Nov 102012
 

Da lacht doch das Herz des Kreuzberger Bloggers! Katrin Göring-Eckardt als Spitzenkandidatin der Grünen nebst dem Ex-Kommunisten Jürgen Trittin! Das wirft die Frage auf: Kehrt urplötzlich das Religiös-Demokratische nach Deutschland zurück? Cooler Move!

Ich höre aus der Urwahl folgende Message ans Wahlvolk heraus: „Wenn ihr in der CDU zu wenig Christdemokratisches findet, wenn die CDU euch zu links, zu staatsdirigistisch, zu staatsgläubig ist, dann wählt halt die Partei der Chrismon-Autorin Göring-Eckardt!“ Katrin Göring-Eckardt, deren Gedanken über die „Kultur des Weniger“, über Philipp Melanchthon mich damals – ich las sie in in der Meister-Eckart-Stadt Erfurt – sehr beeindruckt haben!

Nach Gauck, nach Kretschmann, nach Fritz Kuhn, nach Cem Özdemir ist dies der nächste Coup der jungen wilden Neuen Konservativen, die die Linkspartei der Bündnisgrünen systematisch unterwandert haben oder aus der CDU-Familie abgewandert sind, – bzw. der CDU verlorengegangen sind! Gauck, Göring-Eckardt, Özdemir, Kuhn, Kretschmann, Rezzo Schlauch, Matthias Filbinger, der Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten Filbinger, hätten eigentlich in der CDU Platz finden oder wiederfinden müssen, hätten von der CDU demütig bittend ab- und angeworben werden müssen. Das sind doch alles astreine Wertkonservative! Die könnten Bände erzählen, warum sie nicht zur CDU gegangen sind. Die CDU sollte die genannten Persönlichkeiten – nebst Sarah Wagenkecht – zur Beratung bitten, die wäre goldwert! Allerdings kann man die Politik-Beratung auch kostenlos haben, wenn man die öffentlichen Äußerungen dieser Männer und dieser Frauen sorgfältig liest, fleißig bespricht und kundig-demütig deutet. Teure, aufgebrezelte  Kommunikationsagenturen sind voll überflüssig.

Wie bitte? Jawohl. Sarah Wagenknecht von der Linkspartei, die sich neuerdings ebenfalls zum Ideal der Nächstenliebe bekennt, die Goethes Faust II zustimmend liest und neu deutet, die ausdrücklich mehr Marktwirtschaft im Geiste Ludwig Erhards einfordert!

Es passt ins Bild, dass neuerdings der Charlottenburger, direkt gewählte grüne Bundestagsabgeordnete von Friedrichshain-Kreuzberg redlich dazu steht, bereits 1967 nach römisch-katholischem Ritus in der Kathedrale Unsere Liebe Frau zu Paris vor Gott und den Menschen den Bund der Ehe geschlossen zu haben, was Ehe auf ewig bindet. Dies ist zu verstehen als ein öffentliches Bekenntnis zum religiösen Ritual, ein verbindliches Eintreten für die geistliche Dimension der Politik und des Privatlebens, ein klares öffentliches Bekenntnis zum europäischen Christentum, das der säkulare Christ (ich würde ihn so nennen) Hans-Christian Ströbele damit vollzieht.

Was den Charlottenburger direkt gewählten grünen Bundestagsabgeordneten allerdings nicht daran hinderte, den Saal des Bundestages zu verlassen, als „unser Heiliger Vater“, wie er sagte, zu reden anhub, denn „unser Heilger Vater“ hatte sich nicht beim grünen Bundestagsabgeordneten entschuldigt für all das, was im Namen der Kirche den Armen und Elenden dieser Welt angetan worden war.  Es passt ins Bild, dass er sich redlich zu seinem schönen richtig großen Family-Van Volkswagen Touran bekennt.   Auch im grün regierten Friedrichshain-Kreuzberg ist genug Platz für Family-Vans. Kein grüner oder roter oder schwarzer VW Touran muss hier bei uns an den Bezirksgrenzen abgestellt werden. Platz genug für Autos, Autos, Autos, Platz genug für das heilige Blechle der Deutschen ist überall.

Ganz ähnlich bekennt sich der säkulare deutsche Grünen-Politiker Cem Özdemir öffentlich zum uralten, abrahamitisch-jüdisch-muslimischen schmerzensreichen religiösen Ritus der Knabenbeschneidung, dem er selbst unterworfen wurde und den er als Kirve – Kirve bedeutet Gevatter – auch weiterhin mitträgt und an die nachwachsende Generation weitergibt.

Somit dürfen wir ausrufen: 2013 wird sehr spannend für die CDU und ihre drei direkten Konkurrenzparteien (Grüne, FDP, Linke), die ihr neuerdings versuchen, das christlich-demokratische Wasser abzugraben –  und sehr eng für die SPD!

Ich empfinde es als einen Segen, wenn sich die Linkspartei und die Grünen mit der CDU um die Erbschaft der Gründungs-CDU (aus dem sehr fernen Jahr 1946) streiten, wenn sie gemeinsam um die rechte Auslegung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland aus dem furchtbar fernen Jahr 1949, gemeinsam um Maß und Mitte im Leben des Menschen ringen!

Es lebe die deregulierte, liberalisierte Marktwirtschaft des freien Wortes! Konkurrenz um das Christlich-Demokratische, bzw. das Religiös-Demokratische, um das Wertkonservative belebt das Geschäft, macht müde Männer munter!


Weiterführendes Schrifttum:
http://www.taz.de/Ergebnis-Gruenen-Urwahl/!105276/
„Ich bin nicht müde“. DER SPIEGEL 38/2012, S. 42-44
Cem Özdemir: „Ein schmerzhaftes Ritual“. In: ders.: Die Türkei. Politik, Religion, Kultur. Weinheim 2008, S. 237-239

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