Tantum dic verbo et sanabitur anima mea: zum Anspringen des neuen Jahres

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Jan 042016
 

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Zum Antritt des neuen Jahres führte es mich nach Partenkirchen im Werdenfelser Land. Nach fröhlich durchzechtem Silvester trat ich früh auf die Straße, während die Siebenschläfer-Murmeltiere sich noch einmal in den Federn umdrehten. Ich tauschte mit dem ersten Menschen, dem ich zufällig begegnete, einen Neujahrgruß aus. Es war Hassan aus London, ein Ismailit, der zusammen mit anderen türkischen Verwandten und Freunden hier im Bayerischen Bergland feierte. Wir wünschten einander nach alter Väter Sitte ein gutes neues Jahr an. Welch großartige verbindendende Kraft steckt doch in einfachen, schlichten Wünschen, die zwei einander bis dahin völlig unbekannte Männer austauschen!

Dann unterhielt ich mich mit einer ortskundigen Partenkirchnerin in meiner Mutter Sprache, also auf Bairisch, über zweierlei Herkünfte und Mundarten. „Aus Berlin sind Sie! Sie sprechen aber wirklich Bairisch wie Ihre Mutter“, bestätigte mir staunend die Partenkirchnerin.

Das Fest der Beschneidung des Herrn feierte ich gleich darauf zwei Schritte weiter in lateinischer Sprache im nahegelegenen Sebastianskirchlein. In gewisser Weise war dies eine Heimkehr. Wort um Wort konnte ich leicht zeitversetzt nachempfinden, was die Beterinnen und Beter um mich herum vorsagten.

Statt umständlicher Vorsätze, die sowieso niemand einhält, erwählte ich mir während der nach tridentinischem Ritus gelesenen Messe zum Neujahrstag ein Leitwort, das eher eine Bitte als ein Versprechen, eher eine Zuversicht als eine Feststellung ausdrückt: tantum dic verbo et sanabitur anima mea. „Nur sprich mit einem Wort und meine Seele wird genesen.“

Sanari, heilwerden, gesund werden, genesen von den Ängsten des Vorjahres: Mit dieser Zuversicht beschreiten wir mutig, froh und dankbar die Bahn des neuen Jahres! Wir rufen einander diesen Wunsch, diese Zuversicht zu!

Der Anbruch des neuen Jahres sei für alle, die dies lesen, ein Hineinspringen voller Kraft und Zuversicht, ein Anspringen, ein Sich-Anvertrauen, ein kleiner kurzer Moment des Fliegens, wie ihn wohl vor allem ein Peter Prevc, aber auch ein Severin Freund gleich danach an der Partenkirchner Olympiaschanze empfunden haben, und wie ihn eine Helene Fischer unüberhörbar laut und unwidersprechlich in ihrem Song „Atemlos“ durch das weite Rund erschallen ließ.

Bild: die Olympiaschanze in Partenkirchen während des Neujahrspringens

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„Aucune guerre ne peut mettre fin aux guerres“: endet nie des Irdischen Gewalt?

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Dez 012015
 

„Kein Krieg kann den Kriegen ein Ende setzen.“ Dies ist die Quintessenz aus 818 Seiten detaillierter historischer Analyse, wie sie uns im Jahre 2011 Prof. Henry Laurens, Inhaber des Lehrstuhles für „Zeitgeschichte der arabischen Welt“ am Collège de France schenkt. „Aucune guerre ne peut mettre fin aux guerres.“ Das ist die Bilanz der Jahre 1967-1982, das ist die Bilanz aus 818 Seiten genauester diplomatisch-historisch-militärischer Analyse.

Ein vortrefflicher Satz! Die Vorstellung, man könne mit einem wirklich endgültigen, mit dem wirklich allerletzten Krieg endlich im gesamten Ringen und Rechten der Völker des Nahen Ostens (in Palästina, Israel, Syrien, Libanon, Jordanien, Ägypten, Türkei, Saudi-Arabien, Iran, Irak, Afghanistan usw. usw.) Frieden schaffen, erweist sich seit 1948, oder vielleicht schon seit 1792, wieder und wieder als trügerischer, törichter Wahn.

Ich habe mir ein paar Stunden Zeit genommen und in des Pariser Historikers monumentaler mehrbändiger Geschichte der Palästinafrage gelesen: Ein reiches Reservoir an wiederkehrenden Figuren, wütenden Beschwörungen, iterativen vergeblichen Formen der Gewalt, und wieder und wieder dem Anheizen der Gewalt und des Terrors! Wann fing es an? Wer brach den Streit vom Zaun? Fing alles mit Napoleon an? Mit dem Türken? Mit den Briten? Mit dem Holocaust oder mit der Shoah? Mit Lord Balfour? Mit Kain und Abel? Mit Sara und Agar? Mit Isaak und Ismael? Wer weiß es, wer kennt die Zahlen alle, nennt die Namen alle? Irgendwie hängt ja alles mit allem zusammen.

Man denkt sich fassungslos: Irgendwo haben sie irgendwie früher oder später doch irgendwann recht.
Schließlich – unterbrach ich ermattet die Lektüre. Der Spruch des Friedrich Leopold Freiherrn von Hardenberg, entnommen aus seinen gewaltigen Hymnen an die Nacht, erhellte mir das Bewusstsein:

Muß immer der Morgen wiederkommen? Endet nie des Irdischen Gewalt?

Gewaltige Hymnen an die Nacht! Gewaltiger Novalis! Können Worte gewaltig sein? Ich denke ja! Worte können gewaltig sein! Sie sind stärker als die Gewehre und Bomben.

Waffen alleine können der Gewalt der Waffen kein Ende setzen.

