch des Alters. Er saß tief in den Zellen. Kurt roch auch gewaschen und zähnegeputzt.

Erkennst du mich, fragte Alexander.

Ja, sagte Kurt.

Eugen Ruge: In Zeiten des abnehmenden Lichts. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, September 2011, hier S. 8

An Stelle des versagenden Vaters rückt der mütterliche, der fürsorgliche, der alles-verzeihende, alles-besorgende Staat. Der Staat wird zur Übermutter, an den sich die von allen guten Vätern Verlassenen wenden dürfen.

 Posted by at 20:32
Okt 152011
 

Die üblichen Forderungskataloge zur Bildungspolitik sind heute meist kulturell völlig entkernte Gerippe. Man kann dies Satz für Satz nachweisen. So wird immer wieder „Sprachkompetenz“, „Lesekompetenz“ usw. gefordert, „Sprachstandsmessungen“ zuhauf, eine ganze Bildungs-Vermessungs-Industrie gruppiert sich um Organisationen wie etwa UNESCO. Eine solide Bildungsstudie ist unter 200.000 Euro nicht zu haben! Wie viele männliche Erzieher könnte man dafür einstellen?

Ein „Mindestwortschatz“ von 4000 Wörtern in der Landessprache für Viertklässler wird gefordert. Akribisch werden Häufigkeitsmessungen durchgeführt.

Demgegenüber vertrete ich die Meinung, Kitas und Schulen müssten viel stärker  „kulturelle Leitwerke“ pflegen und die Kinder dadurch bewusst auf ein pädagogisches Leitbild hin erziehen. „Schüler sollten so frühzeitig wie möglich mit kulturellen Leitwerken bekanntgemacht werden“, schrieb es auf Antrag der CDU Kreuzberg-West die Berliner CDU in ihr Wahlprogramm (Punkt e21, Seite 41).

Was sind kulturelle Leitwerke?

Ein Beispiel eines kulturellen Leitwerkes für die frühe Kindheit (ab etwa 2 Jahren) ist der folgende Fingerspielreim:

„Das ist der Daumen,
Der schüttelt die Pflaumen,
Der hebt sie auf,
Der trägt sie nachhaus,
Und der kleine Wuziwuzi isst sie alle auf.“

Hier werden auf idealtypische Weise

  • Sprechen
    akustische Lautbilder
    motorische Fertigkeiten
    Innervationsbahnen der Hand und des Armes
    soziale Fertigkeiten der Kooperation zwischen Gruppenmitgliedern
    Zählen bis zur Zahl 5
    Themen  der sozialen Gerechtigkeit

angesprochen und bildhaft erfahrbar gemacht. Unbedingt müsste man dieses Werk „Das ist der Daumen“ und andere volkstümliche Merkverse in den deutschen Bildungskanon aufnehmen!

Die volkstümlichen Kinderverse, Abzählreime, Kinderlieder, Volkslieder und Grimms Volksmärchen sind kulturelle Leitwerke ersten Ranges. Wir – Eltern und Lehrer – müssen sie wieder unterrichten, singen, erzählen, spielen.

„Zu mir kommen Kinder in die erste Klasse, die wissen nicht, dass sie fünf Finger haben, geschweige denn, wie sie heißen“, vertraute mir einmal eine West-Berliner Grundschullehrerin an.

Kulturelle Leitwerke für die Größeren wären:

Tierfabeln (ab Klasse 1)
Goethes Kindergedichte (ab Klasse 1)
Schillers Balladen (ab Klasse 3)
die biblischen und koranischen Erzählungen, etwa die über Josef/Yussuf (alle Altersstufen)
die Gleichnisse des Neuen Testaments (alle Altersstufen)
gesungene Kanons
ein Grundbestand an etwa 300 Gedichten deutscher Sprache aus 4 Jahrhunderten
weitere Volkslieder
Wanderlieder wie etwa Das Wandern ist des Müllers Lust
sicherlich auch möglichst viele von Goethes Werken in ausgewählten Beispielen und altersgerecht zubereiteten Fassungen
Mythen und Sagen der griechisch-römischen Antike
Klassiker der Kinderliteratur wie etwa Emil und die Detektive oder Gullivers Reisen. 

