Jan 072016
 

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Fragt man einen Menschen auf der Straße nach dem „größten deutschen Dichter“, so werden die meisten wohl den Namen Goethes nennen. „Und was wissen Sie sonst noch von ihm, außer der Tatsache, dass er als der größte deutsche Dichter gilt?“ Hier werden die Antworten schon spärlicher ausfallen, der eine oder andere wird sich noch dunkel an das eine oder andere Verslein erinnern, etwa passend zum derzeitigen Wetter:

„Ein großer Teich war zugefroren,
Die Fröschlein in der Tiefe verloren …“

Ansonsten kann man sich heute felsenfest darauf verlassen, dass die Deutschen im allgemeinen wenig oder nichts mehr vom sogenannten größten deutschen Dichter wissen, kennen oder auch nur wissen wollen. Aus dem Geheimen Rat Goethe ist somit ein Geheimer Unrat Goethe geworden, so wie aus Prof. Dr. Immanuel Rath im Blauen Engel der Professor Unrat ward. Weniger geheim ist der Unrath Goethe allerdings in dem Un-Denkmal, das das Goethe-Institut Prag am Masaryk-Ufer in Prag errichten ließ. Dort suhlt er sich inmitten verkohlter Bücher, ausgemusterter CD-Rohlinge und sonstigen Mülls.

Die Verhunzung, Beleidigung oder Verunstaltung Goethes – und damit wohl auch Deutschlands – ist ein offiziöser deutscher Volkssport geworden. Die wenigen Goethe-Aufführungen, denen ich in letzter Zeit an staatsfinanzierten Bühnen beizuwohnen Gelegenheit hatte, beweisen dies sinnfällig. Aber nicht nur der Geheime Unrath Goethe ist betroffen. Eine Reise nach Hannover, wo derzeit an der Staatsoper Carl Maria von Webers „Freischütz“ durch eine vor den Augen des Publikums inszenierte Penis-Amputation, eine Kastration also geadelt wird, glaube ich mir ersparen zu können. Kastration, Selbstmord, Volksverhetzung, Vermüllung, drunter machen sie’s offenbar nicht mehr. Gut und löblich bleibt hervorzuheben, dass in Hannover eine Altersempfehlung „ab 16 Jahre“ ausgesprochen wurde! Wie schlimm wäre dies auch, wenn die Hannoversche Jugend schon vor dem 16. Lebensjahr mit Carl Maria von Webers großartiger Oper von 1822 in Berührung käme! Ihhh!

Mit Goethe, mit Webers Freischütz versucht das offiziöse, staatstragende Deutschland nunmehr offenbar auch das Deutsche schlechthin, die deutsche Sprache schlechthin madig zu machen, endgültig zu entwerten. Wie anders wäre es zu erklären, dass in der deutschen Hauptstadt Berlin über Jahre hinweg – bis vor wenigen Monaten noch habe ich das mit eigenen Augen gesehen und fotografiert – der Schriftzug „Deutschland verrecke“ in diesen Tagen, diesen Jahren auf einem Friedrichshainer Hausdach deutlich zu lesen war? Kein anderes Land der Erde würde eine derartige Volksverhetzung gegen das eigene Volk, gegen den eigenen Staat seelenruhig sichtbar stehen lassen!

Denn wer in sich selbst das Deutsche so haßt, wer sich selbst so haßt, wie das die zweifellos deutschen Verfasser des Schriftzuges an der Revaler Straße tun, der wird mit der größten Seelenruhe seinen Haß auch gegen andere Menschen, gegen andere Völker richten, und umgekehrt: Aus einem Massenmörder kann in größter Bedrängnis jederzeit ein Selbstmörder werden. Und wer sich selbst total entwertet und mörderisch hasst, der wird immer in Versuchung stehen, andere Menschen an seiner Statt zu entwerten und zu ermorden, um den Haß vom eigenen Selbst abzulenken.

Die Objekte des Hasses sind austauschbar. So erkannte es völlig zu recht der große Amateur-Archäologe des klassischen Altertums, der Tiefseeforscher der menschlichen Psyche, der österreichische, deutschsprachige Wiener Arzt mit dem typisch deutschen Vornamen Sigmund: Sigmund Freud.

Die kaum verhüllte Selbst-Psychoanalyse des Selbstmörders, dessen millionenfach verschenkte und gekaufte Autobiographie morgen – wissenschaftlich kommentiert – erneut auf den Markt geworfen wird, wird Freuds Erkenntnisse erneut bestätigen. Ein Buch, das zweifellos neben der überraschend aufschlussreichen Selbst-Psychoanalyse des österreichischen Verfassers viele Einsichten in die Gefühlslage und die machtpolitischen Verhältnisse Österreichs und Europas nach dem Ersten Weltkrieg ermöglicht und das aus diesem Grunde für Historiker und Politologen einen kaum zu überschätzenden Erkenntniswert bereithält. Vor allem aber ist dieses Buch, in den Worten des Historikers Christian Hartmann, des Chefkommentators von Adolf Hitlers Mein Kampf, „ein Entwicklungsroman, bei dem die Liebe fehlt!“

Und so mag denn am Ende dieser heutigen Betrachtung genau dieses Wort des Historikers Christian Hartmann von der „fehlenden Liebe“ im Leben stehen. Die Antwort auf den Haß kann, soll und darf, so meine ich, nicht der Haß auf den Hassenden sein. Die Antwort auf den Selbsthaß und die Selbst-Verhetzung der heutigen deutschen Deutschlandhasser darf nicht die Entwertung oder Abschaffung der deutschsprachigen Kultur oder des Deutschtums schlechthin sein, sondern die stärkere Gegenmacht des Erbarmens und der Liebe gegenüber allen Lebenden und Überlebenden.

Also denn, Freunde, nichts für ungut. Oder, wie der Jude seit Ewigkeiten sagt: לחיים – auf das Leben!

Zitatnachweis für Christian Hartmann:
Süddeutsche Zeitung, 4. Januar 2016, Seite 4

Bild: am Geburtshaus Marlene Dietrichs, Berlin, Aufnahme vom 06.01.2016

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„Sie trennen mich, und richten mich zu Grunde“, oder: Goethe. Ein Kippbild

 Antideutsche Ideologie, Goethe, Kanon, Leitkulturen, Selbsthaß, Was ist deutsch?  Kommentare deaktiviert für „Sie trennen mich, und richten mich zu Grunde“, oder: Goethe. Ein Kippbild
Dez 212015
 

Einen besonders schlagenden Beweis für den offiziösen, also gewissermaßen amtlichen, furiosen Selbsthaß (odium sui) der heutigen Deutschen für alles, was auch nur im entferntesten als „deutsche Kultur“ wahrgenommen werden könnte, liefert der Umgang des Prager Goethe-Instituts mit dem Sockel der Goethe-Büste, welche bis 1945 im böhmischen Karlovy Vary (Karlsbad) stand. Die Büste wurde 1945 in den Wald verschleppt, der Sockel stand herrenlos umher. Das Goethe-Institut, das vertraglich mit dem Außenministerium verbundene Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland, beauftragte einen zeitgenössischen Künstler, Jiří David, eine Art Anti-Denkmal für den verwaisten Sockel Goethes zu schaffen. Ausgestellt werden sollte das Denkmal auf dem Masaryk-Platz in Prag. Zu sehen ist nunmehr (oder war bis zur Entfernung des Denkmals vorübergehend) eine mit Schrott befüllte, aufrecht stehende Schubkarre, die an Stelle Goethes getreten war; doch wie durch ein Wunder fiel der Schrott nicht zu Boden, sondern verharrte als Denkmal seiner eigenen Müllhaftigkeit an seinem Ort.

Dazu lesen wir in einer tschechischen Internet-Seite, die dankenswerterweise auch das Denkmal bildlich darstellt:

Na Masarykově nábřeží v Praze byl vpodvečer odhalen netradiční pomník německého básníka Johanna Wolfganga Goetha.
Skládá se z historického podstavce, který výtvarník Jiří David doplnil stavebním kolečkem naloženým sutí, v níž jsou zabořeny Goethovy knihy, ohořelé fragmenty malířského plátna, nedopalky cigaret, zlatá platební karta Master, tištěné noviny či fragmenty computeru.