Es muss zum Waffenstillstand und zum Friedensschluss in jedem Falle der Gewaltverzicht im Wort hinzukommen. Alle beteiligten Seiten müssen erkennbar und verlässlich der Gewalt der Waffen abschwören, ehe sie den Stift unter ein Abkommen setzen. Keiner darf als Verlierer aus der Walstatt davon gehen.

Nur das verbindliche, das gute verbindende Wort kann Kriege beenden. Daran fehlt es erkennbar.

Zitatnachweis:

Henry Laurens: La question de Palestine. Tome quatrième. 1967-1982. Le rameau d’olivier et le fusil du combattant. Librairie Arthème Fayard, Paris 2011, hier v.a. Seite 818

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Aug 272015
 

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Letztes Wochenende süffelte ich zusammen mit meinem Bruder ein Weizenbier im Vereinslokal des DJK Augsburg Hochzoll in der Zugspitzstraße. Der kurzgeschorene Rasen lag ausgedörrt in der Sonne, die Zunge klebte ebenfalls ausgedörrt am Gaumen. Es stand 1:0 beim Spiel des FCA gegen Frankfurt. Würde Frankfurt noch den Ausgleich schaffen? Es war so heiß, das Reden fiel mir schwer. Alte Erinnerungen stiegen hoch. War es nicht hier? Hier hatte ich doch damals mit der Schülermannschaft des TSV Firnhaberau ein Fußballspiel ausgetragen, hier hatte ich doch unter sengender Hitze das blechern klingende Lied „Ein Student aus Uppsallallala“ aus dem Stadionlautsprecher gehört, oder täuschte ich mich? Wir verloren, wie hoch? Das habe ich vergessen. Nicht vergessen habe ich „Ein Student aus Uppsala“!

Doch, das war so. Und das Lied „Ein Student aus Uppsala“ prägte sich mir unauslöschlich ein.  Gesungen hat es die Kirsti mit ihrer bezaubernden Stimme. Viele Verse daraus kann ich heute noch auswendig. Warum?

Kirsti hatte die Gabe, jedes einzelne Wort und jeden einzelnen Satz so zu singen, dass sie über Jahre und Jahrzehnte haften blieben. Kirstis Aussprache des Deutschen war vorbildlich. Kirsti hatte offenbar eine sehr gute Schulung durchlaufen.

Ebenso unvergesslich: Der „Surabaya Johnny“, das Lied von Bert Brecht und Kurt Weill, gesungen von Lotte Lenya. „Nimm doch die Pfeife aus dem Mund, du Hund!“ Hier stimmt jedes Wort, hier stimmt jeder Satz, man sieht gewissermaßen, man erlebt mit, wie Lotte Lenya diesem unverwüstlichen, unsympathischen und doch unwiderstehlichen Surabaya Jonny die Pfeife aus dem Mund schlagen möchte!

Hört man solche und andere ältere Aufnahmen von deutschsprachigen Songs, Schlagern, Liedern und Opernarien an, so stellt man immer wieder fest, dass jedes einzelne Wort noch Jahrzehnte später klar, frisch und eindeutig zu verstehen ist.

Die Norwegerin Kirsti Sparboe, die Wienerin Lotte Lenya, der niederländische Kinderstar Heintje  … die Reihe lässt sich fortsetzen:   die Italienerin Milva, der Tscheche Karel Gott, der Österreicher Peter Alexander – sie alle verfügten noch über das, was heute bei deutschsprachigen Schauspielern und Sängern fast nicht mehr zu finden ist, weder im Pop noch im Rap, weder in der Unterhaltungsmusik noch auf der Sprechbühne noch in der sogenannten E-Musik: eine bestechend klare, fest sitzende, das Verständnis der Worte und Wörter sichernde Aussprache des Deutschen – oder auch des Englischen.

Diese hohe Kultur des Sprechens und Singens droht heute mindestens in Deutschland nach meinen Eindrücken verlorenzugehen, und zwar durch die Bank bei Sängern, Schauspielern, Chören, bei Profis und bei Laien, bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen fast gleichermaßen.

Der European Song Contest liefert Jahr um Jahr besonders schlagende Belege dafür. Viele Texte (in diesem Fall in Englisch) sind gerade bei deutschen Teilnehmerinnen nur halb verständlich, es wird genuschelt, gemümmelt, gedrückt und gesäuselt, was das Zeug hält. Technische, computertechnische, ja pyrotechnische Effekte beherrschen die Szene, die Show überwiegt, das gesungene Wort verschwimmt und verschwindet. Und viele besonders erfolgreiche  Sänger könnten eindeutig auf offener Bühne gar nicht mehr ohne technisches Backup oder Playback singen.

Woran liegt das? Vielleicht daran, dass von Kindesbeinen an nicht mehr so viel gemeinsam gesungen wird? Vielleicht daran, dass es keine gemeinsamen Texte, keinen gemeinsamen Kanon an Liedern, Märchen und Geschichten mehr gibt?

Wie auch immer. Abfinden sollte man sich damit nicht!  Ich denke, gerade wenn wir jetzt 800.000 Menschen, 800.000 neue Mitbürger ohne jede Kenntnisse der Landessprache Deutsch in einem einzigen Jahr in Deutschland integrieren wollen, was ja löblich ist, was ich gutheiße, müssen wir unbedingt unsere Muttersprache Deutsch mehr achten und pflegen. Und wir sollten bei uns, bei unserem Sprechen damit anfangen.

Kirsti, Milva, Lotte, Heintje, Peter, Karel … sie alle können uns lehren, dass gutes, klingendes, verständliches, beseeltes Deutsch möglich und nötig ist, wenn wir es wollen. So wahnsinnig schwer ist es auch wieder nicht! Und es macht Spaß!

