Für eine arme Politik, oder: über die Gesundung der Staatsfinanzen aus dem Geist der Nächstenliebe

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Dez 072011
 

Die Lebenserzählung der neuen Senatorin Dilek Kolat, von ihr selbst erzählt, ist ein strahlendes Beispiel für die Bedingungen, unter denen das Leben der Person gelingen kann: Eltern, Nachbarn, Schule, all die kleinen zahlreichen Gemeinden und Gemeinschaften sollen Hand in Hand arbeiten. Persönliche Vorbilder sind unerlässlich: Das können Vater, Mutter, Onkel, Tanten, Lehrer, Geschwister, Nachbarinnen und Nachbarn sein.

Na schaut her! So läuft es, Eltern, Schule, die Nachbarn, alle müssen zusammenwirken, dann gelingt das Leben der Menschen. Die Politik kann das nicht ersetzen, sie kann allenfalls Bedingungen fördern! Dasselbe sagte wieder und wieder Klaus Wowereit. „Es braucht Mut zur Integration!“ Dies macht mir Hoffnung! Aus dieser persönlichen Erfahrung des vorbildlichen Nächsten entsteht Freiheit. Die Freiheit entsteht dann, wenn das Kind sagt: „Ich möcht ein solcher werden, wie dieser Mensch, dieser Mann, diese Frau eine gewesen ist.“

Ein englisches Wort für den Nächsten lautet der Nachbar. Love thy neighbour! Die tätige Hinwendung zum Nächsten, zum Nachbarn ermöglicht Bindung. Bindung zwischen Menschen ermöglicht Bildung.

Frau Kolat hebt auch die überragende Bedeutung der kanonischen Werke der deutschen Kultur hervor, hier etwa der Grimmschen Märchen, die ja erst seit wenigen Jahren von der pädagogischen Fachwelt wieder gewürdigt werden, nachdem sie etwa ab 1980 in den Orkus der pseudo-emanzipatorischen Bewegung verbannt worden waren. Da wir nun einmal alle in Deutschland leben, sollten wir Menschen in Deutschland, egal ob alte oder neue Deutsche auch deutsche Sprache und deutsche Kultur ernst nehmen und nicht glauben, dass erst ab 1980 das Heil der Menschheit aus den Proseminaren der Universitäten hergebrochen ist.

Ihr seht, es kommt alles wieder: Der Geist der Nächstenliebe, die Einsicht in die Unverzichtbarkeit eines lebendigen Kanons, die überragende, verwandelnde Kraft des Wortes.  Das meiste andere löst sich von selbst. Ama et fac quod vis, tue etwas für den Nächsten, setz dich ein, sei ein Vorbild, werde der, der du werden willst, da hat er schon ins Schwarze getroffen, unser Bruder Aurelius Augustinus.

Aus dieser Einsicht heraus, dass GELD nur dient, aber niemals die tätige NÄCHSTENLIEBE ersetzen kann, kann auch eine Gesundung der Staatsfinanzen erwachsen.

Ich bin begeistert. Wir wünschen der neuen Senatorin Glück, Gesundheit, unerbittliche Strenge mit Kolleginnen und Kollegen, weiterhin viel Mut – und einen guten Taschenrechner. Hepimiz insaniz!

Senatorin Dilek Kolat: Deutsch hat sie erst in der Schule gelernt – Berlin – Tagesspiegel

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Dez 052011
 

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Zielstrebig und beharrlich bohre ich mich in diesen Tagen durch das Europarecht, suche in diesem „System vernetzter Ordnungen“ die Brüche und Pass-Ungenauigkeiten. Eines wird mir immer klarer: Nicht alles an der seit 2008 andauernden Finanz- und Europa-Krise haben die Regierungen der EU-Länder oder die ominösen Märkte zu verantworten. Einiges an der Vertragskonstruktion ist schlechterdings nicht kohärent. Manches mutet bei geduldiger Lektüre als „windschief“ an. Gerade die wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerungsmechanismen des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) scheinen mir sehr bedenklich. In vielfacher Hinsicht schränken sie die Handlungsfreiheit von Parlamenten und Regierungen unnötig ein.