Zdroj: http://www.lidovky.cz/jiri-david-odhaluje-novy-objekt-ne-pomnik-j-w-goethe-fxs-/kultura.aspx?c=A151002_155432_ln_kultura_ele

Sollte man also Goethe – dem Beispiel des Goethe-Instituts folgend – gleich auf den Müll auskippen, Goethe in Deutschland verbieten oder Goethe in Deutschland ignorieren? Letzteres scheint an deutschen Schulen überwiegend der Fall zu sein. Bei einem Literaturfestival sprach ich kürzlich mit einer aus Osteuropa nach Deutschland zugewanderten Literaturliebhaberin, deren Tochter die Segnungen des deutschen Deutschunterrichtes an einem deutschen Gymnasium über sich ergehen lassen durfte. Wir sprachen über den Rang und Wert der Literatur für die Herausbildung einer Persönlichkeit. Und was muss ich da hören? „Meine Tochter hat ein sehr gutes Abitur in Deutschland abgelegt, ohne in ihrer ganzen Schulzeit auch nur eine einzige Zeile von Goethe gelesen zu haben!“

Das ist beileibe keine Einzelstimme! Das Goethe-Institut Prag hatte also recht! Mit der Goetheschen Verschrottungsaktion warf es ein Schlaglicht auf den Umgang der heutigen deutschen Kulturnation mit all dem, was den Deutschen einst lieb und teuer war, was übrigens auch im Ausland von China über Russland bis USA, von Indonesien bis Ägypten den einen oder anderen Fan hatte und unvermindert hat. Neben Goethe sind dies beispielsweise Immanuel Kant, Thomas Mann, Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethoven, Albrecht Dürer, Wolfgang Amadeus Mozart, Albert Einstein, Sigmund Freud, Franz Kafka, Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Musik, Kunst, Philosophie, Wissenschaften, das waren Felder, auf denen in deutscher Sprache erzogene Menschen in deutscher Sprache Wesentliches beigesteuert haben. Muss man denn wirklich die deutsche Sprache so in Dreck treten, wie es das Goethe-Institut Prag getan hat?

Um Missverständnissen vorzubeugen: Die genannten Persönlichkeiten waren keineswegs deutschnational eingestellt, sie empfanden sich ganz eindeutig nicht einmal in erster Linie als „Deutsche“, sondern eher als „musikalischer Genius“ wie Beethoven, „gränzenloser Künstler“ wie im Falle Goethes, „gläubiger Christenmensch“ wie etwa im Fall Bachs, „Philosoph des Weltgeistes“ wie Hegel, „Philosoph der menschlichen Vernunft“ wie Kant, „Archäologe der menschlichen Psyche“ wie Freud.

Aber sie sind doch so nur denkbar, sie konnten so nur entstehen unter den besonderen Bedingungen des deutschsprachigen Kulturraumes, der politisch ein buntscheckiger Flickenteppich war, aber kulturell vorrangig in deutscher Sprache sich entfaltete, von deutscher Sprache überhaupt nicht zu trennen ist, sich vielfältig verästelt mit europäischen Kulturen vernetzt hat und überhaupt eine gute, gangbare Alternative sowohl zu früherer nationalistischer Überheblichkeit wie auch zu heutiger antideutscher würdeloser Selbstzertrümmerung darstellt.

Dem Goethe-Institut Prag ist zu danken, dass es ein so scharfes Schlaglicht auf den krankhaften, typisch deutschen Hang zur Selbstentwürdigung geworfen hat, ja ihn bis ins äußerste, absurde Extrem durchexerziert und durchfinanziert hat.

Den mitunter suizidalen deutschen Selbsthaß, das offiziöse odium sui germanicum, schätze ich, nebenbei bemerkt, als sehr gefährlich ein. Wer sich selbst so runtermacht, so würdelos in den Staub wirft, wie das die Deutschen ganz amtlich und rituell gerne tun, der kann auch keine Achtung für andere Nationen empfinden, seien es nun die Tschechen, die Polen, die Ungarn, die Israelis, die Franzosen oder die Russen.

Ohne Selbstachtung keine Achtung des Anderen, ohne Selbstliebe keine Nachbarliebe oder „Nächstenliebe“!

Wer sich selbst – wie allzu oft die Bundesrepublik Deutschland dies als Kulturnation tut, wie dies allzu viele deutsche Intellektuelle tun – würdelos behandelt, wird anderen Nationen auch nicht mit Anstand und Würde begegnen können. Darin liegt eine echte Gefahr für das Haus Europa.

Goethe, ein von Deutschland vergeßner, mißachteter, ausgekippter Dichter hat diese Gefahr der Selbstentzweiung, ja der Zerstörung alles Wertvollen bei seinen Aufenthalten in den böhmischen Bädern Marienbad und Karlsbad sehr hellsichtig erkannt. Er schrieb in seiner Marienbader Elegie zu diesem Thema:

Mir ist das All, ich bin mir selbst verloren,
Der ich noch erst den Göttern Liebling war;
Sie prüften mich, verliehen mir Pandoren,
So reich an Gütern, reicher an Gefahr;
Sie drängten mich zum gabeseligen Munde,
Sie trennen mich, und richten mich zu Grunde.

Quellenangabe:
Johann Wolfgang Goethe. Gedichte 1800-1832. Herausgegeben von Karl Eibl. Sonderausgabe zu Johann Wolfgang Goethes 250. Geburtstag. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 1998, hier S. 462; ferner hierzu der aufschlußreiche Kommentar im selben Band, S. 1057

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Schuld, die nie vergehen wird, oder: odium sui rimanebit in saecula saeculorum

 31. Oktober 1517, Antideutsche Ideologie, Das Böse, Deutschstunde, Einzigartigkeiten, Gedächtniskultur, Selbsthaß  Kommentare deaktiviert für Schuld, die nie vergehen wird, oder: odium sui rimanebit in saecula saeculorum
Dez 122015
 

Am vergangenen Samstag wurde in der Staatsbibliothek zu Berlin für einen Tag lang ein originaler Erstdruck der berühmten 95 Thesen Martin Luthers ausgestellt. Ich eilte hin, las, staunte, sah und schreibe nun diese nachfolgenden Betrachtungen 7 Tage danach nieder. Das Foto habe ich mit Erlaubnis der Saalaufsicht vor einer Woche aufgenommen.

Luthers Thesen 20151205_145818

Das Bewusstsein ewiger, unverzeihlicher, unauslöschlicher Schuld, an dem so viele Menschen leiden, führt unweigerlich zum odium sui, zum Selbsthass, wie das Martin Luther 1517 an prominenter Stelle genannt hat. In der vierten seiner Wittenberger Thesen schreibt er:

„Manet itaque pena, donec manet odium sui (id est penitentia Vera intus), scilicet usque ad introitum regni celorum.“

„Die Strafe bleibt also, solange der Selbsthass bleibt (d.h. die wahre Buße im Innern), nämlich bis zum Eintritt des Himmelreiches.“

Ewige Strafe, ewige Pein, ewige Schuld wird in deutschen Landen weitergereicht von Vätern auf Söhne, auf Enkel, auf Urenkel – usque ad introitum regni celorum.

Dieser Selbsthass ist in deutschen Landen bis zum heutigen Tage ein guter, ein geförderter Zustand. „In mir ist nichts Gutes.“ Da man nicht an die verzeihende, versöhnende Kraft des Wortes glaubt, vergräbt man sich in einen Kerker aus Schuldbewusstsein, Schwermut und Selbsthass.

Ein Beleg für den typisch deutschen Selbsthass? Hier kommt er, stellvertretend für viele:

„Und dann gibt es noch die unauslöschliche Großschuld, die Deutschland von 1914 bis 1945 auf sich geladen hat. Die Schuld an zwei Kriegen, die Schuld an Millionen Toten auf Schlachtfeldern und in Konzentrationslagern. Das ist eine Schuld, die nicht vergehen wird, an der es nichts zu rütteln gibt, von der die Zeit nichts abschleift.“

So schreibt es Christoph Schwennicke, Chefredakteur der Zeitschrift Cicero, am 3. März 2015.

Zu Hunderten findet man Derartiges in den meinungsbildenden Reden, Schriften und Kommentaren: diese Berufung auf die deutsche Großschuld, die alles andere überragende, in alle Ewigkeiten fortdauernde, alleinige Schuldigkeit Deutschlands für die beiden Weltkriege und die Massenmorde an Zivilisten in den Jahren 1914-1945.

Alle Völker Europas, insbesondere die Deutschen selbst, bekennen sich stolz und voller Sündengewissheit zu den deutschen Verbrechen, an denen sie allein, die Deutschen, bis in alle Ewigkeiten tragen werden, – du, ich, wir Deutschen alle. Diese deutsche Ur-, Erb- und Großschuld ist gewissermaßen das alles andere überschreibende Erbgut, durch das alles andere – auch alles Gute – überlagert wird.

Mit einem wahren furor teutonicus spürten und spüren deutsche Schriftsteller, deutsche Großintellektuelle diesen verbrecherischen Grundcharakter eines ganzen Volkes wieder und wieder auf, ergötzen sich daran, weiden sich daran.

Schon das kleinste Abweichen von dieser dauernden Selbstzerknischung wird als nationalistisches Gehabe rabiat unterdrückt. Wer erinnert sich nicht daran, wie der damalige CDU-Generalsekretär Herrmann Gröhe am Abend des Wahlsieges ein Fähnchen der Bundesrepublik Deutschland schwenkte und sofort von seiner Herrin sanft, aber nachdrücklich abgestraft wurde?

In der Tat: Das Schwenken eines kleinen Fähnchens der Bundesrepublik Deutschland gilt bereits als unschicklich, als frevelhafter Verstoß gegen die guten Sitten! Und die Franzosen versinken derzeit im nationalen Fahnenmeer so sehr, dass an den Kiosken kaum mehr Trikoloren zu kaufen sind! Russen, US-Amerikaner, Türken, Polen, Dänen, Schweden, Finnen und und und lassen stolz und fröhlich ihre Fahnen flattern, ohne doch zu leugnen, dass ihre leiblichen Vorfahren auch einiges auf dem Kerbholz haben. Das symbolische Bekenntnis zum eigenen Staat, zum eigenen Staatsvolk gilt dort nicht als Sünde.