 Posted by at 14:36

Brauchen wir mehr Meister Eckart oder mehr Hirnforschung in der Pädagogik?

 Antike, Entkernung, Homer, Jesus von Nazareth, Kanon, Kinder, Tugend, Vorbildlichkeit, Was ist europäisch?  Kommentare deaktiviert für Brauchen wir mehr Meister Eckart oder mehr Hirnforschung in der Pädagogik?
Okt 142011
 

Recht treffend fand ich die Einwände, die Bildungsministerin Schavan vor wenigen Tagen im Konrad-Adenauer-Haus gegenüber den bildungspolitischen Grundsatzdebatten in die Runde warf. Sie sagte nämlich,

– es gebe viel zu wenig Debatten über Sinn und Inhalt von Bildung

– dabei hätten wir in Deutschland seit Meister Eckart eine reiche Tradition des Bildungsdenkens

– wir müssten und sollten also auch über den Kanon und Kanonbildung nachdenken.

Alle drei Einwände treffen meines Erachtens noch weit stärker zu, als eine aktive Politikerin dies aussprechen darf. In dem ganzen Gerede und Gestreite über Strukturen, Curricula, Quantensprünge der Didaktik, „gehirngerechtes Lernen“ ist in der Tat fast völlig aus dem Blick geraten, wohin wir die Kinder „ziehen“ oder erziehen wollen.

Es fehlt ein Leitbild der Erziehung. Es ist durch normgerechte „Kompetenzen“ ersetzt.

Es fehlt in Deutschland ein Kanon. Deshalb wachsen viele Kinder in der kulturellen Steppe auf. Gerade bei uns in Kreuzberg ist dieses kulturelle Niemandsland mit Händen greifbar.

Die reiche, prägende, vorbildhaft weisende Tradition des europäischen Bildungsdenkens seit den Tagen eines homerischen Achilles, eines Odysseus, eines platonischen Sokrates, eines Jesus Christus, eines Cicero droht verlorenzugehen. Diese kulturellen Tragwerke Europas drohen vergessen zu werden. Die Wüste wächst!

Armes Kreuzberger Blog » Blog Archive » Stop the war!

 Posted by at 14:45
Okt 132011
 

Vor zwei Tagen besuchte ich die sehr beeindruckende Veranstaltung „Bildungsrepublik Deutschland“. Ein vorbildliches Beispiel für das, was ich gern „Die lernende Volksparteinenne! Ich hörte mir aufmerksam lauschend neben einem überlebensgroßen Porträt Konrad Adenauers sitzend all die profunden Beiträge von Generalsekretär Gröhe, Bildungsministerin Schavan, Handwerkspräsident Otto Kentzler und Kultusminister Roland Wöller MdL an.

„Leider sind ja die Kopfnoten [für Fleiß und Betragen] gestrichen worden, sie waren für uns bei der Einstellung von Auszubildenden ein wichtiger Hinweis.“ So äußerte sich Otto Kentzler, der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks.  Was meinte Herr Kentzler damit? Ich glaube, er gab das wider, was auch mir immer wieder Berliner Ausbilder und Handwerker berichten: Die Jugendlichen kommen oder tanzen heute oft ohne die richtige Grundeinstellung an: Es fehlt ihnen oft an Durchhaltevermögen, an Sorgfalt, Beharrlichkeit, Fleiß, Pünktlichkeit.

„Wenn sie dann die Ausbildung im Handwerk abgeschlossen haben, sind sie gewandelte Persönlichkeiten geworden.“ So erneut Kentzler! Die Handwerksausbildung holt also in gewissem Umfang das nach, was Elternhaus und Schule vorher versäumten: Persönlichkeitsbildung, Einübung von Tugenden wie Fleiß, Höflichkeit, gutes Benehmen. Für Kreuzberg kann ich diese Erkenntnis nur bestätigen.