Das Motto der Arbeit ergibt sich zwanglos beim Betrachten eines beliebigen Bildes, hier zum Beispiel: der Hochablass in der Brecht-Stadt Augsburg, aufgenommen in Hochzoll am 22. August 2015.
Nimm doch die Pfeife aus dem Mund!
Sei doch kein knurrender Hund!
Höre das Rauschen des tosenden Lechs,
wie er hinabstürzt über den Hochablass!
Kiesel um Kiesel nimmt er mit sich.
Wer kann dem tosenden Fluß widerstehen?
Wer könnte, wer wollte sich diesem Fluß entgegenstemmen?
Ich nicht! Du nicht! Schwimme mit mir!
Aber noch einmal sage ich’s dir:
Nimm doch die Pfeife aus dem Mund.
Sei doch kein knurrender Hund.

Eine schöne Handreichung zur eigenen Arbeit an guter Aussprache möchte ich abschließend noch empfehlen:

Klaus Heizmann: So spreche ich richtig aus. Eine Hilfe für Redner, Chorleiter und Sänger. Schott Verlag Mainz, 2. Aufl. 2011

 

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Kann man sich am Klang der Sprache wie am Klang der Musik erfreuen?

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Aug 212015
 

Könnte man die Freude an der Musik vielleicht auch mit der Sprache empfinden? Oft frage ich mich das. Wenn ich schöne Musik hören will, dann gehe ich einfach in ein Konzert oder spiele selbst mein Instrument oder singe, allein oder mit anderen.

Wenn ich aber schöne Sprache hören will, kann ich dann einfach so ins Theater oder ins Kino gehen, kann ich dann einfach das Radio oder den Fernseher aufdrehen? Jeder oder doch fast jeder versteht und schätzt die Schönheit einer Beethovenschen Symphonie, fast jede oder doch sehr viele erkennen und schätzen die Schönheit einer Zeichnung von Botticelli oder eines Bildes von Rembrandt.

Aber gibt es in Deutschland noch genug Schauspieler oder überhaupt Menschen, die die Schönheit eines Gorkischen oder Goetheschen Gedichtes, die Schönheit und Macht eines Schillerschen oder Shakespeareschen Monologes zu Gehör bringen können? Nein, ich glaube dies nicht. Ganz wenige können dies heute noch!

Die Kunst des guten Sprechens geht in Deutschland deutlich zurück, vielleicht unter der Vorherrschaft des Films, bei dem von den Schauspielern keine gute, reine und schöne Sprech- und Vortragskunst mehr verlangt wird. Man nehme irgendeinen ARD-„Tatort“, irgendeine Folge etwa von „Alarm für Cobra 11“ (Serien, die ich ansonsten sehr schätze), irgendeine Klassikerinszenierung auf einer deutschen Bühne,  und man wird die Wahrheit dieser Aussage nicht bestreiten können.

Es zählen für die Schauspieler heute gutes Aussehen, physische Präsenz, Charisma im So-Sein und Da-Sein, überzeugende Verkörperung der Rolle im Auftreten – und auch mediale Prominenz – mehr als alles andere. Diese Kriterien bestimmen Marktwert und Bühnenerfolg der Schauspieler.

Das gute, wohlklingende, deutliche, schöne gesprochene Wort ist in Deutschland vom Aussterben bedroht, nach meinen leidvollen Erfahrungen auch im Fernsehen, auch im Kino, ja sogar auch im Theater!

Es fehlt an Sprecherziehung, es fehlt in Deutschland am Wissen um die Wichtigkeit der sorgfältigen, geschulten, bewegenden, der klingenden Rede. In den Grundschulen, ja überhaupt in den Schulen herrscht heute ein heilloses Durcheinander in der Aussprache des Deutschen, mit der Folge, dass sehr viele Schüler die Grundstufe der Schule oder sogar die Schule überhaupt ohne grundlegende Sprechkenntnisse verlassen. Das war früher eindeutig anders.

Mit bedeutender, mehrmonatiger  Verspätung – bedingt durch den Streik der Zusteller – erreichten mich gestern zwei weitere bestellte Exemplare eines Buches, aus dem ich gern immer wieder Anregungen schöpfe und das ich gern in mehr deutschen Lehrerzimmern und deutschen Probebühnen sähe:

Egon Aderhold / Edith Wolf: Sprecherzieherisches Übungsbuch. 16. Auflage, Henschel Verlag, Berlin 2013

Diesem Buch entnehme ich auf S. 105 mit Dankbarkeit folgendes Gedicht „Beherzigung“, das sich sehr gut zum Einüben eines guten Vortrages eignet:

Feiger Gedanken
Bängliches Schwanken,
Weibisches Zagen,
Ängstliches Klagen
Wendet kein Elend,
Macht dich nicht frei.

Allen Gewalten
Zum Trutz sich erhalten,
Nimmer sich beugen,
Kräftig sich zeigen,
Rufet die Arme
Der Götter herbei.

 

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Vom Vertrauen in das Wort

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Jul 172015
 

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Täler grünen, Hügel schwellen,
buschen sich zu Schattenruh,
und in schwanken Silberwellen
wogt die Saat der Ernte zu.
Wunsch um Wünsche zu erlangen,
schaue nach dem Glanze dort!
Leise bist du nur umfangen,
Schlaf ist Schale, wirf sie fort.