Das in Deutschland immer noch anzutreffende, im Kern reinrassig völkische Denken, wonach Völker, hier also die Deutschen, zeitenüberdauernd an allem schuldig sind und schuldig bleiben, was ihre biologischen Vorfahren und Urahnen in vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten getan haben, feiert in unseren Jahren fröhliche Urständ. „Nie mehr Deutschland, nie mehr Krieg!“ – mit dieser teutonisch-furiosen Losung sprengten junge Deutsche eine Veranstaltung des Verteidigungsministers de Maizière an der Humboldt-Universität.

Davon ganz abgesehen, dass dieses biologistisch-völkische Denken, wonach die Nachfahren die Schuld der leiblichen Vorfahren erben, kaum von allen Menschen geteilt wird, bestehen aus der Sicht historischer Forschung erhebliche Zweifel an der immer wieder von historischen Laien vorgetragenen Behauptung, Deutschland und nur Deutschland trage die Alleinschuld an den beiden Weltkriegen und an allen Genoziden in den Jahren 1914-1945. Vermutlich ist diese Behauptung sogar falsch.

Schuld, die nicht vergehen kann! Es ist, als hörte man das deutsche Gewissen pochen und klagen: „In mir (in mir, dem deutschen Volk) ist nichts Gutes, das neben der deutschen Großschuld Bestand hätte.“ Oder auch: „Meine Sünde ist grösser / denn das sie mir vergeben werden müge.“ So übersetzte Luther die Selbstbezichtigung Kains im 1. Buch Mose (4,13).

Und was wir heute mehr denn je in Deutschland erleben, ist eine fortwährende Selbstbezichtigung Deutschlands als des Kainsvolkes unter den Völkern Europas.

Not tut jetzt eine Art Rückbesinnung auf den personalen Begriff der Schuld, wie ihn beispielsweise das Strafrecht lehrt: Jeder Mensch trägt nur für eigene Vergehen, für eigene Verbrechen Schuld. Es gibt keine generationenübergreifende Sippenhaftung oder gar so etwas wie Volksschuld.

http://www.rp-online.de/politik/deutschland/kolumnen/berliner-republik/deutschland-ist-nicht-an-allem-schuld-aid-1.4916046

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Okt 312015
 

Eine Riesendebatte hatte, wie mir Bürger der wunderschönen lippischen Stadt erzählten, das reizvolle Blomberg erschüttert: Sollte der Hindenburgplatz umbenannt werden? Hatte Reichspräsident Hindenburg nicht als Steigbügelhalter und Wegbereiter Hitlers gedient?

Nun, ganz so war es nicht. Hindenburg war zwar sicher kein Anhänger der parlamentarischen Demokratie; er versuchte aber auch jahrelang, den berüchtigten „österreichischen Gefreiten“, mit seinen paramilitärischen Horden, von der Regierung fernzuhalten. Hindenburg wollte eine Art autoritäre, zentralistische Staatsführung, eine echte Präsidialverfassung mit Tolerierung durch den Reichstag. Heinrich August Winkler sagt, Hindenburg und seine Umgebung strebten einen „stillen Verfassungswandel“ an. Und das scheint mir eine sehr treffende Formulierung!

Die Blomberger haben sich für die Formulierung entschieden, Hindenburg habe die NS-Machtübernahme „aktiv unterstützt“, und sie haben die Umbenennung nach ausführlicher Debatte durchgesetzt. Der frühere Hindenburgplatz heißt nun „Am Martinsturm“. Dagegen habe ich nichts einzuwenden.

Sie, die Blomberger – oder irgendein Blomberger – sind aber noch ein paar Schritte weitergegangen, denn sie haben das Adjektiv „deutsch“ aus dem Denkmal zur Erinnerung an den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 am ehemaligen Hindenburgplatz, dem jetzigen Platz „Am Martinsturm“ weggehämmert. Nur noch mit dem Fingern lässt sich das ehemalige Adjektiv „deutsch“ ertasten. Wo jetzt nichts mehr ist, stand einmal „deutsch“. Eine echte Gedächtnisauslöschung des Deutschen. Id est vere damnatio memoriae nationis germanicae! So machten es schon die Pharaonen und die Cäsaren der Antike! Was ihnen nicht mehr in den Kram passte, wurde vom neuen Herrscher aus den Stelen und Säulen weggehackt.

Und mit dem Weghacken des Deutschen aus der deutschen Geschichte, wie es hier durch die Denkmalshacker in Blomberg oder auch anderswo vorexerziert wird, hätte Hitler postum sein finales Ziel erreicht: die Vernichtung des deutschen Volkes. Denn Hitler war der Meinung: „If one day the German nation is no longer sufficiently strong or sufficiently ready for sacrifice to stake its blood for its existence, then let it perish and be annihilated…“ (Bemerkung vom 27.11.1941). Die antideutsche Ideologie der Jetztzeit („Nie wieder Deutschland, nie wieder Krieg!“) erweist sich einmal mehr als reinrassige Testamentsvollstreckerin Hitlers.

Belege:
H. A. Winkler, Der lange Weg nach Westen. Deutsche Geschichte 1806-1933. Bonn 2002, S. 489
Zweites Zitat (Hitler) hier in Übersetzung wiedergegeben nach: Martin Amis, The Zone of Interest, Verlag Jonathan Cape, London 2014, S. 307

Foto: das Kriegsdenkmal für den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 im lippischen Blomberg, Aufnahme vom 24.10.2015Damnatio 20151024_092415

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Apr 042015
 

Die gegenwärtige Passionszeit bringt eine erhöhte Häufigkeit an theologischen, pseudotheologischen und kryptotheologischen Aussagen an den unvermutetsten Stellen mit sich. Was Nietzsche seinerzeit einem Hegel, einem Schelling vorwarf, dass sie nämlich keine echten Philosophen, sondern eigentlich „noch“ Theologen oder nur „Halbpriester“ seien, – was freilich Hegel und Schelling nicht als Vorwurf verstanden hätten, – das gilt in noch stärkerem Maße mitunter von den heutigen Historikern.

Was soll man etwa von folgendem Satz halten:
Nazi-Deutschland war tatsächlich die Inkarnation des Bösen.

Ich meine: Dies ist ein rein theologischer Glaubenssatz, der nur vor dem Hintergrund des Johannes-Evangeliums sinnvoll zu verstehen ist (Joh 1,14). So wie in Jesus Christus Gott Fleisch geworden ist, also inkarniert ward, so ward in Deutschland und nur in Deutschland das absolute Böse inkarniert, also „eingekörpert“. Das ist der Dreh- und Angelpunkt so mancher Debatte, die sich damit von jeder Wissenschaftlichkeit entfernt. In solchen Sätzen entspringt die negative antideutsche Ideologie, die Germanophobie, die gerade in diesen Tagen wieder lebhaft beschworen wird.

„Nazi-Deutschland war tatsächlich die Inkarnation des Bösen.“ Mit diesem „Credo in unum malum“ wurde jüngst ein namhafter, bestens ausgewiesener Neuzeit-Historiker von der Universität Freiburg zitiert (SZ, 20.03.2015). Hat er es wirklich so gesagt? Dies zu glauben fällt allerdings schwer. Aber der Satz wird ihm so zugeschrieben.

Wie auch immer: Es wimmelt in den zeitgeschichtlichen und politischen Debatten von derartigen Glaubenssätzen, es werden auf Schritt und Tritt Frageverbote, Tabus und Anathemata aufgestellt, es werden Bannflüche gegen Häretiker und Zweifler erlassen und Einzigartigkeitsthesen in den Raum gestellt, wie sie zu gottgläubigen Zeiten allenfalls an den theologischen Fakultäten noch denkbar waren.

Der deutsche Historikerstreit der Jahre 1986/1987 etwa, der ja um den Begriff der Einzigartigkeit kreiste, war im Grunde eine Art kryptotheologischer Debattierklub, bei dem umfassende Quellenaufarbeitung, vorurteilslose Beiziehung aller verfügbaren historischen Zeugnisse in den 10 oder 12 wichtigsten europäischen Sprachen (darunter auch Italienisch, darunter auch Russisch) fast keine Rolle spielten. Eine wissenschaftliche Bankrotterklärung. Ein Verzicht des historischen Begreifens auf jede Historisierung, ein Verzicht auf Motivationsforschung! Und dafür, für diese Selbstaufgabe der Wissenschaft, kann man bis in unsere Tage wahrlich zahllose Beispiele anbringen.

Wie steht es nun mit der logischen bzw. theo-logischen Kategorie der Einzigartigkeit? Das Eine, das Einzige, gibt es das? Falls ja, welche Aussagen kann man über das Eine sinnvollerweise machen? Ein uraltes philosophisches Problem, das Platon in seinem „Parmenides“ in vortrefflicher, später nicht mehr oder allenfalls bei Hegel erreichter Komplexität durchdenkt und in letztlich nicht auflösbare begriffliche Aporien hineinführt.

