Jun 042012
 

Direkt in meiner Nachbarschaft reißt der Wahnsinn viele Kinder und Erwachsene in den Abgrund. Ein Ehemann ermordet seine Frau, zerstückelt die Leiche und wirft sie vom Dach des Hauses in den Hof. Ich kenne einige Familien aus der Siedlung, halte mich immer wieder mal dort auf und plaudere. Die Kinder wirken alle sehr aufgeweckt. Gewalt und Schläge der Männer sind selbstverständlicher Teil des Alltags für viele Kinder und Frauen im Viertel. Sozialarbeiter sind hier seit langem überfordert. Der Staat schaut weg, teilweise haben die meisten Politiker noch nicht einmal im Ansatz begriffen, wie die Zusammenhänge sind. Der Tagesspiegel, der direkt daneben residiert, berichtet nichts über seine Nachbarschaft, ebensowenig wie die andere gutbürgerliche Presse.  18 Monate lange hat einer meiner Söhne die Grundschule in diesem Kiez besucht. Dann meinten wir dies nicht mehr verantworten zu können. Die schöne Architektur aus den IBA-Zeiten erinnert an die würfelförmigen Kasbahs im Maghreb.

Gute Initiative – zu der nicht nur türkische Männer, sondern auch kurdische, deutsche, arabische, palästinensische und überhaupt Männer kommen sollten! Lies:

Kundgebung “Türkische Männer protestieren gegen Gewalt und Barbarei”


Nach dem barbarischen Mord eines Türkei stämmigen Mannes an seiner Ehefrau in der Nacht zum 04.06.2012 in Berlin-Kreuzberg ruft die Türkische Vätergruppe  des Vereins Aufbruch Neukölln zu einer Kundgebung unter dem Motto “Türkische Männer protestieren gegen Gewalt und Barbarei” auf.

Redner: Kazim Erdogan

Ort: Köthener Str. 37, 10963 Berlin (Tatort)
Datum: 05.06.2012
Uhrzeit: 19.00 Uhr

Auf der Kundgebung werden T-Shirts mit der Aufschrift “Männer gegen Gewalt” verteilt.

 

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Wohnraum: ein wichtiges Gut zentralstaatlicher Steuerung!

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Apr 042012
 

Interessante Zahlen treffen in diesen Tagen zur Bewirtschaftung des Wohnraums durch den treusorgenden Staat ein!

Der Staat traut es den Menschen nicht zu, mit einem gewissen Geldbetrag eigenverantwortlich umzugehen. Stattdessen wird akribisch der Bedarf für einzelne Ausgabenarten ermittelt und dann nach einem festen Schlüssel zugewiesen. Lest zunächst die neueste Volksbeglückungsnachricht:

Unterkunftskosten: Höhere Warmmieten-Zuschüsse für Berlins Hartz-IV-Empfänger – Aktuelle Nachrichten – Berlin Aktuell – Berliner Morgenpost – Berlin
Nach den neuen Richtwerten steigt der Heizkostenzuschuss für eine Person in einer 50 Quadratmeter Wohnung von 378 Euro auf im Schnitt 394 Euro. Dabei liegt der Zuschuss bei Heizöl bei 398 Euro, für Erdgas bei 389 Euro und bei Fernwärme bei 408 Euro. Ein Zwei-Personen-Haushalt mit maximal 60 Quadratmetern bekommt künftig für die Bruttowarmmiete statt 444 Euro durchschnittlich 472,50 Euro, drei Personen 578 Euro (statt 542), vier Personen 665 Euro (statt 619) und fünf Personen 766 Euro (statt 705). Einer dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft stehen in Berlin 75 Quadratmeter zu, vier Personen dürfen 85 Quadratmeter bewohnen und eine fünfköpfige Familie 97 Quadratmeter. Für jede weitere Person kommen 12 Quadratmeter dazu.

Interessant sind die aktuellen Richtwerte der Wohnungsgrößen für Menschen, die nicht vom selbstverdienten Geld leben:

1 Person: max. 50 Quadratmeter
2 Personen: max. 60 Quadratmeter
3 Personen: max. 75 Quadratmeter
4 Personen: max. 85 Quadratmeter
5 Personen: max. 97 Quadratmeter

Im Vergleich:
Sowjetunion 1928:
Jedem Sowjetbürger durften nicht mehr als 8 qm Wohnfläche zur Verfügung stehen (Quelle: J. Baberowski, Verbrannte Erde, München 2012, S. 148f). Eine 5-Personen-Familie durfte über einige Jahrzehnte hinweg nicht mehr als 40 qm bewohnen.

Das war auch in der Tat so, das haben mir ehemalige Sowjetbürger bestätigt.

