Mrz 012015
 

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Einen vollkommen ernüchterten und gleichwohl hinreißenden Blick auf das römische Altertum warf der große deutsche Prosaschriftsteller Theodor Mommsen. Von der stillen Bewunderung, dem erhabenen Ah und Oh der Glyptotheken und der früheren Rom-Pilger war er meilenweit entfernt. Mit Blick auf das heutige Problem der überbordenden öffentlichen Verschuldung mag insbesondere folgendes feine, geradezu kupferstichartig ins Papier schraffierte Porträt des allmächtig-ohnmächtigen Diktators C. Julius Caesar (100-44 v. Chr.) eine Vorstellung von Mommsens meisterhaftem deutschem Stil bieten – wir zitieren das Prosa-Kabinettstück aus Bd. 3 der Römischen Geschichte:

„Auch er“, schreibt Mommsen und meint damit Caesar, „hatte von dem Becher des Modelebens den Schaum wie die Hefen gekostet, hatte recitirt und declamirt, auf dem Faulbett Litteratur getrieben und Verse gemacht, Liebeshändel jeder Gattung abgespielt und sich einweihen lassen in alle Rasir-, Frisir- und Manschettenmysterien der damaligen Toilettenweisheit, so wie in die noch weit geheimnißvollere Kunst immer zu borgen und nie zu bezahlen. Aber der biegsame Stahl dieser Natur widerstand selbst diesem zerfahrenen und windigen Treiben; Caesar blieb sowohl die körperliche Frische ungeschwächt wie die Spannkraft des Geistes und des Herzens.“

Man lese sich den Abschnitt ruhig einmal halblaut murmelnd vor! Das klingt und singt! Dieses Deutsch hat Biss, es tanzt, es lächelt, es hat Rhythmus und Stil, es erkennt Größe und Jämmerlichkeit in wenigen Sekunden als Nachbarn an. Man wird erkennen, dass Mommsen hier sein geistvolles Spiel mit historischer Größe treibt; seine wissenschaftliche Prosa ist mehr als nur objektivierende Wiedergabe des Geschehenen, sie ist auch und in einem damit Kunst; hier bekennt sich Geschichtswissenschaft dazu, dass sie niemals gegenständliche Wahrheit ein für allemal wird festhalten können, sondern in der Form der Darstellung, die dem Inhalt keineswegs nur äußerlich ist, eine Art Kupferstich dessen, „was gewesen ist“, oder vielmehr dessen, „wie es gewesen sein könnte“, liefert.

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig 1856, hier S. 428

Bild:
Ein klassisches Fahrrad, abgestellt auf der Großbeerenbrücke, aufgenommen heute um 13 Uhr im Kreuzberger Sprühregen

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