Der nicht logische, sondern theo-logische Ausweg aus diesen Aporien, den die berühmten drei monotheistischen Religionen suchten, lautete in etwa: „Es gibt nur eine einzige einzigartige Wesenheit – wir nennen diese singuläre Wesenheit Gott.“ Es gibt nur einen Gott. Ein Gott! Und wenn es nur Einen Gott gibt, so gibt es in der Zeitgeschichte nur Einen Teufel – eben Nazi-Deutschland. So einfach ist das. Sancta Simplicitas! Man kann es aus lauter Verzweiflung nur noch ins Lateinische übersetzen, um sich den versteckten theologischen Hintergrund der aktuellen zeitgeschichtlichen Debatten verständlich zu machen: „Germania nationalis-socialista vere incarnatio diaboli erat.“

Deutschland als Inkarnation des Bösen! Das ist natürlich keine Theologie, keine Historie, es ist keine Wissenschaft, sondern … es ist ein unbeweisbarer und auch unwiderlegbarer Glaube an das absolute Böse, das in Deutschland Fleisch geworden sein und unter uns gewohnt haben soll.

Quelle:
Johannes Wilms: Krieger, Sieger und Besiegte. Elmau, die Tagung: Historiker untersuchen Europas gefährdeten Frieden [=Tagungsbericht zur Elmauer Tagung „A peace to end all peace“]. Süddeutsche Zeitung, 20. März 2015, S. 12

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Jul 182014
 

Der seit 22. Februar 2014 amtierende italienische Ministerpräsident Matteo Renzi verwahrt sich gegen Belehrungsversuche des Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann mit den Worten: „L’Europa non appartiene ai tedeschi –  Europa gehört nicht den Deutschen“.  So zitiert ihn heute, am 18.07.2014,  die angesehene italienische Tageszeitung La Repubblica auf S. 15.

Zugleich wird eine Steuergutschrift von 80.- Euro für Bezieher niedriger Einkommen in Italien durch den Wirtschaftsminister Carlo Padoan  als dauerhafte „strukturelle Maßnahme“ erklärt – „dando maggiore certezza ai cittadini“.

Die Entlastung von 80.- für Steuerzahler soll den erhofften Wirtschaftsaufschwung befördern – und zugleich sagen die neuesten Vorhersagen der italienischen  Wirtschaftsinstitute ein Wachstum von nur 0,0 – 0,5% voraus (La Repubblica heute, S. 14).  Viel zu wenig, um die lastende Staatsschuld Italiens zurückzufahren oder die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen!

Vor wenigen Tagen forderte der frühere Bundespräsident und habilitierte Staatsrechtler Roman Herzog „Abwehrrechte“ der Mitgliedsstaaten gegenüber der Europäischen Union. Er artikuliert damit ein tiefes Misstrauen gegenüber den EU-Institutionen, die sich immer mehr in die verfassungsrechtlich geschützten Belange der Mitgliedsstaaten einmischen. Dazu passt, dass neuerdings die EU-Kommission ganz offen und trockenen Auges als „mächtige europäische Gesetzgebungsbehörde“ bezeichnet wird, so etwa in der Süddeutschen Zeitung vom 16. Juli 2014 auf S. 1.  Eine Behörde als gesetzgebende Gewalt – unerhört! Bedenklich: eine mächtige Behörde, die stillschweigend zur einflussreichsten legislativen Gewalt der EU-Mitgliedsstaaten geworden ist!

Eine Behörde, die an die Stelle der herkömmlichen legislativen Gewalt, nämlich der Parlamente getreten ist! Hier stellt sich in aller Dringlichkeit die Frage nach der verfassungsrechtlichen Legitimität der gesamten EU. Hier stellt sich die brennende Frage, ob Europarecht Bundesrecht bricht, und ob nicht schleichend die verfassungsmäßige Ordnung des Grundgesetzes in eine Art EU-Superstaat überführt wird, der von einer Behörde geführt wird, die zugleich legislative und exekutive Befugnisse hat.  Ein beispielloser Vorgang in der Geschichte der europäischen Verfassungen! Was wohl Montesquieu dazu sagen würde? Ich glaube, er würde sich im Grabe umdrehen. Das Zusammenfallen von legislativer und exekutiver Gewalt, wie es die EU-Kommission verkörpert, wäre für ihn das Ende der Freiheit. Er schreibt in Band 1 seines Geistes der Gesetze: „Lorsque, dans la même personne ou dans le même Corps de magistrature, la puissance législative est réunie à la puissance exécutrice, il n’y a point de liberté“, also zu deutsch etwa: „Wenn in derselben Person oder derselben Behörde die gesetzgebende mit der ausführenden Gewalt vereinigt ist, gibt es keine Freiheit.“

Ich denke, sowohl Matteo Renzi als auch Roman Herzog verdienen Gehör. Sie drücken für alle fassbar aus, dass das ganze Gefüge der EU in eine strukturelle Schieflage geraten ist. Man sollte sie nicht vorschnell als Europafeinde abkanzeln. Sie legen den Finger auf die Wunde: Die Staaten bzw. die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten haben offenkundig nicht mehr das Gefühl, Herr im eigenen Haus zu sein. Es droht unter dem jetzigen EU-Regime nichts Geringeres als das Ende der politischen Freiheit in den Mitgliedsstaaten.

Und wir einfachen europäischen Bürgerinnen und Bürger ohne politischen Einfluss und ohne politisches Amt? Wir haben mehrheitlich zunehmend das Gefühl, dass da eine europäische Maschinerie ohne ausreichende Legitimität über unsere Köpfe hinweg unser Schicksal bestimmt, dass sich also eine Art EU-Fürstenherrschaft etabliert hat – wobei die Steuerleute, die europäischen Fürsten in der Maschinerie selber uneinig sind, weil das EU-Regelwerk sie immer wieder in nahezu unauflösbare Zielkonflikte stürzt.

Einer dieser Zielkonflikte, aber bei weitem nicht der einzige, ist die absolute Vorrangstellung der Stabilität des Euro gegenüber allen anderen Zielen der Wirtschaftspolitik – also etwa gegenüber dem Ziel der Vollbeschäftigung oder des Wirtschaftswachstums.

Ich werte sowohl Renzis Protest gegen die – wohl eher so wahrgenommene als echte – deutsche Bevormundung als auch Herzogs Mahnruf gegen die Selbstherrlichkeit der EU-Institutionen als deutliche Signale eines tiefen Unbehagens gegenüber der gesamten Europäischen Union in ihrer jetzigen Verfasstheit.

Quellen:

Daniel Brössler und Cerstin Gammelin: „Juncker startet machtbewusst“, Süddeutsche Zeitung, 16. Juli 2014, Seite 1
Roberto Petrini: „Allarme Padoan: la ripresa stenta“, La Repubblica, 18 luglio 2014, Seite 14
Andrea Tarquini: „La Ue chiede più riforme non meno regole ma noi tedeschi ci fidiamo delle promesse di Roma“, Intervista con Wolfgang Schäuble, La Repubblica, 18 luglio 2014, Seite 15

http://fr.wikisource.org/wiki/Page:Montesquieu_-_Esprit_des_Lois_-_Tome_1.djvu/318

 Posted by at 19:07
Mai 122014
 

Die nachstehenden Erwägungen fassen waschzettelhaft, grob und ungenau zahllose Beobachtungen und Bemerkungen zusammen, die ich in über 15 Jahren in Russland, in Deutschland, in anderen Ländern, in hunderten von Begegnungen und Gesprächen mit ganz unterschiedlichen Menschen, in Tausenden von Büchern, Aufsätzen, Blogs usw. destillieren konnte. Sie sind sicherlich nicht wissenschaftlich exakt, aber sie versuchen, eine Bewusstseinslage zu erfassen, wie sie derzeit wohl das Handeln und Fühlen vieler Menschen in Russland, in der Ukraine, in Deutschland und in den EU-Ländern bestimmen dürfte.

Als „zerschmettert“ hat die Schauspielerin Katja Riemann vor wenigen Tagen zu recht die Identität Deutschlands bezeichnet. Die 12 Jahre der nationalsozialistischen Terrorherrschaft werden heute von der Mehrheit der Deutschen als Bruch, als Störung, ja oft auch als Zerstörung der etwa 1100 Jahre deutscher Geschichte gesehen. „Deutsche Geschichte“ kann man mit Fug und Recht etwa mit Ottos I. Kaiserkrönung, also mit dem Jahr 962 beginnen lassen. Deutsche Geschichte endet nach dieser „Zerschmetterungstheorie“ endgültig  um das Jahr 1933.

Sehr viele Deutsche schämen sich wegen 1933-1945 dafür, Deutsche zu sein. Sie wollen mit Goethe, Luther, Bach, Kant, mit deutscher Musik, mit deutscher Sprache, mit deutschen Volksliedern, mit dem Muttertag, mit den deutschen Vätern und Großvätern, mit einem deutschen Nationalstaat, mit deutscher Kultur von vor 1945 nichts mehr zu tun haben. Das deutsche Volk ist in ihren Augen das Trägervolk des schlechthin Bösen. Deshalb auch das Bestreben, möglichst rasch alles Deutsche, alle deutsche Schuld und Schuldigkeit in einem großen europäischen Euro-Kuchen verschmelzen zu lassen. Kein anderes Volk kommt uns in dieser verblendet-selbstquälerischen Haltung auch nur im entferntesten nahe. „Es war alles schlecht und teuflisch unter Hitler, Göring und Himmler – und wenn ein Volk so etwas zulässt, dann hat es sein Existenzrecht als Volk verwirkt. Drum besser wär’s, es gäbe gar kein Deutschland.“

So fühlen und agieren  in Deutschland viele. Augenfälligster Beleg dafür: die Antipatrioten, die Antideutschen, die in Friedrichshain in der Revaler Straße völlig ungehindert und ungestört ihr Bekenntnis auf die Dächer gepinselt haben: „Deutschland verrecke.“ Kein anderer europäischer Staat würde so etwas in seinen Grenzen zulassen, nur in Deutschland findet diese Selbstverfluchung, dieser Selbsthass eine selbstgefällige und selbstzufriedene Anhängerschaft.

