Mrz 032012
 

Lange wurde erbittert gerungen, wieviel Wohnraum einem durchschnittlichen Single in der Bundesrepublik Deutschland zusteht, der ausschließlich von staatlicher Unterstützung lebt. 25 oder 40 qm? Was ist menschenwürdig? Wann verliert er die Menschenwürde unter Hartz IV?

„Wir wohnten in Moskau in der Sowjetunion der sechziger Jahre zu fünft in einem großen Zimmer mit über 30 qm!“ – „Wir hatten zusammen mit drei anderen Familien eine Komunalnaja in Leningrad! Küche, WC und Bad waren gemeinsam, aber als Familie konnten wir uns jederzeit in unser Zimmer zurückziehen.“ So erzählten es mir russische Freunde und deren Angehörige auf meinen Reisen durch Russland. Ich habe selbst einige Nächte in einer derartigen Komunalnaja in Petersburg verbacht und konnte mir foglich ein Bild von den damaligen Verhältnissen in der Sowjetunion machen. Ich rechne nach: jedem einzelnen Sowjetmenschen standen in den Großstädten etwa 5-7 qm Wohnfläche zu.

Anders, weit besser war es in den Großstädten der DDR!

„Der Umzug war ein Schock, vor allem für die Familie. Auf dem Dorf konnten die Kinder draußen herumtollen, jetzt hockten wir zu fünft auf 85 Quadratmetern, dem DDR-Durchschnitt für diese Familiengröße.“ So erzählt es uns Joachim Gauck. Ich rechne nach: Jedem einzelnen DDR-deutschen Familienmenschen standen also in Städten wie Rostock etwa 17 qm zu, mehr als das Doppelte eines sowjetischen Familienmenschen.

Anders stand es um die ausländischen Gastarbeiter. Diese wurden in der DDR in Heimen einquartiert, worauf Zafer Senocak heute im Tagesspiegel hinweist.

Aus zahlreichen derartigen Berechnungen und Umfragen habe ich mir folgende Faustformeln zurechtgelegt, um deren Überprüfung ich euch Leser bitte:

a) In der DDR stand zu jedem beliebigen Zeitpunkt den Menschen in den Großstädten etwa doppelt soviel Wohnraum zur Verfügung wie zur selben Zeit in der Sowjetunion. Die materielle Versorgung der Bevölkerung, der Lebensstandard war überhaupt in der DDR wesentlich besser als in der Sowjetunion, auch dank der stetigen Mittelzuflüsse aus der Bundesrepublik Deutschland.

b) In der Bundesrepublik Deutschland hat statistisch gesehen jeder Mensch heute etwa doppelt soviel Wohnraum zur Verfügung wie in der Bundesrepublik Deutschland des Jahres 1970. Die deutsche Politik und die deutschen Bürger weigern sich jedoch hartnäckig, diese Zahlen zur Kenntnis zu nehmen. Deutschland lebt auch hier über seine Verhältnisse, indem es bei den Berechnungen zur Wohnungsgröße viel zu hohe Mindestgrößen ansetzt.

c) Selbst Hartz-IV-Empfänger haben heute in der Bundesrepublik Deutschland einen weit höheren Lebensstandard, eine weit bessere materielle Absicherung und mehr Wohnraum zur Verfügung als der Durchschnittsverdiener in der DDR, von der Sowjetunion ganz zu schweigen.

Stimmen diese Faustformeln und Überlegungen?

Bild:

Drangvolle Enge beim festlichen Tonnenabschlagen im Ostseedorf Wustrow, aufgenommen am 10.07.2011

Quellenangaben:

Joachim Gauck: Winter im Sommer – Frühling im Herbst. Erinnerungen. In Zusammenarbeit mit Helga Hirsch. Pantheon. Siedler Verlag München 2009, S. 121

Zafer Senocak: Die offene Gesellschaft und das Erbe der DDR. Tagesspiegel, 03.03.2012, S. 25

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