„Nicht alles, was vor 1980 für die frühkindliche Bildung ersonnen wurde, war falsch. Lieder wie Wer will fleißige Handwerker sehn, oder Kinderreime wie Das ist der Daumen, der schüttelt die Pflaumen sollten unbedingt weiter gepflegt werden!“ So lakonisch kommentierte ich selbst in einer klitzekleinen Fußnote die Debatte. Zu diesen heute weithin unterschätzten Einsichten gehört neben jener in die Wichtigkeit der Märchen, der Erzählungen, der Kinderreime und Kinderlieder auch jene in die unersetzbare Rolle persönlicher Vorbilder.

„Bildung braucht Bindung“, – betonte Ministerin Schavan zwei Mal. Bindung bedeutet eben die dauernde, verlässliche emotionale Verbundenheit mit einem als verlässlich und vorbildlich erlebten Menschen – üblicherweise Mutter oder Vater.

In der Tat: Kinder brauchen in Kindheit und Jugend Vorbilder, denen sie nacheifern können – und zwar vorzugsweise innerhalb der Familie! Einen wunderbaren, mich persönlich anrührenden Beleg für diese Grundeinsicht liefert wieder einmal – Klaus Wowereit, der immer wieder die prägende Rolle seiner Mutter hervorgehoben hat. Die Eltern – also Mutter oder Vater – sind die entscheidenden Anreger für das Wachsen und Reifen der Persönlichkeit.

Fundamental ist auch Wowereits Einsicht in die anspornende Kraft der Armut, der dürftigen, bescheidenen Verhältnisse, der Erfahrung der Kränkung, des Zurückgesetztseins, aus denen sich die nächste Generation hervorarbeiten will und soll.

Um wieviel anders ist heute die Lage unserer Berliner Sozialstaats-Mündelschicht! „Wir haben hier in Deutschland alles, was wir brauchen“, berichten die Menschen immer wieder. Da es also im Gegensatz zu Wowereits Kindheit heute keine echte Armut gibt, da der Druck fehlt, sich aus Dürftigkeit durch eigene Anstrengung emporzuwerkeln, und da deshalb den Kindern auch Vorbilder fehlen, wird „Integration durch Arbeit“ zu so einem furchtbar schwierigen politischen Geschäft der politisch Wohlmeinenden! Die Integration ins deutsche Sozialsystem ist dank einer Batterie an Sozialberatern, Sozialarbeitern, Sozialprogrammen hervorragend gelungen – wozu sollte man sich also noch anstrengen?

Wowereits Lebensgeschichte ist ein leuchtendes Beispiel für gelingende Integration durch die alten Tugenden der „fleißigen Handwerker“: frühes Aufstehen, Fleiß, Fürsorge für die Kinder, Familiensinn, Sparsamkeit.

Lesen!

Exklusiver Vorabdruck: Auch die Wowereits waren Migranten – Berlin – Tagesspiegel
Meine Mutter war mein Vorbild: Sie hat unentwegt gekämpft, als kleine städtische Angestellte, als Mutter von zwei Töchtern und drei Söhnen, einer davon im Rollstuhl. Sie hat jeden Morgen aufs Neue losgelegt, wenn sie noch vor der Arbeit Blumen und Gemüse geerntet hat, um ein paar Mark zusätzlich zu verdienen. Wenn man als Schüler zum Kohlenhändler geht und das Heizöl nicht gleich bezahlen kann und dann jeden Monat wieder hingeht, um jeweils hundert Mark abzustottern, und die Verkäuferin jedes Mal fragt, ob wir uns das denn auch leisten können – dann sind das Erfahrungen, die ein Kind treffen. Aber von meiner Mutter habe ich gelernt, dass man sich nicht hängen lassen darf.