Für die allermeisten Russen hingegen – ich meine: für etwa 60 bis 70 Prozent der Russen ist – in schroffem, in denkbar schärfstem  Gegensatz zu Deutschland – das Nationalgefühl völlig ungebrochen. Die gegenwärtige Ukraine-Krise belegt: Der russische Nationalstolz ist sogar wie Phönix aus der Asche emporgestiegen. Die ungefähr 40 Jahre kommunistischer Terrorherrschaft (ab 1917 bis etwa  zum Tode Stalins) werden von der Mehrheit der Russen als Abweichung, als Störung, ja als eigentlich unrussisch gesehen. „Wir Russen waren es nicht. Es war alles nur der Stalinismus.“

Riesige Teile der russischen Geschichte des 20. Jahrhunderts sind und bleiben folglich den meisten Russen völlig unbekannt; so ist etwa das operative Kriegsbündnis, das das Deutsche Reich und die Sowjetunion von 1939 bis 21. August 1941 pflegten und das in gemeinsamen Triumph-Feiern und Sieges-Paraden der deutschen Faschisten und der russisch-sowjetischen Kommunisten gipfelte, völlig unbekannt. Am 22.09.1939 feierten – wie fast niemand weiß – deutsch-nationalsozialistische und sowjetisch-russische Truppen in Brest die Aufteilung Europas in zwei Blöcke. Wer sich diesem Herrschaftsanspruch des Deutschen Reiches bzw. der Sowjetunion entgegenstellte, der wurde mit aller Brutalität zerschmettert.

Die insbesondere ab 1936 ausgeübte Terrorherrschaft der sowjetischen Kommunisten gegenüber den Minderheitenvölkern der UDSSR oder sogenannten Schädlingen wie etwa den „Kulaken“, Tataren, den Ukrainern, den Polen, den baltischen Völkern, das aus vielen Hundert Lagern bestehende GULAG-System ist nie ins breite Bewusstsein der Russen eindrungen. Viele Russen halten sich weiterhin für das erwählte Trägervolk des Guten.

Nach 70 Jahren kommunistischer Herrschaft sieht ein Teil der Russen zwar den gesamten Kommunismus als gescheitertes Experiment an. Denn die Millionen und Abermillionen  von Terroropfern, die die Zwangsherrschaft Lenins, Berijas, Jeschows, Stalins und Hunderttausender von Mitläufern ab 1917 sowohl bei Russen wie bei anderen Völkern gebracht hat, wird als ein zu hoher Preis angesehen. „Es war nicht alles gut unter Lenin, Jeschow, Stalin, Berija und Chruschtschow, aber wir haben weitgehend im Alleingang den deutschen Faschismus besiegt. Und insofern sind wir im Recht. Wir haben das Herz des Bösen besiegt.“

Der östliche Kriegsschauplatz war über weite Strecken Stätte erbitterter Partisanenkriege, in denen die Völkerschaften aufeinander prallten. Auch der vielbeschworene 9. Mai 1945 beendete diese Partisanenkriege, die Teil des 2. Weltkrieges sind, namentlich in den baltischen Staaten, in Polen und in der Ukraine und in Griechenland nicht. Vielmehr wurde noch jahrelang mit größter Brutalität weitergekämpft: ein völlig vergessenes Kapitel der Gewaltgeschichte unseres Kontinents.

Häufig wird heute der Kommunismus auch als Abirrung vom rechten Weg Russlands angesehen.  Die Ausländer, der Westen, also insbesondere der jüdischstämmige Deutsche Karl Marx und der Kaiser Wilhelm II. hätten Russland den ganzen Kladderadatsch eingebrockt. „Hätten die Deutschen 1917 Lenin nicht zur Zersetzung der alten Ordnung ins Land gelassen, wäre das alles nicht passiert.“ Der rechte Weg Russlands wird heute durch das starke Sendungsbewusstsein der russischen Geistesgrößen bezeichnet, das sich insbesondere ab etwa 1860 bis 1917 entfaltet hat. Da fallen Namen ein wie Tolstoi, Dostojewskij, Berdjajew, Konstantin Aksakow, Nikolai Danilewski – sie alle vertraten ein panslawisches Bewusstsein von der hohen Sendung Russlands, das zur Wahrung der christlichen Werte gegenüber dem dekadenten Westen eingesetzt sei.

Das orthodoxe Christentum ist integraler Bestandteil der neuen russischen Staatsideologie geworden! Der Prozess gegen Pussy Riot erfüllte den Zweck, das innige Bündnis zwischen Thron und Altar, das phönixgleich aus der Asche der Sowjetunion wiederauferstanden ist, augenfällig zu dokumentieren.  „Wer sich Russland anschließt, wird in Frieden und Freiheit leben.“ So das Versprechen der Russen an die anderen, insbesondere die slawischen Völker des europäischen Ostens.

Ein anderer Teil der ehemaligen Sowjetbürger trauert dem Gemeinschaftsgefühl der Sowjetunion nach. Die Völker, die eher dem asiatischen Raum oder dem europäischen Osten zuzurechnen sind, etwa die Bulgaren, die Rumänen, die Armenier, ein Teil der Ukrainer oder auch die Serben, zeigen sich gegenüber solchen Bestrebungen aufgeschlossen.

Die Völker hingegen, die kulturell von jeher dem Westen Europas angehören, also namentlich die Balten, Tschechen, Polen, ein Teil der Ukrainer, die Slowaken, Ungarn, Finnen, die Slowenen, die Kroaten denken freilich nicht im Traum daran, sich erneut unter den gütigen Schutzmantel der russischen Oberherrschaft zu begeben. Sie haben jahrhundertelang Russland bzw. die Sowjetunion als fremde Macht über sich erdulden müssen, wobei zweifellos neben und nach Nazi-Deutschland die Fremdherrschaft der Sowjetunion den Tiefpunkt der Erniedrigung darstellte.

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„Deutschland von der Karte streichen …“, oder: In deinem Hause wird laut gebrüllt, Bert Brecht!

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Mrz 022014
 

„Freiheit stirbt mit Sicherheit. Nie wieder Deutschland. Antifaschistische Aktion.“ Der aktuelle deutschsprachige Spucki klebt seit Wochen bei uns in Kreuzberg am Hauseingang. Zu sehen ist auf der einen Seite die Polizei, auf der anderen Seite – „die andere Seite“: lauter vermummte, junge, gut gerüstete, mit Kapuzenpulli und Sonnenbrille versehene, mutmaßlich deutsche Männer.

Deutschland von der Karte streichen, Polen soll bis Frankreich reichen.“ So brüllten heute vormittag laut Pressebericht im Tagesspiegel einige deutsche, allzu deutsche Meinungsführer eine Lesung am Berliner Ensemble  Bert Brechts nieder. Die Lesung am BE konnte nicht stattfinden. Sie wurde vom Hause Bert Brechts abgesagt. Die Zuschauer erhalten ihr Geld zurück.

Wen juckt’s? „Deutschland verrecke“ steht und stand monatelang breit lesbar auf einem Hausdach in Friedrichshain.

Was meint die deutsche Gesellschaft dazu, dass solche Parolen völlig ungestört über Wochen und Monate stehen bleiben?

„O Deutschland, wie stehst du besudelt unter den Völkern!“ Der Untugendterror blüht und gedeiht heute mehr denn je. Die Szenen am BE vom heutigen Tage beweisen die Richtigkeit dieser These.

Bertolt Brecht dichtete über den Untugendterror, der sich seit vielen Jahren schon in der zitierten machtvollen Volksverhetzung niederschlägt:

Mit ihren so erhobenen Händen
Erhoben gegen ihren Bruder
Gehen sie jetzt frech vor dir herum
Und lachen in dein Gesicht
Das weiß man.