Diese damals politisch gewollten Festlegungen der Lissabonverträge erweisen sich in unseren Tagen zunehmend als Danaergeschenk, zumal sie auch in nationales Recht, etwa in das Recht der Bundesrepublik Deutschland eingeführt werden, ohne dass hierüber auch nur der Ansatz einer ausreichenden Debatte stattgefunden hätte.

Dafür nur ein Beispiel:

Der 1992 eingefügten Art. 88 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) setzt eindeutig die Sicherung der Preisstabilität als vorrangiges Ziel der Bundesbank fest und widerspricht damit klar dem „magischen Viereck“ der klassischen Volkswirtschaftslehre, wie es etwa in das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) Eingang gefunden hat.   Höchst problematisch!

Art. 88 Satz 2 GG schränkt meines Erachtens die Freiheitsrechte des Bundestags und der Bundesregierung übermäßig ein. Wieso sollte Preisstabilität auf einmal wichtiger als hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und angemessenes Wirtschaftswachstum sein? Was nützen den spanischen Jugendlichen stabile Preise, wenn 48% Jugendarbeitslosigkeit herrscht?

Ich bemerke mangelndes Vertrauen in die Freiheit, wenn ich mir die Rechtsproduktion der Europäischen Union ankucke.

Was meint Ihr dazu? Kommentare erwünscht!

Literatur:

Art. 119 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU)

Matthias Herdegen, Europarecht, 13., überarbeitete und erweiterte Auflage, C.H. Beck Verlag, München 2011: § 23: Wirtschafts- und Währungspolitik: die Wirtschafts- und Währungsunion S. 358-390, hier insb. S. 373.

Europa-Recht. 24., neubearbeitete Auflage, Textausgabe mit einer Einführung von Prof. Dr. Claus Dieter Claussen, Stand 1.1.2011, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2011

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„Fahrradmann! Fahrradmann! Schau mal, was ich kann!“

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Dez 012011
 

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Meine gelbe Jacke löst überall Bewunderung aus. Der Händler von Radlust in der Skalitzer Straße sagte gestern: „Sie haben das Beste, was ein Radfahrer tragen kann – eine schön gelbe Warnjacke  mit Reflexstreifen. Die ist aber sehr teuer!“ „Nicht für mich! Ich habe sie für 29.- Euro bei Niedrigpreis in der Yorckstraße gekauft!“, erwidere ich.

Zusammen mit  meiner Mutter und meiner Frau spazierte ich heute auf einem Spielplatz in der Wilhelmstraße entlang. Eine Kita-Gruppe spielt auf dem Spielplatz. Die Kinder wollen auf der herrlichen Drehwippe gedreht werden, das seh ich doch!

„Bist du ein Krankenwagenmann? Du hast so eine gelbe Jacke!“, fragt mich bewundernd eines der Kinder.

„Nein, die trage ich nur zum Fahrradfahren“, erwidere ich.

Dann drehe ich die Kinder unter dem belustigten Zuschauen von Oma, Frau und Erzieherinnen. „Habt ihr keine Angst?“, frage ich. „Nein, Fahrradmann, dreh schneller!“ „Habt ihr immer noch keine Angst?“ „Nein, dreh schneller!“

Anschließend Hüpfen und Springen für alle. Ich springe von einem 40 cm hohen Bord in den Sand, tue so, als hätte ich fürchterliche Angst. Die Kinder lachen laut.

Der Junge springt von einen 60 cm hohen Palisadenzaun in den Sand.

„Fahrradmann, Fahrradmann, schau mal, was ich kann!“ Er springt ohne Angst. „Nächstes Jahr komm ich schon in die Schule.“ Wir stellen uns namentlich vor. Alle freuen sich, alle haben Spaß an der kleinen Begegnung.

Ja, der ist schulreif!

Bild: Neue vorgezogene Radaufstellflächen in der Wilhelmstraße

 Posted by at 23:19
Dez 012011
 

Einen herausragenden Beitrag zur Europa-Debatte liefert der amtierende polnische Außenminister. Große Klasse! Dass die Berliner Rede vom 28.11.2011 ausgerechnet vom Vertreter eines Landes gehalten wurde, das noch nicht Mitglied des Euro-Raumes ist, macht sie in der Krise des Euro-Raumes, die auch eine Krise der gesamten Europäischen Union ist, um so wertvoller.