In diese Verse, die sich mir heute unwillkürlich beim Abfahren der Thüringer Städtekette zwischen Mechterstädt und Laucha aufdrängten, mag wohl vieles von dieser arkadischen Landschaft an den Ufern der Hörsel eingeflossen sein, die Goethe so oft durchritt, durchwanderte, durchfuhr. Jedenfalls bildete ich mir das ein. Ich glaubte daran! Und dieser Glaube daran, dass ein anderer eben diese Landschaft mit ähnlichen Gefühlen gesehen haben mag, der Glaube, dass wir beim Hindurchradeln im Grunde dasselbe sehen, hören und denken wie ein anderer, wie Goethe oder ein anderer, ist Quelle tiefen Glücks.
Ein Glaube nur, zweifellos, aber ein schöner! Er führt zur Gemeinschaft im Wort.

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Jul 112015
 

Vita enim sine verbo incerta est et obscura, so sagt es Martin Luther aus tiefer Überzeugung und völlig zu Recht (WA 18, 655, 10).

Zu deutsch: „Ein Leben ohne das Wort ist ungewiß und dunkel.“

So dürfen wir heute sagen: „Ein Europa ohne Wort ist ungewiß und dunkel.“ Europa sine verbo incerta est et obscura.

Zu griechisch: Η Eυρώπη χωρίς το λόγο είναι αβέβαιο και σκοτεινό.

Das Licht, die Wahrheit Europas kommt nicht vom mythischen Geld und nicht vom märchenhaften Gold her, sondern vom Wort, – vom „Logos“ also, vom logischen Denken, Erkennen, Fühlen und Handeln.

„Scheitert der Euro, scheitert Europa.“ Diese Festnagelung der Europäischen Union, schlimmer noch diese Festnagelung Europas auf das Geld, auf den Euro, dieses monetaristisch-kapitalistische Euro-Evangelium war eine falsche Erlösungslehre, eine Irrlehre, ein trügerischer Mythos, der zu nichts Gutem geführt hat außer zu der Erkenntnis, dass nicht der blind geglaubte Mythos vom Euro, sondern nur der vernünftige Glaube an die gute, verbindendende, versöhnende Macht des Wortes den Frieden und die Eintracht stiften kann, die wir dringend brauchen.

Luther (WA 18, 655, 10) hier zitiert nach:
Joachim Ringleben, Das philosophische Evangelium. Theologische Auslegung des Johannesevangeliums im Horizont des Sprachdenkens. Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2014, S. 465 (Anm. 71)

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Europa an sich: „Gib dich doch nicht verloren nur des Geldes wegen!“

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Jul 092015
 

„Dice Angela Merkel che se fallisce l’euro, fallisce anche l’Europa. È vero.“
Zu deutsch also:
„Angela Merkel sagt, dass wenn der Euro scheitert, auch Europa scheitert. Das ist wahr.“
So schreibt es wörtlich Antonio Polito unter dem Titel „Una questione di sopravvivenza“ auf Seite 1 im italienischen Corriere della sera am 30. Juni 2015.

Ist das wahr? Stimmt das? Und vor allem: Sollen wir das glauben? Ist der Erhalt des Euro in seiner jetzigen Form eine Überlebensfrage für die Europäische Union oder gar für unseren Kontinent? Ist das so? Ist das Euro-Geld der Richter über Wohl und Wehe unseres Kontinents, der sich seit etwa 2700 Jahren als etwas mehr oder minder Zusammengehöriges betrachtet?

Nein, nein, nein. Ochi. Lassen wir uns das doch nicht einreden. Der Europäischen Union ging es vor der Einführung des Euro besser als danach. Der europäischen Wirtschaft ging es vor dem Euro besser. Nie herrschte mehr Zwietracht und Uneinigkeit in der Europäischen Union als seit der Einführung des Euro. Das Geld, oder weniger das Geld an sich als vielmehr vor allem der geradezu wahnhafte Glaube an die zentrale Symbolkraft der Einheitswährung, hat Streit und Hader nach Europa getragen. Der Streit um das Geld untergräbt die Einigkeit der Nationen.

„Also sind Sie gegen den Euro, Kreuzberger?“

Nein, ich bin nicht gegen den Euro als solchen. Er könnte und sollte bleiben, denn die Menschen wollen ihn und glauben irgendwie an seinen Wert und seine Haltbarkeit, wenn sie auch sonst nicht wissen, woran sie glauben sollen. Ich beklage aber mit aller Leidenschaft, dass wieder und wieder die Einheitswährung als symbolischer Werteanker der Europäischen Union oder schlimmer noch Europas beweihräuchert wird. Ich halte das für einen gefährlichen, wahnartigen Mythos. Hier ist Umdenken gefordert. Und dann sind die nötigen Schritte schnell, rasch und entschlossen zu tätigen. Zaudern zögert den Tod heran.

Ich meine im Gegenteil: Eintracht im Geiste ist wichtiger als Einheit im Gelde. Ja: Einigkeit, Eintracht sind wichtiger als Einheit! Europa steht und fällt nicht mit dem Euro. Europa blühte besser vor der Einheitswährung. Ja: Die Europäische Union steht und fällt nicht mit dem Euro. Die Europäische Eintracht, die Europäische Union stehen und fallen doch nicht mit dem Geld. Das sollten wir uns doch nicht einreden lassen. Da sollten wir drüber stehen. Ja: Freiheit, Recht und Einigkeit sind wichtiger als Macht, Wohlstandskonvergenz und Einheit unter dem zentralistischen Mythos der Einheitswährung.