In deinem Hause
wird laut gebrüllt was Lüge ist
Aber die Wahrheit
Muß schweigen

Zitat:

Bertolt Brecht: „Deutschland“. In: Bertolt Brecht, Gedichte 1. Sammlungen. In: Bertolt Brecht, Ausgewählte Werke in sechs Bänden. Suhrkamp Verlag, suhrkamp taschenbuch 3732, Frankfurt am Main 1997, S. 253

http://www.tagesspiegel.de/berlin/foyergespraech-im-berliner-ensemble-/9558066.html

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Dez 212013
 
Beim Schlendern an meiner Buchwand entlang fiel mir heute ein amerikanisches Buch aus der Studentenbibliothek meines Vaters auf: The Possessed. Dostoyevsky. Offenkundig ein Stück aus dem umfangreichen Lektürekanon, den die deutschen Marshall-Fund-Stipendiaten (wie mein Vater) während ihres USA-Aufenthaltes nach dem zweiten Weltkrieg komplett durchzulesen hatten. Nun, ich, der Sohn des Stipendiaten, werde wohl kaum Dostoevsky auf Englisch lesen.
Aber ich las soeben das 1935 geschriebene Vorwort Avrahm Yarmolinskys zur Übersetzung der „Dämonen“ von Dostojewski. Aufwühlend!
Yarmolinsky schreibt: „In some respects Dostoyevsky’s emotional nationalism and racialism anticipate the Fascist philosophy of our own day.“ Er fährt fort: Der ehemalige Sozialrevolutionär Dostojewski, der Gewalt und Umsturz befürwortet habe, habe sich bald zum brennenden Unitaristen gewandelt: Zar und Russentum, christliche Orthodoxie und Staat gehen Hand in Hand, „Thron und Altar“ unterstehen dem Zaren von Gottes Gnaden, die Russen als Träger des höheren Menschentums, als Erlöservolk Europas, ja der ganzen Menschheit … Welterlösung durch die überlegenen Gene des russischen Volkes … von da führt ein gerader Weg zu der unfassbaren Überlegenheitsgeste Lenins, Stalins … bis hin zur russischen Politik von heute!
Den Zaren haben die Revolutionäre 1917 abgeschafft, geblieben ist aber ohne jeden Zweifel der Cäsaropapismus, also der Anspruch der russischen Machthaber, die höhere spirituelle Wahrheit, in deren Besitz sie sich wissen, mit den Mitteln des Staates und der Politik durchzusetzen, auch mit Gewalt durchzusetzen.
Erlösung Europas von allem Bösen durch die Politik! Das Thema begleitet uns bis heute! Mit größter Sympathie studierte auch die westeuropäische Studentenbewegung der Jahre ab 1966 die französischen, deutschen und russischen Revolutionäre von Fourier und Bakunin bis hin zu Lenin, Trotzkij, Stalin und Fidel Castro. Etwa 130 Jahre nach Dostojewskis sozialistischer Frühphase schlugen Rudi Dutschke, Bernd Rabehl, Daniel Cohn-Bendit, Christian Ströbele, Horst Mahler (erst Sozialist, dann Nationalsozialist) und viele viele andere,  der SDS, die AL in Berlin-Kreuzberg, all die Sozialrevolutionäre, Antikapitalisten, Kommunisten, die grünen Anti-Nationalisten und Anti-Patrioten, die Antideutschen von Friedrichshain ganz ähnliche Töne von kollektiver sozialistischer Welterlösung an.
Bis zum heutigen Tag überlebt die Hoffnung, man könne durch den einen großen, großartigen Streich, etwa durch die Abschaffung des Kapitalismus, durch die Entdeutschung bzw. Europäisierung Deutschlands oder/und die Hinführung zum Kommunismus das Böse in der Weltgeschichte ein für allemal beseitigen.
Immer wieder erkennen wir dasselbe Grundmuster: Die Politik unterfängt sich, das Böse oder die Ungerechtigkeit in der Weltgeschichte durch einen kollektiven Plan, eine revolutionäre Befreiung zu beseitigen. Und das Böse, das ist der bestehende Staat, das ist der Kapitalismus, das ist die Polizei,  das ist Deutschland und seine deutsche Unheilsgeschichte, das ist der Klimawandel  usw. usw. Die Figuren des Bösen sind austauschbar, entscheidend ist: Man versucht das Böse schlechthin, das Ungerechte schlechthin durch einen genialen, langfristig denkenden Plan abzuschaffen.
Es lohnt sich, originale Texte aus den 30er Jahren zu lesen! Das Wissen über die Bewusstseinslage der 30er Jahre speist sich heute fast nur noch aus zweiter Hand. Wie dachte man damals über die Sowjetunion? Woher speiste sich das Gefühl einer akuten Bedrohung durch die Bolschewisten und durch die Nationalsozialisten/Faschisten, das damals in allen nichtsozialistischen Ländern mit Händen greifbar war, von Spanien über Frankreich und Polen bis hin zu Italien und Deutschland?
Wie reagierte die Welt auf die Nachrichten vom massenhaften Hungertod, von Menschenfresserei und politischem Massenmord in der Ukraine? Warum wird heute verschwiegen, dass die millionenfachen „Säuberungen“, also der systematische Massenmord in der Sowjetunion der 30er Jahre durch die staatlichen Organe damals überall bekannt waren?  Warum schwiegen Bert Brecht und alle anderen westlichen intellektuellen Russlandreisenden über den millionenfachen Massenmord, der sich vor ihren Augen abgespielt hatte?
Kaum jemand liest noch die russischen, deutschen, amerikanischen, polnischen, französischen Quellen aus den 30er Jahren in den Originalsprachen. Die verdienstvolle Initiative „Zeitungszeugen“, also der Nachdruck originaler Tageszeitungen aus den 30er Jahren, wurde in Deutschland törichterweise unterdrückt und zum Teil gerichtlich verboten. Deshalb ist auch das Geschichtsbild der Deutschen, aber vor allem der Franzosen und Italiener so furchtbar verzerrt und einseitig, mit verheerenden Folgen bis in die Tagespolitik hinein. Siehe die europäisch-russischen, die europäisch-ukrainischen Beziehungen!
Aber auch die politischen Ansichten eines Jean-Paul Sartre oder Bert Brecht speisen sich aus bemerkenswerter Unwissenheit russischer Quellen und russischer Geschichte.
Das Vorwort Avrahm Yarmolinskys zu  Dostojewskis Dämonen, das ich heute zufällig in die Finger bekam, ist eine erstrangige Quelle für die Geschichtsschreibung und die Analyse der aktuellen politischen Strategien Russlands.
Nachweis:
Avrahm Yarmolinsky: „Foreword“, in: Fyodor Dostoyevsky: The Possessed. Translated from the Russian by Constance Garnett. With a foreword by Avrahm Yarmolinsky and a translation of the hitherto suppressed chapter „At Tihon’s“. The Modern Library, Random House, New York 1936
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„Fremdenhass in Berlin-Pankow!“, „Abschiebung ist Mord“. Na, liebe deutsche Landsleute, heute schon Deutschland beleidigt?

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Aug 072013
 

2013-04-09 17.20.26

Beleidigung, Herabwürdigung, Schmähung des ewigen Türkentums ist in der Türkei strafbar. Das weiß jeder Türke, und wer es nicht weiß, kann es schneller als ihm lieb ist mit dem Paragraphen 301 des türkischen Strafgesetzbuches zu tun bekommen.

Anders bei uns in der Bundesrepublik Deutschland! „Abschiebung ist Mord!“ Asylbewerber werden in Deutschland ins Lager gesperrt, menschenunwürdig behandelt, durch Sachleistungen ihrer Freiheit und Menschenwürde beraubt. Ein Staat, der Asylbewerber abschiebt, begeht Mord usw. usw. „Je eher Deutschland unsere Forderungen erfüllt, desto schneller räumen wir das Kreuzberger Lager.“ Diese ganze Latte an halbwahnsinnigen Sätzen wird einem am Oranienplatz auf dem Flüchtlingslager entgegengeschleudert.

Deutschland begeht also Mord durch Abschiebung? Herabwürdigung, Schmähung und Beleidigung  der Bundesrepublik Deutschland ist in Deutschland nicht nur nicht strafbar, sondern sogar offenbar sittlich geboten. Strafbar ist in Deutschland eher die Nichtbeleidigung Deutschlands, oder das Nichtherableiern der ritualisierten Schulddiskurse, wonach 2 Mal im 20. Jahrhundert, zuerst ab 1914 und dann erneut ab 1933 „das ganze Unheil von Deutschland und nur von Deutschland ausging“.

Dieser Eindruck, dass die Schmähung, Verspottung und Beleidigung Deutschlands fester Teil der historischen DNA der Deutschen geworden ist, drängt sich unabweisbar auf , wenn man durch die Revaler Straße in Friedrichshain-Kreuzberg  mit dem berühmten riesigen „Deutschland-verrecke“-Schriftzug auf dem Dach spaziert oder ganz normale bürgerlich-konservative  Blätter wie etwa den Berliner Tagesspiegel  durchblättert.  Auf bisweilen offene, meist aber subtile Weise müssen die Deutschen die Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich schlechtmachen und schlechtreden.

Hierfür nur als ein Beispiel: „Fremdenhass in Berlin-Pankow“ im heutigen Tagesspiegel. Ein arabischstämmiges Kind wurde beleidigt. Natürlich von Deutschen. Natürlich von Rechten. Es entsteht schon durch den Titel der Eindruck: Berlin-Pankow ist von Fremdenhass geprägt usw. Konservative Zeitungen wie der Tagesspiegel oder auch linke deutsche Boulevardmedien schüren seit Monaten eine dumpfe deutschlandfeindliche Stimmung, indem sie überall und zu jeder Tages- und Nachtzeit alle die arabisch- und türkischstämmigen Zuwanderer potenziell als wehrlose Opfer ständigen Fremdenhasses, ständiger krimineller rechter Energie der Deutschen darstellt. „Todesopfer rechter Gewalt“ – dieses Verzeichnis empfängt seit Monaten im Online-Tagesspiegel alle Leser, als ob es in der Bundesrepublik Tag um Tag zu fremdenfeindlichen rassistischen Morden – „wie damals!“ – gekommen wäre.

http://www.tagesspiegel.de/politik/todesopfer-rechter-gewalt/

Botschaft: „Willkommen im Land des Fremdenhasses!“ „Todesopfer rechter Gewalt“ – hier wird der Eindruck geprägt, wonach alles, was sich rechts von der Mitte (also rechts von CDU und Grünen) sieht, gewalttätig, tödlich und kriminell sei.

