Jan 122017
 

Aus drei Bestandteilen – Feldspat, Quarz, Glimmer – setzt sich das Mischgestein Granit im Grundsatz zusammen. Diese ältere Einsicht gilt auch heute noch im wesentlichen.

Goethe selbst hielt den Granit bis in die 20er Jahre des 19. Jahrhunderts für das Urgestein der Erde, das unerschütterlich bis in den Erdkern hineinreiche. Allerdings wurde er nach und nach von Fachkollegen der Geologie eines besseren belehrt. Der Granit – so wissen wir heute – ist mitnichten das Urgestein der Erde, sondern selbst das Ergebnis älterer metamorpher Vorgänge in den Tiefenschichten der Erde.

Ein Blick auf „Hegels Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften“ von 1830 bietet einen späten Nachhall jener spekulativen Anstrengung, die bemüht ist, die Gesamtheit aller Erscheinungen das Alls, von der unbelebten geologischen Natur bis hin zum Geist zu durchmessen, zu durchschreiten, zu „schauen“.  Auch Hegel lässt noch die „Geologische Natur“ mit dem Granit beginnen, genauer, mit dem „granitischen Prinzip“.   Er schreibt in § 340:

Die physikalische Organisierung beginnt als unmittelbar nicht mit der einfachen, eingehüllten Form des Keimes, sondern mit einem Ausgang, der in einen gedoppelten zerfallen ist, in das konkrete granitische Prinzip, den die Dreiheit der Momente in sich schon entwickelt darstellenden Gebirgskern, und in das Kalkige, den zur Neutralität reduzierten Unterschied. Die Herausbildung der Momente des ersteren Prinzips zu Gestaltungen hat einen Stufengang, in welchem die weiteren Gebilde teils Übergänge sind, in denen das granitische Prinzip die Grundlage, nur als in sich ungleiche und unförmliche, bleibt; teils ein Auseinandertreten seiner Momente in bestimmtere Differenz und in abstraktere mineralische Momente, die Metalle und die oryktognostischen Gegenstände überhaupt, bis die Entwicklung sich in mechanischen Lagerungen und immanenter Gestaltung entbehrenden Aufschwemmungen verliert. Hiermit geht die Fortbildung des anderen, des neutralen Prinzips teils als schwächere Umbildung zur Seite, teils greifen dann beide Prinzipien in konkreszierenden Bildungen bis zur äußeren Vermischung ineinander ein.

Der Granit bzw. das granitische Prinzip steht in spekulativer Schau sowohl bei Goethe wie Hegel für eine Form der Bildung vor allem Leben, vor allem organischen Werden. Sie erblicken in ihm eine Art Urmuster des Werdens vor und über allem Lebendigen.

Nicht anders als bei den antiken Naturphilosophen, nicht anders als beim Evangelisten Johannes ist es ihr oberstes Ziel, eine das gesamte All, die gesamte Geschichte durchherrschende prinzipielle Einheit herauszuarbeiten, eine Theorie von allem, – eine Art Weltformel. Und genau daran arbeiten auch heute noch einige Astrophysiker wie etwa Stephen Hawking, aber auch einige Atomphysiker.

Und heute? Was wissen wir heute über den innersten Kern der Erde? Was ist noch dran an jenen naturphilosophischen Grundannahmen über den Granit?

Heute geht die Geophysik davon aus, dass der Erdkern zu etwa 85% aus Eisen (Fe) und zu etwa 10% aus Nickel (Ni) bestehe. Die verbleibenden 5% gelten als nicht endgültig geklärt. Doch hat sich eine japanische Forschergruppe in diesen Tagen mit der Hypothese an die Öffentlichkeit gewandt, es müsse sich dabei um Silicium (Si) handeln; Silicium wiederum ist im Granit reichlich vertreten! Quarz etwa ist reines Siliciumdioxid, mit Metallen bildet Silicium zahlreiche Gesteine aus; so sind auch Glimmer und Feldspat, die beiden anderen Hauptbestandteile des Granits, silicathaltige Gesteine!

Die Naturwissenschaftler zu Goethes und Hegels Zeiten lagen also nicht völlig falsch, wenn sie annahmen, dass der Granit bis in den Erdkern hineinreiche. Silicium, das zweithäufigste Element in der Erdkruste, scheint tatsächlich eine Art Bildungsgeschichte der Erde zu speichern, es kann wie der Granit auch in seinen mannigfaltigen Verbindungen mit Fug und Recht als eine Art „Archiv“ der Erdentstehung gelesen werden.

http://www.sciencealert.com/scientists-may-have-uncovered-the-missing-element-inside-earth-s-core

Bild:

Granitblöcke am Einstieg zu den Schnarcherklippen, von Goethe beim Aufstieg in die Walpurgisnacht seines „Fausts“ verewigt (es könnte genau hier gewesen sein!):
In die Traum- und Zaubersphäre
Sind wir, scheint es, eingegangen.
Führ uns gut und mach dir Ehre
Daß wir vorwärts bald gelangen
In den weiten, öden Räumen!
Seh‘ die Bäume hinter Bäumen,
Wie sie schnell vorüberrücken,
Und die Klippen, die sich bücken,
Und die langen Felsennasen,
Wie sie schnarchen, wie sie blasen!

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