Mai 012013
 

Von einer auch nur in Ansätzen erkennbaren, sinnvoll abgestimmten gemeinsamen Außen-, Verteidigungs-, Finanz- oder Wirtschaftspolitik ist die gegenwärtige EU-Kommission  weiter denn je entfernt, das belegt täglich jeder Blick in die Presse. Die von vielen herbeigewünschte Fiskalunion, ganz zu schweigen von einer erträumten abgestimmten „Sozial-Union“, die etwa Teile der  Linkspartei zu befürworten scheinen,  rückt in weitere Ferne. Zumal eine Sozialunion nur bedeuten kann, dass Länder mit vergleichsweise hohem Sozialsicherheitsniveau wie etwa Deutschland sich deutlich nach unten bewegen müssten, etwa auf das Lohn- und Sozialleistungsniveau von Italien, Frankreich oder Ungarn.

Schlimmer noch ist: Manche derzeit amtierenden EU-Kommissare lassen nicht erkennen, dass sie sich der Ursachen des eklatanten Auseinanderdriftens der EU-Volkswirtschaften überhaupt bewusst wären oder den Mut hätten, die Ursachen dafür offen zu benennen.

Dafür ein beliebiges Beispiel: Die vor zwei Tagen – wie erstmals bereits im September 2012   – erhobene Forderung des EU-Sozialkommissars Andor, die deutsche Politik müsse endlich dafür sorgen, dass die Löhne in Deutschland anstiegen, um so die Nachfrage anzukurbeln. Die Süddeutsche Zeitung berichtete vor zwei Tagen:

 

Andor fordert eine Abkehr vom deutschen Modell, sich auf Export zu konzentrieren und die Löhne moderat zu halten, um international zu konkurrieren. „Die Kommission rät Deutschland, die heimische Nachfrage durch höhere Löhne anzuregen und auf breiter Basis Mindestlöhne einzuführen.“ Belgien und Frankreich beschwerten sich schon über deutsches Lohndumping.

„Angesichts der hohen Exportüberschüsse ist es überhaupt nicht zu rechtfertigen, dass die Deutschen diesen Lohnwettbewerb beibehalten.“ In der Euro-Zone müssten auch die Überschussländer ihre Politik ändern, nicht nur die Krisenstaaten. „Wenn nicht, driftet die Währungsunion auseinander. Der Zusammenhalt ist schon halb verloren.“

via EU-Sozialkommissar – „Sparen allein schafft kein Wachstum“ – Wirtschaft – Süddeutsche.de.

Ich habe Andors Thesen bereits im September 2012 in dem Blog Politikselbermachen einem Faktencheck anhand des Lohnniveaus unterzogen.

Sollen wir Mindestlöhne wie in Höhe der Löhne in Ungarn zahlen?

Hier noch einmal zum Nachlesen mein damaliger, wie ich glaube noch heute zutreffender Befund vom September 2012:

Eine steile These stellt der ungarische EU-Kommissar Laszlo Andor in den Raum. Die Löhne in Deutschland seien zu niedrig, durch jahrelange Lohnzurückhaltung habe Deutschland die anderen EU-Länder in die Enge getrieben. Deutschland müsse unbedingt höhere Mindestlöhne einführen.

www.morgenpost.de/politik/ausland/article109366808/EU-Kommissar-gibt-Deutschen-Schuld-an-Euro-Krise.htmle

Im Klartext: Die Löhne in Deutschland sind zu niedrig. Die anderen Länder leiden, weil Deutschland zu niedrige Löhne zahlt.

Was ist daran? Ein Blick auf die ungarischen Durchschnittslöhne schafft Klarheit. Ein ungelernter Arbeiter verdient in Ungarn monatlich 290 Eur, also etwa den Verdienst von einer Woche, den ein gleichwertiger Arbeiter in Deutschland erhielte.  Ein Akademiker, der in Ungarn seine erste Stelle antritt, verdient monatlich  etwa 465 Euro, also etwa so viel, wie ein deutscher Arbeitsloser erhält. Eine Stellenbörse berichtet folgendes:

Die ungarischen Löhne werden in der hiesigen Währung Forint ausgezahlt. Die Einführung des Euro ist bis heute an der hohen Inflation und den Schulden des Landes gescheitert. Innerhalb der EU werden in Ungarn vergleichsweise niedrige Löhne ausgezahlt. Ein unqualifizierter Arbeitnehmer etwa verdient 69.000 HUF (ungarische Forint), das sind umgerechnet etwa 290 €. Absolventen einer Hochschule dagegen verdienen bereits 110.400 HUF, was in etwa 465 € entspricht.

Das Ungarische Zentralamt für Statistik für regelmäßig Erhebungen über Löhne und Gehälter aus. Sie werden daraufhin auf der Homepage http://portal.ksh.hu veröffentlicht und sind dort kostenlos einsehbar. Sowohl in ungarischer als auch in englischer Sprache können Sie sich dort aktuell informieren.

Wir folgern daraus: Eine Erhöhung des deutschen Lohnniveaus auf das 8- oder 10-fache des ungarischen Durchschnittseinkommens würde Ungarn  und anderen Niedriglohnländern in der Tat Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Tatsache ist: Deutschland hat ein weit höheres Lohnkostenniveau und ein weit höheres Sozialleistungsniveau als Ungarn.

Die von den Tarifparteien eingehaltene Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre hat zur Stärkung der Exportkonjunktur in Deutschland beigetragen, hat andererseits die Wettbewerbsfähigkleit Deutschlands auf dem Weltmarkt gestärkt.

Ich meine: Längerfristig wird und soll der Trend eher zu einer Annäherung der Löhne und Kosten in der EU hingehen – wie in anderen Binnenmärkten auch. Eine noch weitere Spreizung der Löhne zwischen Deutschland und anderen EU-Ländern, wie vom EU-Kommissar gewünscht, wäre kontraproduktiv. Denn sie würde zur Verlagerung von Arbeitsplätzen aus Deutschland in Niedriglohnländer beitragen.

 Posted by at 20:33

Sorry, the comment form is closed at this time.