Mai 102014
 

2014-04-28 20.32.35

Berliner Landespolitik besteht im wesentlichen darin, Bedarf an irgend etwas zu konstruieren und herbeizurechnen, dann Menschen zu finden, die diesen künstlich herbeigerechneten Bedarf ebenfalls empfinden, dafür dann Steuergelder anderer Bundesländer oder des Bundes in Anspruch zu nehmen und dann als Geschenke unter das dankbare Wahlvolk zu verstreuen. So läuft das seit Jahrzehnten schon, und so läuft das auch jetzt.  SPD, CDU, Linke und Grüne unterscheiden sich dabei übrigens wenig. Sie versuchen eher, sich gegenseitig durch einen Überbietungswettbewerb Wählerstimmen abspenstig zu machen. Es ist ein ziemlich verlogenes Spiel, wie ich meine, und vor allem ärgert mich, dass den Berliner Wählerinnen und Wählern ständig eingeredet wird, sie bräuchten unbedingt für dieses oder jenes Wehwehchen die Hilfe der Politik. „Wir Politiker lindern euer hartes Los, oh ihr Armen dieser Stadt!“ So das Versprechen. Ich finde das recht entwürdigend für uns Wähler.

Eines der vielen möglichen Beispiele für dieses abgekartete Spiel:  Die Berliner Wohnungsbau- und Mietenpolitik. In Brandenburg verfallen Dörfer, entvölkern sich ganze Kleinstädte, werden Schulen geschlossen. Einen derartigen Wüstungsprozess in den ostdeutschen Ländern oder „Marken“, wie man damals sagte,  bei dem die Kleindörfer zuhauf verschwanden, haben die Historiker auch bereits im 14. Jahrhundert beobachtet. Die beiden Länder Berlin und Brandenburg, die beide an hoher Arbeitslosigkeit leiden,  könnten – wenn sie denn endlich einmal zu einer Zusammenarbeit bereit wären – zu wechselseitigem Nutzen diese Wüstungsprozesse aufhalten, sie könnten gezielt Menschen und Betriebe in dieses von Ödnis bedrohte Gebiet lenken. Bessere Verkehrsanbindungen, Ansiedlung von Behörden oder Forschungs- und Bildungseinrichtungen wären erprobte Mittel dazu. Die Berliner Landespolitik hingegen befördert den Wüstungsprozess in Brandenburg, indem sie trotz hoher Arbeitslosigkeit durch mannigfache Vergünstigungen und Geschenke Menschen aus anderen Bundesländern nach Berlin lockt.

Die märkischen Dörfer und Kleinstädte sind Schmuckstücke, die es zu pflegen und zu mehren gilt. Und wenn bei hohem Leerstand die Mieten in der einen Lage anziehen, werden sie anderswo nachgeben müssen, mit all den erfreulichen Vorteilen, die fallende Mieten für junge Familien etwa bedeuten.

Durch Ferienwohnungsverbote wird in Berlin der Anschein hektischer Betriebsamkeit zum Nutzen der eingesessenen Stammbevölkerung erzeugt. Verantwortungslose Politik ist das, die Denunziantentum und soziale Spaltung fördert.

Und in Berlin wird inständig das Gespenst der Wohnungsknappheit beschworen. Politiker der maßgeblichen Parteien, namentlich der SPD und der CDU,  bringen sich in Stellung, um den zu erwartenden Geldsegen aus Wohnungsbauprogrammen auf die eigenen Felder zu lenken. Dabei haben wir im Berliner Bezirk  Reinickendorf beispielsweise aktuell einen Leerstand von 4,6 Prozent. Das sind überwiegend moderne, praktische, preiswerte Wohnungen mit herrlichem Blick ins grüne Umland.   Dorthin sollten die wohnungssuchenden Menschen ziehen.  Sie müssen es schaffen – aus eigener Kraft. Ich behaupte: Staatliche Wohnungsbauprogramme, die schuldenträchtig mit öffentlichem Geld finanziert werden, sind in Berlin überflüssig.  Dadurch werden nur politische Pfründe gemästet. Liebe Politikerinnen und Politiker! Lasst uns bitte mehr selber machen. Wir kommen schon zurecht. Wir brauchen eure schützende Hand nicht. Wir wollen nicht von Euch Politikerinnen durch Geschenke korrumpiert werden.

Wohnungen stehen an sehr vielen Stellen in den Bundesländern Brandenburg und Berlin  leer. Die warten auf Neubürger. Der staatlich begünstigte Neubau von Wohnungen ist auf absehbare Zeit in Berlin nicht nötig.

Der Gang aufs Land ist angesagt! Wie sagte doch Hölderlin:

Komm! ins Offene, Freund! zwar glänzt ein Weniges heute
Nur herunter und eng schließet der Himmel uns ein.
Weder die Berge sind noch aufgegangen des Waldes
Gipfel nach Wunsch und leer ruht von Gesange die Luft.
Trüb ists heut, es schlummern die Gäng und die Gassen und fast will
Mir es scheinen, es sei, als in der bleiernen Zeit.

Quellen:

Zum behördlichen Ferienwohnungsverbot mit nachfolgendem Denunziantentum  vgl. beispielhaft etwa: „Klingelt’s schon?“, in: Zeitung Tagesspiegel, 10. Mai 2014, S. 15

Zum Begriff des „Wüstungsprozesses“ vgl. beispielhaft etwa: „Hohes Mittelalter / Deutsche Ostkolonisation“, in: dtv Atlas Weltgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2006, S. 171

Zur hohen Leerstandsquote in Berlin und  Reinickendorf vgl. beispielhaft etwa: „Reinickendorf ist das neue Marzahn“, in: Zeitung BILD, Ausgabe Berlin, 10. Mai 2014, S. 9

Friedrich Hölderlin: Der Gang aufs Land. In: ders., Werke und Briefe. Herausgegeben von Friedrich Beißner und Jochen Schmidt. Erster Band: Gedichte. Hyperion.  Insel Verlag, Frankfurt am Main 1969, S. 109

Bild: Das Neue Kreuzberger Zentrum in Kreuzberg, Aufnahme vom 28.04.2014

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