Ein deutscher alleinstehender Arbeitsloser, der in einer 1-Zimmer-Wohnung lebt, hat also Anspruch auf mehr Wohnraum als eine sowjetische Durchschnittsfamilie insgesamt bis in die 60er Jahre hinein hatte.

DDR:
Einer 5-Personen-Familie standen durchschnittlich 85 qm zur Verfügung (Quelle: J. Gauck, Winter im Sommer, München 2011, S. 121)

Zugleich stehen derzeit in Berlin 130.000 Wohnungen (7,5% aller Wohnungen) leer – allem Geunke von Verdrängung und Mietsteigerungen zum Trotz. Durch höhere Heizkostenzuschüsse verhindert der Staat, dass Umzüge in billigere leerstehende Wohnungen notwendig werden. Der enorme Leerstand an Wohnungen bleibt bei konstanten Bevölkerungszahlen erhalten, die Mieten steigen also dank staatlicher Zuschüsse stärker an, als dies ohne die Heizkosten-Zuschüsse der Fall wäre.

Die zentral steuernde Politik des Berliner Senats wirkt preissteigernd auf den Mietenmarkt ein. Sie lähmt erneut wie in zahlreichen anderen Fällen die Eigenkräfte der Bedürftigen, entmutigt sie, selbst auf die Suche nach einem gangbaren Weg zu gehen.

Der Berliner Senat verzerrt – wie schon seit Jahrzehnten – das ausgleichende Spiel von Angebot und Nachfrage. Wir leben weiterhin in einem stark staatsgläubigen, auf zentrale Steuerung und abfedernd-erstickende  Fürsorge bedachten Bundesland. Der einzelne Mensch kann wenig – die Politik des  Bundeslandes Berlin kann fast alles – und die Geber-Bundesländer müssen weiterhin für uns zahlen. Das ist die Formel des ungebrochenen Vulgärsozialismus, der die Berliner Landespolitik durchzieht.

Im Durchschnitt steht heute jedem Bundesbürger doppelt so viel Wohnraum zur Verfügung wie 1990. Was bedeutet das für die Klimapolitik? Fast 40% der Klimakiller werden aus den Heizungen in die Luft geblasen. Schon mal drüber nachgedacht, liebe Klimaretter?

Von den 40,5 Millionen Wohnungen in Deutschland stehen 3,5 Millionen leer; Leerstandsquote: 8,6%, Steigerung gegenüber Vorjahr: 0,6% (Quelle: Statistisches Bundesamt).

Trotz aller Abrisse steigt der Wohnungsleerstand in Deutschland an. Nur dank staatlicher Bemutterung und dank staatlicher Eingriffe in den Mietenmarkt können die Mieten in einzelnen begehrten Lagen so stark steigen, wie sie dies ja auch tatsächlich tun.

Gerade Kreuzberg mit seinem exorbitant hohen Hilfe-Empfänger-Anteil verzeichnet besonders starke Mietenanstiege, die nur dadurch zu erklären sind, dass der Staat immer mehr Geld direkt in die Wohnraumversorgung steckt und somit den Mietenanstig stützt.

Der Staat finanziert mit öffentlichem Geld den hohen Standard der Wohnraumversorgung in Kreuzberg. Der Staat ist unbeabsichtigt ein Preistreiber bei den Mieten.  Staatliche Preistreiberei bei den Mieten, weitere Entmündigung der Sozialklientel, Wählerstimmen im Gegenzug für wettbewerbsverzerrende Geschenke der öffentlichen Hand an selbsternannte Mündel der bemutternden Politik – dieses uralte Rezept, das noch aus Mauerzeiten stammt, geht in Berlin weiterhin auf. Wohl bekomm’s!

Eine wirklich intelligente Politik würde wirtschaftliche Anreize schaffen, in weniger gefragte Lagen umzuziehen, in denen das Mietniveau niedriger ist. Der Staat könnte z.B. mehr Verwaltungs-, Kunst- und Bildungseinrichtungen in ländlichen, unterentwickelten Räumen schaffen, wo oft 30 oder 40% der Wohnungen leerstehen. Beschäftigung schafft Zuzug! Zuzug schafft Mieter, Wegzug der Arbeitslosen hin zu neuer Beschäftigung würde den Berliner Mietenmarkt dämpfen.

Aber nein. Besitzstandswahrung ist das überragende Gebot der aktuellen Politik – und wenn jemand etwas anderes verlangt, kann er allenfalls Sonntagspredigten halten.

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Nach Leipzig! Wir fahren mit dem Rad nach Leipzig!