Der aus dem sächsischen Hartenstein gebürtige Dichter Paul Fleming, der die beispiellosen Verwüstungen eines mörderischen gesamteuropäischen Krieges, – dieser forderte prozentual gesehen mehr Menschenopfer als selbst der Zweite Weltkrieg – gesehen hatte, spricht uns in dieser verfahrenen Lage Mut zu. Hören wir – mit geringen zeitbedingten Abwandlungen – was er uns heute zu sagen hat:

Sei unverzagt, Europa. Gib dich doch nicht verloren.
Weich doch dem Gelde nicht. Steh höher als der Neid.
Vergnüge dich an dir, und halt es für kein Leid,
hat sich gleich wider dich Geld, Bank und Macht verschworen.
Was dich betrübt und labt, das hast du selbst erkoren,
Nimm dein Verhängnis an. Laß alles unbereut.
Tu, was getan sein muß, und eh man dirs gebeut.
Was du erhoffen kannst, das wird dir auch geboren.
Was klagt, was lobt man doch? Sein Unglück und sein Glücke
ist sich ein jeder selbst. Schau alle Sachen an.
Dies alles ist in dir. Laß deinen eitlen Wahn
und eh du weiter gehst, so geh in dich zurücke.
Wer sein selbst Meister ist und sich beherrschen kann,
dem ist die weite Welt und alles untertan.

Hier das Gedicht Flemings in der Fassung des Erstdruckes von 1642:

Sey dennoch unverzagt. Gieb dennoch unverlohren.
Weich keinem Glücke nicht. Steh‘ höher als der Neid.
Vergnüge dich an dir / und acht es für kein Leid /
hat sich gleich wieder dich Glück‘ / Ort / und Zeit verschworen.
Was dich betrübt und labt / halt alles für erkohren.
Nim dein Verhängnüß an. Laß‘ alles unbereut.
Thu / was gethan muß seyn / und eh man dirs gebeut.
Was du noch hoffen kanst / das wird noch stets gebohren.
Was klagt / was lobt man doch? Sein Unglück und sein Glücke
ist ihm ein ieder selbst. Schau alle Sachen an.
Diß alles ist in dir / laß deinen eiteln Wahn /
und eh du förder gehst / so geh‘ in dich zu rücke.
Wer sein selbst Meister ist / und sich beherrschen kan /
dem ist die weite Welt und alles unterthan.

Quelle: An Sich. In: Paul Flemings Teütsche Poemata. Lübeck Jn Verlegung Laurentz Jauchen Buchhl., Lübeck 1642, S. 576

http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/load/img/?PPN=PPN719573971&DMDID=DMDLOG_0020&LOGID=LOG_0023&PHYSID=PHYS_0595

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„Affe … hat … Affe getötet“, oder: Caesars revolutionäre Einsicht in die eigene Schuldfähigkeit

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Apr 012015
 

Sturmtief Oskar

Der Film „Planet der Affen – Revolution“, 2014 in unserer Kinos gekommen, wird wohl in jedem nachdenklichen Menschen einen sehr nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Als Regisseur des amerikanischen Streifens zeichnet Matt Reeves. Wir sahen das Kunstwerk mit Kind und Kegel und Popcorngeruch im Cinemaxx am Potsdamer Platz an einem feuchtkalten Sonntag des Jahres 2014.

Der im Original „Dawn of the Planet of the Apes“ betitelte Film spielt 10 Jahre nach einer allvernichtenden Katastrophe in der ferneren Zukunft. Eine düstere, von ständigen Regengüssen gepeitschte Landschaft ermöglicht vorläufig den wenigen überlebenden Menschen und den Affen eine vorläufige, jederzeit gefährdete Existenz, nicht weit entfernt von San Francisco.

Eine Horde Laboraffen, die tierquälerischen medizinischen Experimenten entkommen ist, hat den fast vollständigen Untergang der Menschheit überlebt, hat Lesen und Schreiben gelernt und baut sich mühselig auf den Trümmern der menschlichen Zivilation eine neue, äffische Kultur mit Brauchtum, Riten und Religion auf. Sie bilden also das, was man die „Urhorde“ nennen könnte.

Die gnadenlose Ausbeutung des Affen durch den Menschen ist eine fest verankerte, das kulturelle Gedächtnis der Affen prägende Erinnerung; ein Teil der Affen ist durch die erlittenen qualvollen medizinischen Experimente zutiefst traumatisiert; sie lehnen jeden Kompromiss mit den ehemaligen Unterdrückern ab. Sie schwören auf Rache und Vernichtung der wenigen überlebenden Menschen. „Mit den Menschen kann es keine Versöhnung geben; die Menschen werden sich nicht ändern; sie werden uns weiterhin jagen, quälen und töten! Töten wir sie, bevor sie uns töten!“ So etwa lässt sich der kulturelle Subtext dieser Affen-Ideologie zusammenfassen. Der Führer dieser Unerbittlichen ist Koba, ein außergewöhnlich groß gewachsener Bonobo, der unermessliche Qualen in einem medizinischen Labor der Menschen erlitten hat.

Dieser unversöhnlichen Feindschaft zwischen Affe und Mensch setzt Caesar, der charismatische Anführer der äffischen Urhorde, sein grundlegendes Tötungsverbot entgegen: „Affe nicht töten Affe“. Caesar predigt den solidarischen Zusammenhalt aller Affen und fordert den Verzicht auf Gewalt im Umgang der verschiedenen äffischen Sippen.

Gegenüber der Menschenhorde setzt Caesar auf Verhandlungslösungen, Abgrenzung der Territorien und gewaltlose Koexistenz. Caesar ermöglicht so, dass die Menschenhorde Zugang zu einem stillgelegten Kraftwerk hoch droben in den Bergen erhalten und sich so eine Grundlage für nachhaltige Existenz schaffen kann.

Doch sowohl bei der äffischen wie bei der menschlichen Horde behalten Scharfmacher und Hetzer vorerst die Oberhand. Bürgerkriegsartige Konflikte brechen auf, sowohl bei den Menschen wie bei den Affen. Die Mechanismen sind in beiden Horden die gleichen: Hetze, Verrat, Lüge, Gewalt.