Das Entscheidende ist offenkundig, dass Sikorski Europa nicht vorrangig als Wirtschaftsraum betrachtet. Nicht die Sicherung und Mehrung des materiellen Wohlstands sieht er als Ziel der Europäischen Union, sondern die Bewahrung von Freiheit und Demokratie, von Menschenrechten und Verantwortung füreinander.

Die Wirtschaftsordnung, die gemeinsame Währung, aller materielle Wohlstand dienen nach Sikorskis klaren Worten diesem überragenden Ziel der Sicherung der Freiheit. Sie sind kein Selbstzweck. In letzter Konsequenz muss dies meines Erachtens heißen: Die Europäer, vor allem auch die Deutschen müssen bereit sein, um des übergeordneten Ziels der Freiheit und Solidarität willen materielle Einbußen zu erleiden. Die Europäer müssen bereit sein, einen Teil des Wohlstandes, nämlich den durch Staatsschulden finanzierten Teil ihres privaten Wohlstandes aufzugeben.

Die Rede strahlt ferner dadurch, dass sie den weiten Atem der europäischen Geschichte spüren lässt. Sikorski erzählt Europa neu. „Nie pozwalam“, das Liberum Veto der Staatenunion Litauen-Polen, die dadurch bewirkte Uneinigkeit der Unionspartner erkennt Sikorski zu recht als den Keim des Zerfalls der polnisch-litauischen Staatlichkeit. Der durch Uneinigkeit geschwächte Staat konnte durch die mächtigeren Nachbarn Russland, Preußen bzw. Deutschland und Habsburg mehrfach geteilt und schließlich zerstört werden – mit verheerenden Folgen für das gesamte Europa.

Ferner ist an der Rede zu rühmen, dass sie die Frage nach der Verknüpfung von Macht und Freiheit stellt. Sikorski bejaht Macht unter der Bedingung, dass sie der Freiheit in Verantwortung dient. Politik, die die Freiheit sichern will, bedarf der Macht. Macht stützt sich in Friedenszeiten vor allem auf in Wahlen errungene Mehrheiten und auf wirtschaftliche Stärke. Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands, die maßgeblich durch den Euro-Raum, durch die Europäische Union ermöglicht worden ist, bringt höhere Macht und eben deshalb auch eine größere Verantwortung für das Wohl des Ganzen mit sich.

Nur aus diesem Grund fordert Sikorski Deutschland auf, eine führende Rolle innerhalb der EU bewusst anzunehmen. Weder redet er einem Vierten-Reich-Gedanken das Wort noch verlangt er eine Unterordnung der kleineren Länder unter  die größte Volkswirtschaft der Europäischen Union. Sein Appell richtet sich an Deutschland, weil Deutschland die Schlüssel zur Lösung der Euro-Krise in der Hand hält, wenn es die eigene Stärke zum Wohl des Verbundes einsetzt und dabei nachhaltig um die Unterstützung der anderen Länder wirbt.

Mein vorläufiges Gesamturteil über die polnische Europa-Politik der letzten Jahre lautet: Die polnische Politik hat sich immer wieder als zielführend und wegweisend im Konzert der europäischen Stimmen erwiesen. Ebenso wie schon nach dem Beitritt zur EU, als Polen bewusst auf großzügige Einkommenszuwächse durch EU-finanzierte Strukturprogramme verzichtete, ebenso wie nach der Wahl Donald Tusks zum Ministerpräsidenten, als die Polen allem nationalistischen Wortgeklingel eine Abfuhr erteilten, ebenso wie während der 2008 einsetzenden Wirtschafts- und Finanzkrise, die Polen dank einer klugen, weitsichtigen Finanz- und Wirtschaftspolitik fast unbeschadet überstand.

In Anlehnung an den Wortlaut der polnischen Nationalhymne dürfen wir sagen:

Solange es treue, überzeugte Bündnispartner wie Polen gibt, ist Europa, ist die Europäische Union nicht verloren.

Polens Außenminister: Am Rande des Abgrunds muss Deutschland führen – Nachrichten Debatte – Kommentare – WELT ONLINE.

 Posted by at 00:38