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Feb 092012
 

Interessante Sache das, heute abend, weiß nicht, ob ich es noch dorthin schaffe! Hier die Einladung des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg:

Pressemitteilung Nr. 061 vom 01.02.2012

Der so genannte „Flaschenhals“ ist ein Teilstück des Gleisdreiecks. Er befindet sich südlich der Yorckbrücken zwischen Yorckstraße und Monumentenstraße im Bezirk Tempelhof-Schöneberg.

Mit dem 2. Bauabschnitt des Bauvorhabens „Fernradweg Berlin-Leipzig“ wird die aus dem Gleisdreieck kommende überregionale Radwegeverbindung über den Flaschenhals fortgesetzt und ein weiterer wichtiger Schritt zum Lückenschluss für den Nord-Süd-Grünzug unternommen.Informationsveranstaltung zum Baubeginn
am 09.02.2012 um 18.30 Uhr
im Rathaus Schöneberg, Louise-Schroeder-Saal (Raum 195)
John-F.-Kennedy-Platz, 10825 Berlin

http://www.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/presse/archiv/20120201.1215.365686.html

Hier ein paar Gedanken:

Monumentenbrücke:

Das Verkehrsaufkommen scheint mir nicht so hoch, dass eine aufwendige, teure gesonderte Ampelschaltung für den Linksverkehr zu rechtfertigen wäre. Lieber alles etwas einfacher, übersichtlicher, als für jede Bedarfslage die richtige Sonderlösung! Ich persönlich bin deshalb nach jetzigem Diskussionsstand für einen vorgezogenen Aufstellstreifen für alle Richtungen des Radverkehrs VOR der Ampel.

Ich bin gegen eine Verschmälerung des Bürgersteiges.

Zufahrten in den Park allgemein:

In jedem Fall würde ich die – mutmaßlichen – Wünsche der Anwohner ernst nehmen. (Ich bin selbst unmittelbarer Anwohner.) Hecken und Büsche, so meine ich, müssen nicht entfernt werden, damit die Zufahrten zum Radfernweg möglichst rasch und zügig befahren werden können. Wir werden auf dem Fernweg selbst genug Platz haben, um uns zu tummeln.

Bei diesem Park am Gleisdreieck versuchen die Planer offenbar tatsächlich, Fuß- und Radverkehr durch großzügige Platzaufteilung zu einem schiedlich-friedlichen Miteinander zu ermuntern, und zwar weitgehend ohne Vorschriften. Es soll jetzt mal beobachtet werden, ob das klappt. Grundgedanke scheint zu sein, durch sinnvolle Aufteilung der Räume eine Überregulierung der Verkehrsströme überflüssig zu machen, die Radfahrer und die Fußgänger zu ständiger Vorsicht und Rücksicht zu ermuntern. Mach’s einfach, klar, unmissverständlich!“ 

Nebenbei: Das Grünanlagengesetz des Landes Berlin vom 24.11.1997 verbietet in § 6, Abs. 2 Satz 1 neben anderen Tätigkeiten ausdrücklich auch das Radfahren in geschützten Grünanlagen. Nur auf gesondert ausgewiesenen Flächen ist das Radfahren zulässig. Der neue Park am Gleisdreieck ist eine solche geschützte Grünanlage. Die Wege sind allerdings breit genug, um Fußgängern, Joggern und Radfahrern ein friedliches Miteinander zu ermöglichen. Streng rechtlich gesehen ist das Radfahren im wunderschönen neuen Park derzeit nicht erlaubt.

Persönlich bin ich ein großer Anhänger dieser Konzeption, würde in jedem Fall die Grundgedanken der Parkplaner unterstützen – es sei denn, es stellte sich in einigen Monaten heraus, dass es so nicht klappen kann.

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Vom Wasser haben sie’s gelernt, vom Wasser!

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Feb 042012
 
310120121569.jpg

Kurzer Aufenthalt des armen Kreuzberger Wanderers  in Venedig! Die Nebensaison eröffnete ungeahntes, trautes Beisammensein mit zahlreichen Schätzen und kühnen Geistern: Tizian, Calatrava, Markus, Leonardo, um nur einige zu nennen. Nicht schlecht. Ich fand’s wahnsinnig faszinierend zu sehen, wie Venedig mit dem Wasser umgeht! Produktive Einbindung der Wasserstraßen ins hochverdichtete städtische Umfeld – und das über ein Jahrtausend lang! Die gesamte Lagunenstadt ist autofrei. Folge: Der Mensch lebt auf, die Menschen aus aller Welt lieben das, zu sehr vielleicht. Gäbe es mehr Städte, die wie Venedig wären, nähme dies etwas vom Touristendruck weg.

Man HÖRT Gespräche, man HÖRT den Glockenschlag. Und nachts? Es quillt und zittert in goldenen Tropfen über die Fläche weg! Zauberhaft.