Im Zuge dieser zahlreichen Scharmützel und gewaltsam ausgetragenen Binnenkonflikte wird auch der jugendliche Schimpanse Ash getötet, nachdem er sich aus Gewissensgründen und eingedenk der Lehren Caesars geweigert hat, unbewaffnete menschliche Zivilisten zu töten. Kein anderer als der Affe Koba ist es, der den Affen Ash gnadenlos hinrichtet! Ein Affe tötet einen Affen. Hier gefriert einem das Blut in den Adern. Tiefer Winter bricht im Frühling herein!

Einen gewaltigen Schritt in der Gewissensbildung der Affengesellschaft vollzieht jedoch der Schimpanse Caesar. Denn Caesar, der selbst durch Koba schwer an der Schulter verwundet worden ist und auf medizinische Hilfe durch die Menschen hofft, bricht in seiner schwersten Stunde zu der tiefen Einsicht durch. „AFFE … HAT … AFFE GETÖTET!“, seufzt er in seiner für Menschenohren schwer verständlichen Sprache, in seinem von Schluchzen unterbrochenen Bekenntnis. Er trifft diese bittere Feststellung ausgerechnet gegenüber dem Menschen Malcolm, und er gesteht damit ein, dass die eigene äffische Horde sittlich nicht besser ist als die bei den Affen doch so oft verachtete menschliche Horde.

„Wir selber, die eigenen Leute haben die eigenen Leute getötet. Wir Affen sind von Natur aus auch nicht besser als ihr Menschen.“ So deute ich mir Caesars Geständnis. Ich meine: Caesars Redlichkeit, Caesars Mut und Caesars Schuldbekenntnis sind der wahrhaft revolutionäre Durchbruch zu einer möglichen Versöhnung zwischen der Urhorde der Menschen und der Urhorde der Affen! Caesar nimmt aus dieser Position der Schwäche heraus auch Hilfe vom Menschen Malcolm an; er bittet sogar um Hilfe; er gesteht schuldhafte Verstrickungen der eigenen Leute ein. Und er reicht damit die Hand zur Versöhnung zwischen Affe und Mensch.

Caesars ursprüngliche Einsicht in die Schuldfähigkeit des Affen weist im Grunde auch die unerlässliche Voraussetzung zur Versöhnung der in Europa siedelnden Menschenvölker auf. Wie oft sehen wir doch, dass die Schuld für eine Katastrophe nur bei einem Volk allein gesucht wird!

Obwohl in diesem Film „Planet der Affen – Revolution“ die größere Schuld zweifellos beim Menschen liegt, tut der Affe Caesar den ersten Schritt zu Versöhnung und Frieden: er gesteht offen ein, dass auch die eigene Seite Verbrechen begangen hat. Eigene Verbrechen, die nicht schon dadurch gerechtfertigt werden können, dass „die andere Seite“ angefangen hat und ja bekanntlich weit schlimmere und zahlreichere Verbrechen begangen hat. Schwere und schwerste Verbrechen, die, so weiß Caesar, sowohl im Bürgerkrieg gegenüber den eigenen Artgenossen wie auch im Krieg der Horden gegeneinander gegenüber den Angehörigen anderer Arten begangen worden sind.

Echte Aussöhnung – dies ist die große, befreiende Einsicht, die ich 2014 aus diesem Film nachhause nahm – kann nur gelingen, wenn alle Seiten die Fähigkeit zur Einsicht in eigene Verfehlungen mitbringen, eigene Sünden offen bekennen und nicht immer die ganze Schuld nur bei den anderen suchen. Der Schimpanse Caesar weist den europäischen Völkern den Weg zu echter Vergangenheitsbewältigung!

Wird der Frieden gelingen, oder wird der am Ende des Films drohende Krieg zwischen Affen und Menschen in aller Rohheit ausbrechen? Wird echte Vergangenheitsbewältigung im offenen, ehrlichen Dialog der Bürgerkriegsparteien gelingen? Oder behalten die Hetzer auf beiden Seiten die Oberhand?

Wir wissen es nicht. Eine weitere Folge der Serie „Planet der Affen“ ist angekündigt; aber die Zukunft der Geschichte ist offen. Der Produzent und der Regisseur haben sich öffentlich noch nicht festgelegt.

Planet der Affen: Revolution | Jetzt als Digital HD.
http://en.wikipedia.org/wiki/Dawn_of_the_Planet_of_the_Apes

Bild von gestern, 31. März 2015, 08.55 Uhr. Winter im Frühling. Kreuzberg. Ein Blick durch den Park am Gleisdreieck auf den Potsdamer Platz. Dahinter, hier nicht sichtbar: das Cinemaxx-Kino.

 Posted by at 13:42

The devastating effects of BIG MONEY: It’s all Greek to the Europeans

 Europäische Union, Gemeinschaft im Wort, Novum Testamentum graece  Kommentare deaktiviert für The devastating effects of BIG MONEY: It’s all Greek to the Europeans
Mrz 102015
 

Ein heute weitgehend in Vergessenheit geratener syrischer Schriftsteller aus dem türkischen Ferienort Antakya mag wohl einen Hinweis über den richtigen Umgang mit Geld und Gut liefern. Von Beruf war er Arzt. Er schrieb nicht türkisch, sondern griechisch. Er legt im 16. Kapitel seiner früher viel gelesenen Lebensbeschreibung eine umfangreiche Abhandlung über Sinn und Unsinn des Schuldenmachens vor.

Entscheidend ist für den Verfasser – nennen wir ihn Lukas- , dass er dem Geld, also dem „Mammon“, wie er abschätzig sagt, keinen allzu hohen Rang zumisst.

Dennoch: Geld spielt eine riesige Rolle im gesamten Neuen Testament! Es ist die treibende Kraft hinter der Kreuzigung Jesu, es spaltet Gemeinschaften unheilbar.