Sorgsam wird dagegen bei jeder Gewalttat in Neukölln, bei jeder Gewalttat in Schwimmbädern, bei den Drogen- und Frauenhändlern in Berlin  jeder Hinweis auf den ethnischen Hintergrund der Tatverdächtigen vermieden. Es könnte ja der Eindruck aufkommen, dass es auch arabisch- oder türkischstämmige Gewalttäter geben könnte. Und das darf nicht sein. Denn wenn die kulturelle oder soziale Herkunft der Tatverdächtigen in die Berichterstattung einflösse, wäre der Tagesspiegel selber fremdenfeindlich. Und die Abschiebung von kriminellen nichtdeutschen Frauen-, Waffen- und Drogenhändlern ist – wie gesagt – MORD. Und Mord durch Abschiebung, das wäre das schlimmste. Deutschland als ewigen Hort des Rassismus darstellen – das ist hingegen OK. Grundformel: „Deutsch böse – nichtdeutsch gut.“ Ein krankhaft ausgewachsener, vulgärtheologisch-antideutscher, kollektiver  Schuldkomplex. Irre. Dazu sagen meine Türken, meine Araber, meine Juden, meine Amerikaner: „Ihr Deutschen seid meschugge, ihr Deutschen seid Freaks, ihr Deutschen seid auf dem Weg in eine Komikerrepublik.“

Bild: Aufnahme vom geduldeten Aktivistenlager am Oranienplatz in  Kreuzberg

 

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„Nie wieder Krieg, nie wieder Deutschland“, oder: Die Deutschen sind an allem schuld

 Antideutsche Ideologie, Selbsthaß, Vergangenheitsunterschlagung  Kommentare deaktiviert für „Nie wieder Krieg, nie wieder Deutschland“, oder: Die Deutschen sind an allem schuld
Apr 122013
 

2013-04-07 10.55.18

Nie wieder Krieg – nie, nie, nie wieder Deutschland!“ Deutlich, unverkennbar und unwiderleglich war dies die zentrale, die dutzendfach skandierte Botschaft, mit der der amtierende Bundesverteidigungsminister vor 2 Tagen in der Humboldt-Universität am Reden gehindert wurde.

Gegenüber diesen etwa 2 Dutzend jungen deutschen Männern empfinde ich tiefe Dankbarkeit. Denn sie bestätigen schlagend meine zentrale These, wonach sich mittlerweile in ganz Europa, vor allem aber in Deutschland bei den akademisch höhergebildeten Deutschen selbst, ab etwa 1980 eine Art stillschweigende negative Theologie des Bösen, das im Deutschen wohne, gebildet hat. Kernsatz dieser vulgären antideutschen Ideologie ist: „Die Deutschen sind allem schuld.“ Die Deutschen sind das Trägervolk des Bösen. Man muss also die Deutschen kleinhalten, verdünnen, säubern, reinigen, alles Böse im Deutschen ausmerzen, indem man die Deutschen immer erneut beschimpft, anklagt, in Haftung nimmt. Jeder Anlass dazu ist recht, vor allem natürlich die gegenwärtige EU-Krise.

„Sobald durch die Deutschen selbst alles Deutsche beseitigt, vergessen oder ausgemerzt ist, etwa durch bewusssten Verzicht auf die deutsche Sprache oder weitestgehende Zurückdrängung der deutschen Kultur, wie sie vor 1933 bestand, durch möglichst weitgehende Anpassung an alle anderen Völker, wird auch das Böse in der Weltgeschichte beseitigt sein. Folglich wird auch der Krieg beseitigt sein, denn der Krieg ist das schlechthin Böse, das es zu vermeiden gilt. Nie wieder Krieg – nie wieder Deutschland!“

Das ist die meist unbewusst schlummernde, hier aber explizit geäußerte Kernüberzeugung der antideutschen Ideologie, die nirgendwo so kraftvoll, so wagnerhaft trompetend vertreten wird wie in Deutschland selbst von vielen akademisch gebildeten Deutschen.

Der Verteidigungsminister kommunizierte angesichts der feindlichen Übermacht nur noch schweigend über den Laptop: „Wer hat Angst vor einem Argument?“

Hier hätte ich, wenn ich dabei gewesen wäre,  gern gefragt: „Meint ihr, dass durch die Selbstabschaffung Deutschlands zugleich auch der Krieg verschwindet? Glaubt ihr denn wie Adolf Hitler, dass die Deutschen nach dem letzten verlorenen Krieg kein Recht mehr hätten weiterzubestehen und sich selbst beseitigen müssten? Seid ihr jungen Deutschen also die wahren Erben, die Kindeskinder Adolf Hitlers? Seid ihr die wahren geistigen Erben der Nationalsozialisten? Seid ihr Antideutschen die wahren, die reinrassigen Deutschen?“

In dem mittlerweile gelöschten Youtube-Video war ersichtlich, dass etwa 20 oder 30 junge, wohlgenährte, gutausgebildete, bestgelaunte Männer die Veranstaltung sprengten, während die Mehrheit im Publikum teils belustigt, teils feixend, teils betreten zusah und schwieg, wie ein Minister dieses Landes durch Brüllen und Plärren am Reden gehindert wurde.  „Ich hielt es  nur für einen Flashmob“, berichtete ein Zeuge im Internet. Wir verstehen! Man könnte sagen: Es war nicht ernst, nur Show, es wurden doch nur zwei ältere Herren durch zwei Dutzende junge Männer am Reden gehindert. Es war doch nur eine Inszenierung!

Eine Art Flashback-Gefühl stellt sich beim Betrachten dieses Flashmobs bei Youtube ein: Ich erinnere mich an Fotos, die zeigen, wie im Wien des Jahres 1938 nach dem Anschluss Österreichs einige alte österreichische Männer unter Anweisung des braunen Blitzmobs, der aus lauter gutgelaunten jungen österreichischen Männern besteht, mit Zahnbürsten die Bürgersteige reinigen. Die Mehrheit der Umstehenden schaut teils belustigt, teils betreten, teils feixend zu. Man könnte sagen: „Was ist denn so schlimm an dieser Situation? Es ist doch nur eine Inszenierung! Es ist nur ein blitzartiger Mob! Es werden nur ein paar ältere Herrschaften daran gehindert, normal weiterzuleben, sie sollen nun symbolisch mit Zahnbürsten die Bürgersteige reinigen und werden am Reden gehindert. Es ist doch nur Show!“

Ich habe selbst einige Male als passiver, widerstandsloser Zuschauer miterlebt, wie Veranstaltungen an deutschen und italienischen Universitäten gesprengt worden sind. Und auch ich habe meines Wissens damals meist nicht dagegen protestiert.

Ich meine heute: Wer andere gewaltsam am Reden und Zuhören hindert, übt Zwang auf andere Menschen aus und ist kein Demokrat, sondern Rechtsbrecher.  Da hilft ihm die beste deutsche oder auch antideutsche Ideologie nicht.

Foto: „Die Juden sind an allem schuld.“ Hinweis auf die Sonderausstellung „Die ganze Wahrheit“ im Jüdischen Museum Berlin, Kreuzberg, Lindenstraße. Aufnahme vom vergangenen Sonntag, Berlin-Kreuzberg, Wilhelmstraße, Abzweigung Stresemannstraße

 

 

 Posted by at 11:32
Feb 072013
 

2013-02-05-152209-1024×768.jpg „Wir können uns nicht eine Haltung leisten wie die britischen Tories, die eine Renationalisierung anstreben. Für England mag das gehen, aber eine Renationalisierung Deutschlands würden unsere Nachbarn als Abkehr von Europa auffassen. Und dann gilt: Wenn Deutschland anti-europäisch wird, wird der Rest Europas antideutsch.“

In diesen Worten wird gerade der EU-Parlamentarier Alexander Graf Lambsdorff in einem sehr klugen, sehr profunden Interview zitiert. Lesenswert!

http://www.welt.de/politik/deutschland/article113434271/Camerons-Rueckabwicklung-waere-brandgefaehrlich.html

Und genau das ist die historische Lebenslüge der allermeisten deutschen Europa-Politiker. Sie wenden sich gegen eine von Kritikern der gegenwärtigen EU-Politik, von Kritikern der gegenwärtigen EU-Kommission angeblich betriebene, angeblich drohende „Renationalisierung Deutschlands“, „Renationalisierung Großbritanniens“. Sie fassen die EU demnach ganz offen  als Projekt zur Einhegung, letztlich zur Entnationalisierung Deutschlands auf. Die unterschwellige Argumentation ist stets dieselbe: Da Deutschland und nur Deutschland ab dem 28. Juni 1914 so viel Leid, Krieg und politisch motivierten Massenmord über den ganzen Kontinent gebracht habe, müsse man Deutschland endlich entnationalisieren. Nur ein entnationalisiertes Deutschland sei ein gutes Deutschland.