Moderne Stadtplanung eifert seit ca. 3 Jahrzehnten solchen Grundeinsichten nach, z.B. in Augsburg, in Freiburg i. Br., in und um Dresden, in Amsterdam. Hinterdrein dümpelnd im internationalen Umfeld wie üblich: unser aller Friedrichshain-Kreuzberg, gelobt sei dein verstaubter Charme. Aber du wirst schon noch auf den Trichter kommen.

Im Bild: der Fußgängersteig des berühmten Baumeisters Calatrava. Kuckstu ma hier: Hochwertige Anmutung, organisch wachsend, verbindungschaffend zwischen Hauptbahnhof und Stadtteil S. Polo.   Vorbildlich.

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Augsburg verstehen

 Augsburg, Kinder, Kochen, Konservativ, Männlichkeit, Nahe Räume, Tugend, Vorbildlichkeit  Kommentare deaktiviert für Augsburg verstehen
Nov 152011
 

Die Vaterstadt, heut find ich sie wieder! Den größten Teil meiner Jugend wohnten wir im Augsburger Stadtteil Hochzoll-Nord. Gut! In der Tat: Auf meine Augsburger Herkunft bin ich stolz wie auf Bert Brecht und Leopold Mozart, auf Rudolf Diesel und Jakob Fugger. Stolz? Ist Stolz ein schwieriges Wort? Nein. Stolz heißt, dass ich weiß und hochschätze, was in Augsburg an Gutem geschieht und was die Stadt mir an Gutem geschenkt hat! Heute bringt die Süddeutsche Zeitung unter dem Titel „Von wegen Restschule“ auf ihrer Seite 6 eine gedruckte Lobeshymne auf meinen alten Heimatbezirk Augsburg-Hochzoll. Ich kenne alle genannten Schul- und Ortsnamen persönlich, wohnte einen Steinwurf von der Werner-von-Siemens-Grundschule entfernt. Und in den Lobpreis all der Schulrektoren, Bäckermeister, Lehrlinge und ehrenamtlichen Mentoren, von denen ich in Augsburg Hunderte und Aberhunderte erlebt habe, kann ich nur einstimmen, getreu jenen lärmend-unartigen Ghettokids aus dem Faust, die da grölen:

Mein Augsburg lob‘ ich mir!
Es ist ein klein Berlin und bildet seine Leute …

Wahrhaftig: Augsburg bildet seine Kinder, einerlei ob sie nun Fethulla, Serkan, Ivan oder Resa heißen. Darin kommen alle Beobachter überein, die einen Vergleich zwischen anderen Städten und Augsburg anstellen können. Ich traf beispielsweise bei der Wahlkampfveranstaltung Klaus Wowereits am Kreuzberger Mehringplatz am 26.08.2011 einen Augsburger Berufsschullehrer, einen erklärten SPD-Unterstützer, mit dem ich sofort ins Gespräch kam und der mir alle diese Dinge, die ich heute in diesem Post schreibe, mehr oder minder ins Blog einflüstert. Unser heutiges Bild zeigt einen Schnappschuss von jener Veranstaltung.

Ein ganz entscheidender Standortvorteil in Augsburg sind aus der Sicht der Jugendlichen vor allem die vielen, vielen tüchtigen und ehrlichen Lehrer und Meister, die vielen Leiter der kleinen und mittelgroßen Ausbildungsbetriebe. Zwei von ihnen werden durch den Journalisten Johann Osel vorgestellt: Gerhard Steiner, Rektor der Hochzoller Werner-von-Siemens-Mittelschule, und Hansjörg Knoll, Bäckermeister, der in der Schulküche bäckt. Die enge Verzahnung von Hauptschule und Handwerksbetrieben hilft dabei, dass jedes Kind das beste persönliche Potenzial entfalten kann. Und so kommt es, dass ein Schüler namens Serkan oder Josef an bayerischen Hauptschulen nachweislich mindestens ebenso gut oder sogar besser abschneidet, besser bäckt und schreibt, rechnet und redet, mehr beruflichen und persönlichen Erfolg hat als ein Gymnasiast namens Serkan oder Joseph an Gymnasien anderer Städte. Noch einmal: Klare, fleißige, „kantige“ redliche männliche Vorbilder wie etwa Gerhard Steiner und Hansjörg Knoll habe ich damals als Jugendlicher zu Hunderten in Augsburg erlebt.

Noch etwas: Es wird von den Meistern und Bäckern kein geziertes Hochdeutsch, sondern gepflegtes Schwäbisch geschwätzt.  Na und? Dem Teig tut’s nicht weh.