In schroffem Gegensatz zur Europäischen Union und zu Europas Sozialdemokraten, und in denkbar schärfstem, in unüberbrückbar schroffem Gegensatz zu Europas „C“-Demokraten, die vor allem und fast ausschließlich im Geld das Bindeglied und das Unterpfand der Europäischen Gemeinschaft sehen, erblickt der mittlerweile ganz in den Hintergund gedrängte Jesus von Nazaret im großen Geld eher etwas potenziell Gemeinschaftsschädigendes. Und er hat damit recht. Der Mann hatte einen doch erstaunlich modernen Blick auf die Wirklichkeit. Ist Jesus doch irgendwie der bedeutendste Europäer? Man sollte manchmal noch an ihn denken.

Erstaunlich! Europas sogenannte „C-Demokraten“ setzen ihr ganzes Vertrauen in die einigende Kraft des Geldes; Europas C-Demokraten haben uns jahrelang eingeredet, dass wir dem Geld vertrauen sollen, dass jeder Zweifel am System Euro zu „Unfrieden“, „Krieg“ oder doch zu „Währungskrieg“ führen würde.

Was für ein abgrundtiefes Misstrauen in die menschliche Person offenbart sich in der Geldverhaftung der deutschen und der europäischen Christdemokraten! Jeder, der Zweifel am Euro-System anmeldete, wurde über Jahre hinweg verteufelt – oder als „Rechtspopulist“ stigmatisiert.

Wahnsinn des Eigendünkels, Wahnsinn der Geldgläubigkeit! Jetzt hat die EZB das Weisungsrecht gegenüber der Politik erreicht. Irre. Ein geistlicher Bankrott. Das glatte Gegenteil dessen, was das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgelegt hat. Und die C-Parteien haben das sehenden Auges zugelassen.

Was für ein grauenhafter Missbrauch des „C“ im Parteinamen! Jesus Christus, der einen deutlich realistischeren Blick aufs Geld als unsere führenden europäischen C-Politiker hat, erkennt den spaltenden, ja den verheerenden Einfluss von schlecht verwaltetem, von allzu sehr geliebtem Geld.

Geld, Big Money ist der Spaltpilz der Gemeinschaft, daran lässt Lukas nie einen Zweifel; man lese nur noch einmal die Geschichte von Hananias und Saphira in der Apostelgeschichte.

Und wenn einem schon das Geld ausgeht, sagt Jesus, dann sollte man es so ausgehen lassen, dass es menschliche Beziehungen nicht unrettbar zerstört.

Die vier Evangelien erzählen sehr viel vom Geld. Hergeschenktes Geld kann Gutes bewirken – zum Beispiel im Gleichnis vom Samariter. Uneinigkeit über das anvertraute Geld hingegen untergräbt zwischenmenschliche Beziehungen unrettbar, höhlt Vertrauen aus.

Zwei Einsichten treten immer wieder aus den vier Evangelien hervor: Geld ist sehr wichtig, aber nicht alles. Geld kann niemals gestörte menschliche Beziehungen kitten. Wer nicht einmal mit Geld vertrauenswürdig umgeht, dem wird auch kein Vertrauen entgegengebracht, wenn es um das Entscheidende, das „Wahre“ geht.

Lies auf Griechisch im Evangelium nach Lukas, Kapitel 16, Vers 9:

εἰ οὖν ἐν τῷ ἀδίκῳ μαμωνᾷ πιστοὶ οὐκ ἐγένεσθε, τὸ ἀληθινὸν τίς ὑμῖν πιστεύσει;

via Greek Bible.

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Nov 292014
 

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1. Metanoia – Umdenken, Umwenden, das innere Ruder herumwerfen – das mag wohl der Sinn des alten, heute außer Gebrauch gekommenen  Wortes Reue sein. Jesaja, Jeremia, aber auch Johannes der Täufer erhoben diese Haltung der Umkehr zum Grundmotiv. Griechisch lautet das Wort metanoia. Es dient als Übersetzung des hebräischen schuv oder teschuwa. Johannes erwartet von den Machthabern, dass sie mit der Reue, mit dem Um-Denken, bei sich selbst anfangen. Er misstraut der Macht, er bestreitet, dass Macht das Recht setzt, er verlangt, dass der Mächtige sich dem, was recht und billig ist, unterordnet. Kein König, kein Herr steht über dem Recht. Keiner darf sich zügellos über die Weisung hinwegsetzen.

2. Die Metanoia strafft gewissermaßen die Zügel beim Zügellosen. Schau sie dir an! Du siehst sie hier in diesem Bild der 1980 in Istanbul geborenen Künstlerin Yaşam Şaşmazer. Der Zügellose hat die Orientierung verloren. Er liegt platt auf der Erde. Hinter ihm die Metanoia. Sie versucht ihn aufzurichten. Aber er lässt sich fallen, er stellt sich tot. Wir betrachteten das ungleiche Gespann des Unbußfertigen und der Metanoia, als wir unterwegs zum Joseph Roth in der Potsdamer Straße waren .

3. Als Frucht der „metanoia tedesca“, der deutschen Umkehr, der deutschen Buß und Reu, wertet der italienische Politologe Angelo Bolaffi in seinem Buch Cuore tedesco den Erfolg der Bundesrepublik Deutschland – sie stelle das einzige erstrebenswerte Vorbild für die dringend gebotene Neuordnung der Europäischen Union dar: l’unico modello di riferimento che abbia dato buona prova di sé dal punto di vista della giustizia sociale e dell’efficienza economica.

