Jan 172013
 

Große Dankbarkeit empfinden wir gegenüber dem Mann, der kürzlich den Pankower Schrippenstreit vom Zaun gebrochen hat! Denn er hat sich zum Gemütswert der Sprache bekannt. Der Dialekt der eigenen Kindheit bewahrt in der Tat Spuren des biographischen Gedächtnisses auf. Er verortet den Menschen in seiner eigenen Geschichte! Wer den Zungenschlag der Kindheit vermisst, vermisst Mutter, Vater und Geschwister, vermisst Heimat!

Von Ennio Flaiano, einem der Drehbuchschreiber für La notte von Michelangelo Antonioni, wird uns berichtet, er habe einmal den berühmten Regisseur auf die Schippe genommen:

„Ma che mi stai parlando sempre di incomunicabilità! Falli parlare in dialetto e vedrai che cominceranno presto a comunicare! – Was sprichst du eigentlich immer von der Sprachlosigkeit. Lass die Leute Dialekt sprechen und du wirst sie sehen, sie fangen schon an miteinander zu kommunizieren!“

Außerhalb Pankows stieß der Pankower Schrippenstreit auf amüsiertes und teils gespieltes Entsetzen. „Bei uns in Nürnberg sagt man Weggla!“ „Bei uns in Augsburg sagt man Semmel!“ Spannend! Die echten Lechschwaben sagen also nicht Weckle, wie von Herrn Thierse behauptet, geschweige denn Wecken, sondern Semmel – offenbar abgeleitet vom assyrisch-bairischen Sömmi.

„Und dafür habt ihr in Berlin Zeit!“ „Ja mei! Ihr Berliner braucht nichts dringender als eine schwäbische Kehrwoche, und zwar regelmäßig.“ „Wie schaut’s nachert bei Eierm Flughafa aus? Wann kriegtsa den gebacken? Duads fei ned dLandeboh vergessa!“

Hohn und Spott ergossen sich bei meinem jüngsten Aufenthalt über uns arme Berliner bei meinem kürzlichen Aufenthalt in Lechschwaben. Zitate: „Ihr solltet uns Schwaben dankbar sein! Wir bezahlen Eure phantastisch aufgewärmten Schwimmbäder, Eure Kita-Plätze, Eure im Märkischen Sand versenkten Milliarden.“

Da ist schon etwas dran. Berlin schwimmt im Geld der anderen Bundesländer und haushaltet schlecht. Es hat „traumhafte Förderkulissen“ hochgezogen. Bei jedem Problem wird die Hand ausgestreckt und ein neues staatliches Förderprogramm aufgelegt. Wie nennen sie es jetzt mal wieder? „Bündnis für Mieten“, „Bezahlbarer Wohnraum für alle!“ Ja mei! Sie können es nicht lassen! Statt die Leute etwas enger zusammenziehen oder etwas mehr arbeiten zu lassen, verhängen die Politiker Programme, die nicht funktionieren können, und verbraten weiterhin munter das Geld der anderen Bundesländer.

Doch meine ich: Hohn und Spott kübelweise allein greifen zu kurz. Deutschland spricht immerhin von seinen Dialekten. Dafür könnten wir Schwaben  uns Berlinern dankbar sein. Möge der Pankower Schrippenstreit dazu beitragen, die Deutschen auf die Vielfalt ihrer Dialekte aufmerksam zu machen! Auch die gilt es zu hegen und zu pflegen.

 Posted by at 21:48

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