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Okt 262011
 

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An dieser Stelle der Wilhelmstraße sah ich vor etwa 10 Tagen mitten auf der Radfahrspur eine schwer verunfallte Radfahrerin bewegungslos auf dem Boden liegen – zusammengeprallt mit einem rechts abbiegenden Fahrzeug. Mehrere Unfallzeugen kümmerten sich bereits vorbildlich um die Verletzte, der ich von dieser Stelle aus rasche und vollständige Genesung wünsche.

Und damit zum Thema des Tages: Sicherheit im Fahrradverkehr.

Die durch Bundesverkehrsminister Ramsauer angeregte Helmpflichtdebatte hat „mit Sicherheit“ erreicht, dass das Thema Sicherheit im Fahrradverkehr wieder nach oben „gespült“ worden ist. Ebenso trat in den Vordergrund, ein wie wichtiger Faktor das Verhalten der Verkehrsteilnehmer ist. Die beste Fahrrad-Infrastruktur ist nutzlos, wenn sie nicht genutzt wird und die Radfahrenden zu wenig zur Eigensicherung und Eigenverantwortung
unternehmen. Empfehlenswerte Maßnahmen der Eigensicherung sind
beispielsweise gute Sichtbarkeit im Dunkeln, das Befahren der Radweganlagen
nur in der vorgeschriebenen Richtung, aber auch die ständige Vorsicht
gegenüber sich öffnenden Autotüren und rechtsabbiegenden Kraftfahrzeugen.

Ich persönlich meine: Der Fahrradhelm ist ein sinnvoller Bestandteil der Eigensicherung. Er
verleiht bei nicht zu hohen Aufprallgeschwindigkeiten des Kopfes einen
gewissen Schutz vor schweren Schädelverletzungen. Dies haben mir mehrere
helmtragende Fahrradfahrer, die einen Sturz auf den Kopf ohne Trauma
überlebt haben, bestätigt. Auch Rettungsmediziner, mit denen ich sprach,
haben mir dies so bestätigt.

Ich empfehle Kindern und Erwachsenen das Tragen des Helms neben
anderen Maßnahmen der Eigensicherung wie etwa heller Kleidung im Dunkeln. Gegenüber meinem minderjährigen Sohn habe ich das Helmgebot kraft elterlicher Verantwortung autoritär durchgesetzt.

Das reflexhafte Abwehren  der Helmdebatte oder der Helmpflichtdebatte, noch
dazu mit ständiger Bezugnahme auf veraltete Untersuchungen und „gut
abgehangene“ Argumente, ist nicht zielführend. Warum?

Ich beobachte bei uns im Bezirk eine stark zunehmende Achtlosigkeit, ja
Verantwortungslosigkeit bei immer mehr Radfahrenden. Diese subjektive
Beobachtung wird gestützt durch die überproportionale Zunahme an verletzten
Radfahrern bei uns im Bezirk: Die Zahl der verunfallten und verletzten
Radfahrer hat in dem radverkehrsstarken Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg im
Jahr 2010 und auch bisher in 2011 stärker zugenommen, als nach dem Anstieg
des Radverkehrs zu erwarten gewesen wäre. Eine erhöhte Zahl an Radfahrenden
bedeutet also nicht automatisch mehr Sicherheit beim Radverkehr. Auch beobachten wir schwere Unfälle an vorbildlich ausgestatteten Radverkehrseinrichtungen (breite Radfahrstreifen, deutlich abmarkierte Radlerfurten usw.).

Ebenso ist beispielsweise die ständige Vorsicht beim Geradeausfahren neben
rechtsabbiegenden Fahrzeugen eine empfehlenswerte Maßnahme des
Eigenschutzes. Ich meine, dass wir ständige Vorsicht beim
Geradeausfahren neben rechtsabbiegenden Fahrzeugen wieder und wieder
empfehlen sollten.

Sicherheit im Radverkehr ist eine Gesamtaufgabe: radverkehrstaugliche
Infrastruktur, Maßnahmen an den Fahrzeugen, verantwortliches Verhalten zur
Eigen- und Fremdsicherung müssen zusammentreten. Das Tragen eines Helms kann
Bestandteil des empfohlenen Verhaltens werden.

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Dem kippenden Kiez Kunst entgegensetzen!