 Posted by at 09:59
Okt 122011
 

Für die außerordentliche schmerzhafte Gewissenserforschung, die unsere französischen Nachbarn seit etwa 3 Jahrzehnten betreiben, sei heute stellvertretend für viele andere das Zeugnis des Widerstandskämpfers und Historikers Jean-Louis Crémieux-Brilhac angeführt:

Vidéo Ina – Révélations sur la deuxième guerre mondiale , vidéo Révélations sur la deuxième guerre mondiale , vidéo Politique Politique internationale – Archives vidéos Politique Politique internationale : Ina.fr

Viele Forschungen, viele Bücher lassen kaum mehr etwas übrig von dem sinnstiftenden Heldenmythos, wonach die Franzosen ein einig Volk von Widerstandskämpfern gewesen seien. Nach dem Überfall durch die Deutschen trat die Zerklüftung der französischen Gesellschaft offen zutage, so erzählt es in diesem Fernsehgespräch Crémieux-Brilhac: Die Kommunisten lehnten den Kampf für den imperialistischen Staat ab, ein großer Teil der französischen Rechten sympathisierte mit den Deutschen und errichtete im unbesetzten Süden einen autoritär-reaktionären Staat, Pazifisten und Defätisten hielten den Krieg für sinnlos.

Waren die Franzosen ein von den Deutschen gewaltsam unterdrücktes Volk, das rebellisch gegen die fremden Besatzer aufbegehrte? Das Gegenteil ist richtig. Zu keinem Zeitpunkt umfasste die Résistance mehr als 2-3 % der Bevölkerung. Die überwältigende Mehrheit der Franzosen arrangierte sich, kooperierte sowohl mit dem deutschen Besatzungsregime wie auch mit dem im Süden verbleibenden État français des Marschalls Pétain. Dieser Französische Staat erließ aus freien Stücken ohne Aufforderung durch Deutschland im Jahr 1940 rassistische Gesetze, mit denen die Juden aus den öffentlichen Ämtern und aus dem öffentlichen Leben verdrängt wurden. Die französische Polizei lieferte in systematischer Weise und widerstandslos Juden an die Deutschen zum Abtransport in die Konzentrationslager aus. Die französische Verwaltung blieb von den Deutschen weitgehend unangetastet und kollaborierte in der Regel reibungslos mit den Besatzern. Wichtige Industriebetriebe wie etwa die Renault-Werke, die ihren Umsatz von 1940 bis 1944 verfünffachten, machten während des Krieges prächtige Geschäfte mit den Deutschen und mit anderen Ländern, insbesondere den Amerikanern.

Die quälende, nachholende Aufarbeitung dieser bereitwilligen Unterwerfung und In-Dienststellung der überwältigenden Mehrheit der Franzosen unter die nationalsozialistische Verbrechensmaschinerie hat viel Ringen und Kämpfen innerhalb der französischen Gesellschaft erfordert. Doch nur so kann die Résistance als das gewürdigt werden, was sie war: ein Akt der verzweifelten Auflehnung weniger Kämpferinnen und Kämpfer gegen die willfährige Mehrheit der Franzosen, ein Ausgreifen in die Idee der Freiheit und Würde, auf der ein Neubeginn nach 1945 möglich wurde.

Als Gründungsmythos der Vierten Republik war die legendenhaft überhöhte Erzählung der Résistance gleichwohl ein wichtiges Element! Man fühlt sich an Nietzsches Spruch erinnert: „Das hast du getan, sagt meine Erinnerung. Das kannst du nicht getan haben, sagt mein Gewissen. Erinnerung und Gewissen, Erinnerung und Selbstachtung kämpfen. Endlich gibt die Erinnerung nach.“ Diese Erkenntnis gilt nicht nur für einzelne Menschen, sondern auch für ganze Völker.

Es wäre ein Fehler, nur von der Résistance zu erzählen und den État français, die französischen Rassengesetze und überhaupt des ganze riesige Ausmaß der europäischen Zusammenarbeit mit dem deutschen Verbrechensregime zu verschweigen oder zu beschönigen.


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