Was haben sie euch Deutschen denn ins Mittagessen gemischt?“ So fragen mich immer wieder entgeistert meine ausländischen Freundinnen und Freunde.

Grotesk verzerrtes Geschichtsbild, das sich da in den Reden der Politiker ausspricht! Ihnen ist zu entgegnen: Nicht Deutschland, sondern der europäische Kolonialismus, der ab den antifranzösischen Kriegen ab 1806 anwachsende europäische Nationalismus, der europäische Kommunismus, der europäische Sozialismus, der europäische Rassismus, der europäische Faschismus, der europäische Nationalsozialismus, der sowjetisch-europäische Bolschewismus, der europäische Antisemitismus haben unendlich viel Leid, Krieg und Massenmord über Europa und die Welt gebracht. Alle europäischen Nationen waren daran beteiligt, alle haben kräftig auf der einen oder anderen Seite und meist auch auf beiden Seiten mitgemischt. Mit dem einen Unterschied, dass 1945 Deutschland und nur Deutschland als Alleinschuldiger für alles Übel, das ab 1914 geschehen war, dastand, während alle Verbündeten Deutschlands, alle einstigen Mitläufer, Kollaborateure und Vasallen Deutschlands wie etwa der Französische Staat, Rumänien, Italien oder Ungarn plötzlich auf Seiten der Sieger standen oder sich – wie etwa Österreich, Finnland, die Slowakei – als Opfer Deutschlands ausgaben.   Die Sowjetunion, alle Verbündeten der Sowjetunion, alle Vasallen der Sowjetunion hingegen nahmen auf der Seite der Sieger Platz. Mit Namen ausgedrückt: Hitler, Pétain, Pater Tiso und Mussolini und alle anderen abgrundtief böse, deshalb: Stalin, Kalinin, Dimitroff und Edvard Benesch e tutti quanti – politische Engel, sehr gute Menschen! Stalin und Lenin und deren Verbündete (und obendrein Mao und Trotzkij) – särr gutt!

Der in Berlin lebende Brite Barnaby Pole drückte das in der letzten Nummer unseres Berliner  Stadtmagazins zitty so aus:

„Hitler und die Nazis sind das perfekte Beispiel für den Kampf Gut gegen Böse.“

Zum Mitschreiben: „Hitler und sein Überfall auf Polen böse.“ Richtig. Das sehe ich auch so. „Lenin und sein Gulag und seine Überfälle auf Nachbarstaaten, Stalin und seine Überfälle auf Nachbarstaaten, auf  Polen und sein Katyn also gut, sehr gut.“ Falsch! Dieser vorherrschenden Einschätzung kann ich mich als überzeugter Europäer nicht anschließen.  Dass die Sowjetunion ab 1921 bis etwa 1980 (Überfall auf das sich islamisierende Afghanistan) eine extrem aggressive, extrem militarisierte Entrechtungs- und Überfallpolitik auf die Nachbarstaaten in Asien und in Osteuropa betrieb, ist außerhalb der Zunft der Osteuropahistoriker unbekannt, wird verleugnet und totgeschwiegen. Ab etwa 1981 jedoch hat die Sowjetunion ihren aggressiven Kurs der militärischen Einhegung der Nachbarstaaten verlassen. Sie konnte ja nicht mehr.

Mit dieser überall aufgetischten Lebenslüge der europäischen Nachkriegsordnung („Deutschland böse, alle Gegner Deutschlands gut, sehr gut“) konnte die kommunistische Sowjetunion ihr riesiges Reich der Unfreiheit über die Ukraine, Polen, Ungarn, Rumänien, Estland, Lettland, Litauen und die Tschechoslowakei hinweg bis ins Herz Europas vorschieben, während der Westen Europas einschließlich der Bundesrepublik Deutschland befreit aufatmete.

Der große Irrtum der Deutschen ist es, wenn die EU als Projekt zur Eindämmung, Einhegung und Entnationalisierung der Deutschen betrieben oder auch nur gedeutet wird. So war es von Schuman, de Gasperi und Adenauer nicht gemeint.

Nirgendwo in den europäischen Bevölkerungen besteht eine ernsthafte Neigung, wesentliche Teile der staatlichen Souveränität an die EU abzutreten – was aber de jure und auch de facto bereits geschehen ist. In keinem anderen Land der Europäischen Union – wirklich in keinem EU-Land – wird die Europäische Union von Vertretern des eigenen politischen Spitzenpersonals als Projekt zur Einhegung oder Entnationalisierung  des eigenen Staates (z.B. Frankreichs, Belgiens, Tschechiens, Polens, Italiens, Estlands …) angesehen oder betrieben. Da steht Deutschland und ein Teil der europäischen Macht- und Führungselite derzeit ganz allein auf weiter Flur. Und wie immer, wenn Deutschland ganz allein auf weiter Flur steht, handelt es sich um einen Irrweg.

Die Entnationalisierung Deutschlands ist ein deutscher Sonderweg, die Selbst-Entnationalisierung Deutschlands ist ein deutscher Irrweg.

 Posted by at 12:14
Mrz 062011
 

be Berlin – Die Hauptstadtkampagne – berliternational PK
Die Hauptstadtkampagne be Berlin macht die Multikulturalität Berlins zum Thema ihrer neuen Aktion „be Berlinternational“. Berlinerinnen und Berliner sind eingeladen, auf der Kampagnenwebsite zu erzählen, wie sie Internationalität und Integration in ihrer Stadt erleben oder dazu beitragen.

In der Kampagne be berlinternational zeigt sich ein Grundzug der heutigen Integrationsdebatte:  Alle Nationen sind gleichberechtigt, sie strömen hier in Berlin zusammen, und nebenbei soll noch Integration gelingen.

Peinlichst vermieden wird das Wort Deutschland.  Der „Hintergrund“, also etwa der „palästinensische Hintergrund“ steht im „Vordergrund“. Wenn man den „Hintergrund“ hervorstreicht, gelingt „Integration“.

Integration wohinein? Na klar – in die Inter-Nationalität. In diesem Zwischen des bloß Internationalen siedeln sich seit 40 Jahren die klar umrissenen ethnischen Identitäten an – es bildet sich eine türkische Volksgruppe, eine kurdische Volksgruppe, eine russische Volksgruppe, eine deutsche Volksgruppe, eine italienische Volksgruppe usw. usw.

Das ist der Status quo.  „Seid vor allem Türken!“ So der türkische Premier Erdogan vor Zehntausenden türkischer, begeisterter Landsleute, die eine starke, wachsende, nach außen weithin abgeschlossene Volksgruppe bilden.

Die Plakatkampagne unterstützt den Appell an die eigene Nationalität: „Seid vor allem Menschen mit palästinensischen Wurzeln! Werdet keine Deutschen! Redet Englisch, Arabisch, Türkisch, aber bitte kein Deutsch!“

Das ist die Botschaft der Plakatkampagne.

Genau so läuft es aber doch bereits seit Jahrzehnten! Brauchen wir dafür noch eine teure Plakat-Kampagne für mehrere Hunderttausend Euro?

Die Deutschen – sofern es noch Menschen gibt, die sich ohne Verlegenheit als Deutsche bezeichen – sind auf den Plakaten eine gleichberechtigte ethnische Gruppe neben den anderen. Jeder versteht jeden.

Es ist ein spannender Vorgang! Wir haben jetzt schon etwa 3 Millionen Türken als unsere Mitbürger, von denen etwa 800.000 auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.  Sie sind die zweitstärkste nationale Gruppe nach den Deutschen. Eine echte Macht in der deutschen Innenpolitik!  Der ewige türkische Staat baut seine Volksgruppe in Deutschland systematisch aus, rät klar von „Assimilation“ und „Verrat am eigenen Boden und Blut“ ab, bietet sich als streitbare Schutzmacht gegen die ewig diskriminierenden, die ewig fremdenfeindlichen, die ewig islamfeindlichen Deutschen an. Beruhigend zählte Premier Erdogan kürzlich die bewundernswürdige Streitmacht der türkischen Armee auf. Fortschritte allenthalben – bei Kampfhubschraubern ebenso wie bei Waffen und Gerät! Die Bundeswehr schrumpft, die türkische Armee wird besser ausgerüstet und modernisiert. Griechenland muckt schon gar nicht mehr auf, lässt sich durch die Türkei – unwidersprochen auf Seiten der  EU-Partner – einschüchtern.

Belgien, Schweiz, die Russische Föderation, Bosnien-Herzegowina, das Osmanische Reich, die Türkei bis 1955, die Sowjetunion, Österreich-Ungarn, die Tschechoslowakei –  sie alle sind spannende Beispiele für Vielvölkerstaaten – wie Deutschland sich einer zu werden anschickt. Diese Staaten haben uns viel zu geben und viel zu lehren auf dem Wege zur multinationalen, zur internationalen Republik im kulturellen Nirwana.

 Posted by at 16:36