 Friedrichshain-Kreuzberg, Nahe Räume, Positive Kommunikation  Kommentare deaktiviert für Dem kippenden Kiez Kunst entgegensetzen!
Okt 042011
 

Eine kulturell hochbedeutsame Woche hat für den Blogger geschlagen. Werft hier einen Blick in die Kette der Pflichten und Freuden:

Donnerstag, 06.10.2011, um 15 Uhr: Bei der ÖKOTUSSI, Großbeerenstraße 11, Kreuzberg-West, spielen unsere 3 kurzen Geiger (6 bis 9 Jahre alt) ein kurzes Konzert! Eintritt frei, Spenden unzulässig

Donnerstag, 06. Oktober 2011, 17.00-18.00 Uhr: Jahn trifft Jane. Der neue Kreuzberger Gleisdreieck-Park ermuntert zu körperlicher Ertüchtigung, zu Gemeinsinn und Leistung. Wir treffen uns im Geiste des Turnvaters Friedrich Ludwig Jahn und der Fitnessmutter Jane Fonda zu Parkbesichtigung, bürgerlichem Platzputz und präventiver Rückengymnastik. Treffpunkt: Haupteingang an der Hornstraße

Anschließend ab 18 Uhr, Wirtschaft Stresemann, Stresemannstraße 48:  Einläuten des Schreibwettbewerbs „Was mir am neuen Gleisdreieck-Park gefällt und was ich dafür tun möchte, dass es so bleibt“.

Samstag, dem 8. Oktober 2011, Konzert um 18 Uhr im Fachwerkhof, Solmsstraße 30 (Bergmannkiez Kreuzberg). Zwei Sopranistinnen, Irina Potapenko und Angelina Billington, werden in Begleitung von Lala Isakova (Piano) Werke des 18. und 19. Jahrhunderts aufführen.

Bild: die wenige Wochen alte Parkbank, auf der die jugendlichen Kreuzberger Skater ihr Geschick erprobten. Mitverantwortung an der begonnenen Zerstörung des öffentlichen Eigentums trägt der hier schreibende Blogger, denn er wagte es nicht dazwischenzugehen, als er die Jugendlichen die Bank mit ihren Skates so misshandeln sah. Ich hätte es tun müssen.

Interessant: Alle Tags, alle Graffiti-Schmiereien an den Bänken werden offenbar täglich durch Abschleifen des Holzes schnell wieder entfernt. Die Schmierereien an den Mülltonnen werden überstrichen. Aber die Kreuzberger sind schneller! In den letzten Jahren hat das Ausmaß der Schmierereien  hier in Kreuzberg-West sehr zugenommen, die Gegend droht zu kippen.

Mechanische Zerstörungen wie die hier beobachtete blieben selbstverständlich erhalten.

 Posted by at 20:18

Braucht Kreuzberg einen parkpädagogischen Dienst?

 Anbiederung, Friedrichshain-Kreuzberg, Nahe Räume  Kommentare deaktiviert für Braucht Kreuzberg einen parkpädagogischen Dienst?
Sep 272011
 

Die Frage drängt sich auf. Bürgermeister Schulz setzt auf einen umweltpädagogischen Ansatz (S. 8, Tagesspiegel heute). Die freundlichen schwarzen Herren sollen den Hundehaltern behutsam Gründe nahelegen, warum man Hunde anleinen sollte, sollen Flaschenzertrümmerern, Dealern, Sprayern, Schmier- und Schmutzfinken wertvolle Denkanstöße liefern, damit sie nicht weiter Flaschen zertrümmern, Stoff dealen, Bänke besprayen oder mit dem Edding ruinieren.

Berliner Parks: „Kollege, guckst du nach Beet, ja?!“ – Berlin – Tagesspiegel

Ein typischer Fall von Berliner Überversorgung! Und dafür hat es Geld? Und dafür hat Kreuzberg Zeit? Fürwahr, Kreuzberg ist eine riesige Kita für kindsköpfige Erwachsene! Wann wird Kreuzberg erwachsen? Aber die Müllverbreiter schaffen dank gütiger Fürsprache von oben wieder viele Arbeitsplätze und Projekte.

Ich schlage etwas anderes vor: „Werde Anteilseigner des Parks! Bezahle 20 Euro Bußgeld für jeden freilaufenden Hund, bezahle 15 Euro für liegengelassene Flaschen, bezahle 100.- Euro für jede Schmiererei.“

Allerlei Unsinn steht im Artikel. Völllig schief der Vergleich mit Tempelhof. Das Tempelhofer Feld ist nur deswegen weitgehend frei von Vandalismus und Kriminalität, weil es Tag und Nacht bewacht wird und nachts abgeschlossen ist. Die Kleingärtner sind viel später gekommen. Sie bewirken wenig für die Frage des Vandalismus, so nett es auch ist, wenn Menschen sich einen Teil des öffentlichen Raums aneignen. Was würden Rousseau und  Marx dazu sagen? „Der erste, der einen Zaun um sein Stück [Tempelhofer] Feld  setzte und behauptete, das ist meins, hat die Ungleichheit und die Knechtschaft und den Kapitalismus geschaffen.“

Richtig dagegen das Argument mit den Gewerbetreibenden, die eine Verbesserung am Mauerpark bewirkt haben. Privatwirtschaftliches Engagement ist gut für das Umfeld, denn es bedeutet, dass jemand sich verantwortlich fühlt.