4. Kommt Reue eigentlich im Euro-Wortschatz vor? Euro!  Reue! Beide Wörter klingen so ähnlich! Und doch sind sie unendlich weit voneinander weg. Ich schlug dazu das Euro-Wörterbuch des Langenscheidt-Verlages auf, als ich an der Ausstellung Metanoia  vorbeigelaufen war. Mich interessierte, wie man Metanoia ins Türkische übersetzt. Fehlanzeige! Gab es denn wirklich keinen Platz für das Wort Reue im Euro-Raum? Nein, in der Tat fehlt zwischen den Einträgen „Rettungsring“ und „Revanche“ das Wort „Reue“ im Euro-Wörterbuch.

5. Und doch wäre die tätige Reue der Rettungsring, der den Kreislauf aus Niederfallen und Revanche aufbrechen könnte.

6. Forse abbiamo bisogno di una metanoia europea. Wir brauchen wohl ein europäisches Umdenken.

Beweise:
Yaşam Şaşmazer: Metanoia.  Ausstellung in der Galerie Berlinartprojects, Berlin, Potsdamer Str. 61, 19.09.-31.10.2014
Langenscheidt Euro-Wörterbuch Türkisch. Langenscheidt Verlag KG, Berlin und München 1999, S. 481
Angelo Bolaffi: Cuore tedesco, Roma 2013, S. 254

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Der Tag geht schon zur Neige

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Nov 252014
 

Der Tag geht schon zur Neige wie ein wildes Tier nach langem Suchen und Kämpfen seine Lagerstatt sucht. Was soll all das Kämpfen, was soll all das Suchen?

Wie von selbst klingen jetzt  Brentanos herrliche Verse im Ohr:

  

Sprich aus der Ferne,
Heimliche Welt
Die sich so gerne
Zu mir gesellt.

 

Wenn des Mondes still lindernde Tränen
Lösen der Nächte verborgenes Weh;
Dann wehet Friede. In goldenen Kähnen
Schiffen die Geister im himmlischen See.

 

Klingender Lieder
Glänzender Lauf
Ringelt sich nieder
Wallet hinauf

Sind durch die Nächte die Lichter gewunden,
Alles ist ewig im Innern verwandt,
Alles ist freundlich wohlwollend verbunden
Bietet sich tröstend und traurend die Hand.

 

 

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Spring, wenn du dich traust!

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Aug 162014
 

2014-08-13 17.06.24

Bezaubernde Augenblicke, herrliche Gespräche zwischen Jung und Alt, zwischen Russen, Ukrainern und Deutschen konnte ich wieder bei meinem letzten Aufenthalt am Fluss Moskwa in Russland erleben, der soeben zu Ende gegangen ist! Als unerschöpfliche Quelle von Kontakten und Überraschungen erweist sich wieder einmal die Tarzanka am Fluß  bei uns in Nikolina Gora. Die Kinder springen voller Wonne, voller Selbstvertrauen in den Fluss, einige klettern mit unfassbarer Behendigkeit die Stämme hoch, um das Seil mal höher, mal tiefer zu legen, je nachdem, wer gerade springt, schaukelt oder schwingt!

„Können Sie eigentlich auch springen?“, fragt mich die achtjährige Natascha. Und ihr Blick sagt: „Spring, wenn du dich traust!“  „Ja!“, erwidere ich. Aber meine Springversuche sind viel zu zaghaft, sie rufen eher Belustigung als Bewunderung hervor. Sei’s drum. Für eine Ausbildung zum echten Tarzan bin ich etwas zu alt.

Die Zukunft an der Tarzanka und an allen anderen Orten gehört  den Kindern aus Russland, Ukraine, Deutschland – aus allen europäischen Ländern, ja aus allen Ländern der Welt überhaupt. Vielleicht ist dies eine Botschaft, die ich mit nachhause bringe: Wir Erwachsenen haben kaum eine wichtigere, kaum eine schönere Aufgabe, als den Kindern ein sicheres, geborgenes Hineinwachsen in die Freiheit des Springens zu ermöglichen.

Umgekehrt versuche ich in der Datscha zu punkten beim kleinen Tima, der im Alter von 6 Jahren bereits erste Fremdsprachenkenntnisse erworben hat. Unsere Konversation läuft schon ganz gut, doch bei den Abschiedsgrüßen, die wir auf Russisch, Deutsch und Polnisch austauschen, sieht er mich plötzlich forschend, unverwandten Blicks an und stellt auf Russisch die Frage: „Können Sie eigentlich auch Englisch?!“

Ich war in der Zwickmühle. Was sollte ich antworten? Würden meine Englischkenntnisse ausreichen, um ihm das Wasser zu reichen? Ich gehe das Wagnis ein und sage: да! Und jetzt kommt der ultimative Test für mich!

Tima sagt in hellem, klarstem Englisch zu mir:  „Goodbye!“

Und stellt euch vor: Ich wusste die Antwort darauf. Ich war nicht überfordert! Das also wenigstens konnte ich.

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Alone together – I was asked by David Blair

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Apr 222014
 

2014-04-16 07.53.26This has been yet another godsend that happened to this poor blogger! Imagine this: Just a few minutes ago, a man crossed my way in the Park at the Triangular Junction and asked me:

What do you think when you hear these two words

Alone together

It’s the title of my newest song.

I reflected for 30 seconds. The man presented himself as David. I presented myself as John. Then I gave David my answer: „Alone together? These two words perfectly encapsulate what makes us up as human beings. We are alone the moment we are born. Alone, longing for togetherness … together, longing for loneliness until we die. Togetherness and loneliness go hand in hand.“

And I went on and on for endless 90 seconds. I could have gone on for 90 minutes or 90 days. I ended up saying: „Alone together — I congratulate you on this title.“
http://www.davidblairsongs.com/

The picture shows a view of the Park at the Triangular Junction close to the new bridge across Yorck street.

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