 Posted by at 23:00

Unser aller Perle: der neue Park am Gleisdreieck

 Das Gute, Friedrichshain-Kreuzberg, Geld, Gleisdreieck, Nahe Räume, Rechtsordnung, Verwöhnt  Kommentare deaktiviert für Unser aller Perle: der neue Park am Gleisdreieck
Sep 262011
 

Die Investoren vom Potsdamer Platz schenkten uns Bürgern einen neuen Park. Wie schön! Etwa 8 Millionen haben sie für den ersten Teil hingeblättert. Ich bleibe zutiefst begeistert von dieser neuen Anlage und nutze sie fast täglich, um meine Familie und mich zu erholen, zu kräftigen und zu erquicken, dass der Turnvater Jahn oder auch Jane Fonda ihre helle Freude an uns gehabt hätten.

Breite Wege schaffen Sichtachsen, Inseln der wildwuchernden Natur bewahren des Gedächtnis vergangener Nutzungen.  Die gesamte Ausstattung wirkt außerordentlich zweckmäßig, solide, strapazierfähig und bis ins kleinste Detail sorgfältig bedacht, beredet, beplant. SEHR GUT GEMACHT, GRÜN BERLIN!

Einen Gewissenskonflikt erlebte ich vor drei Tagen im neuen Park, als ich beobachtete, wie einige jugendliche Skater mit ihren scharfkantigen Roll-Gleitern auf die roh gezimmerten, starkbohligen Bänke des neuen Parks aufsprangen, sie mit ihren klotzigen Fußhobeln aufraspelten und an ihnen entlangschabten.

Ist das Skaten auf Parkbänken verboten? Ich weiß es nicht. Sachbeschädigungen gelten hier in Kreuzberg als normal. Ich enthielt mich tunlichst eines Zwischenrufs. Mit öffentlichem Gut wird hier im herrlich linken, herrlich toleranten Friedrichshain-Kreuzberg oft besonders rücksichtslos umgegangen. Die anderen Bezirke, die anderen Bundesländer zahlen alles treusorgend. Zur Not schickt der tolerante Bürgermeister den Putztrupp – wie am Görlitzer Park – ein drittes Mal. Motto: Der verwöhnte Bürger in der Hauptstadt der Armut müllt, der reiche Staat räumt auf.

Nicht erwünscht ist im neuen Park am Gleisdreieck nur dreierlei: das Freilaufenlassen der Hunde, das Grillen und das Müll-Liegenlassen.

Das Graffiti-Sprühen ist offenkundig nicht verboten. Schon am ersten Tag war die Skate-Anlage umgestaltet:

Erste Negativberichte erreichen mich über die Presse:

Vandalismus, Müll, Drogenhandel: Neuer Park am Gleisdreieck verkommt – Berlin – Tagesspiegel

Ich habe den Bericht im Tagesspiegel gelesen, halte ihn aber zum jetzigen Zeitpunkt für übertrieben. Man gewinnt den Eindruck, als sähe es hier schon so aus wie in der Hasenheide oder im Görlitzer Park. Diese beiden Parks sind in der Tat in der Hand des Mülls und der Drogenhändler. Sie sind in der warmen Jahreszeit durch die typische Verwahrlosung weitgehend zu Unorten ohne echte Aufenthaltsqualität geworden.

Aber hier am Gleisdreieck konnte ich bisher nur einen Drogenhändler sehen, die meisten Bänke sind noch weitgehend im Originalzustand, die kreuzbergtypischen Schmierereien haben den Park noch nicht im Griff! Glasscherbensalate, ganze Batterien von leergesoffenen Schnapsflaschen sah ich bisher nur auf den Yorckbrücken am „Flaschenhals“ (sic!), glassplitterübersät waren nur geringe Teile der Wiese! Danke an die Säuberer und Reiniger!

Weder entdeckte ich auf Spielplätzen bisher Drogenverstecke oder Spritzbestecke wie an anderen Spielplätzen in Kreuzberg-West noch über und über besprühte Naturschutztafeln wie im Viktoriapark.

Die Hunde laufen hier im Park eigentlich immer frei herum. Heute sah und hörte ich, wie zwei in freundlichem Schwarz gekleidete Parkbetreuer zwei Hundehalter darum baten, doch bitte ihren – wie beobachten konnte – seit 20 Minuten frei herumspringenden Pitbull anzuleinen. „Den haben wir grade erst losgelassen!“, logen die Hundehalter. „Kaum läuft er ein paar Meter frei herum, wird man gleich angemacht …!“, maulten sie. Dennoch blieben die freundlichen Parkschützer (aus Stuttgart?) freundlich-kooperativ wie eh und je. Sie schienen sich entschuldigen zu wollen dafür, dass sie heute die Parkordnung durchzusetzen sich bemühten.  Man lachte und einigte sich darauf, den Pitbull diesmal ein paar Meter anzuleinen.

Na bitte, es geht doch!

Bürgerinnen und Bürger! Wollen wir versuchen, uns dieses großartigen Geschenkes der westdeutschen Investoren, der stets zahlungswilligen, braven Kapitalisten vom Potsdamer Platz würdig zu erweisen?

Ich hege Zweifel. Wir Berliner sind ein verwöhntes Pack. Was uns nichts kostet, wird nicht wertgeschätzt.

Ich meine, dieses Juwel gilt es zu hegen und zu pflegen. Es darf nicht den Weg des Görlitzer Parks oder der Hasenheide gehen.

Es liegt in unserer Hand. Den Sinn für die Verantwortung für öffentliches Gut müssen wir in Kindern bereits wecken, bei Jugendlichen in Erinnerung rufen, und als Erwachsene vorleben.

Wie wäre es mit einem Aufsatzwettbewerb: „Was mir an unserem neuen Park gefällt“?

Für Kinder bis 80 Jahre!

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Jul 212011
 

22062011766.jpg Die Bergmannstraße bleibt im Fokus der Aufmerksamkeit. Was ich bei meinen Umfragen unter Anwohnern und Geschäftsleuten im Bergmannkiez feststellte: „Shared Space“ ist ein Fremdwort, niemand weiß damit etwas anzufangen. Mehr Chancen räume ich dem Wort und der Sache der „Begegnungszone“ ein. Sie klingt deutsch und stammt aus der Schweiz. Lest selbst im Tagesspiegel vom 20.07.2011:

Senat plant: Mehr Sicherheit für Fußgänger – Verkehr – Berlin – Tagesspiegel
In den geplanten „Begegnungszonen“ sollen Fußgänger auch auf der Straße Vorrang haben. Für Autos und Radler gilt Tempo 20. Als erste Testreviere wurden der Checkpoint Charlie und die westliche Bergmannstraße in Kreuzberg erkoren, wo die Fußgänger ohnehin in der Mehrheit sind. Als weitere Kandidaten gelten die nördliche Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg und die Stargarder Straße in Prenzlauer Berg.

Für die Kommunalpolitik in Friedrichshain-Kreuzberg tun sich interessante Gemengelagen auf: Einerseits ein BVV-Beschluss aus dem Juni 2010, der die Verlängerung der Fahrradstraße in die westliche Bergmannstraße fordert. In der Tat: Die wichtige Fahrrad-Senatsroute TR 4 führt geradenwegs durch die Bergmannstraße! Die sogenannte Fahrradstraße im östlichen Teil der Bergmannstraße hat freilich kaum etwas verändert. Sie hat aber auch niemandem geschadet oder wehgetan. Die Autos fahren munter weiterhin rein und raus, parken im modischen Querparken einen großen Teil der Fläche zu. Schaut selbst in die Fahrradstraße hinein:

220620117691.jpg

Andererseits ein Vorschlag des Senats, hier eine „Begegnungszone“ einzurichten. „Fahrradstraße“ und „Begegnungszone“ widersprechen einander. Denn Fahrradstraßen beanspruchen einen eindeutigen Vorrang des Radverkehrs gegenüber dem Fußverkehr und dem Autoverkehr. Sie können dort eingerichtet werden, wo der Fahrradverkehr bereits jetzt die vorherrschende Verkehrsart ist, oder wo zu erwarten ist, dass er alsbald die „vorherrschende Verkehrsart“ sein wird.

Die „Begegnungszone“ nach Schweizer Vorbild beansprucht hingegen Vorrang nicht für den Radverkehr, sondern für den Fußverkehr.

Meine persönliche Meinung? Nun, der Bergmannkiez ist mit etwa 7000 Einwohnern/Quadratkilometer eins der dichtestbesiedelten Wohngebiete Deutschlands! Dennoch prägen derzeit parkende und fahrende Autos sowie auch der zunehmende Fahrradverkehr das Straßenbild in der Bergmannstraße. Die Fußgänger müssen halt schauen, wo und wie sie ihren Weg durch Autos, Autos, Tische, Stühle und Fahrräder hindurch finden.

Verkehrskonzepte erfüllen in der Stadtplanung eine nur dienende Funktion. Der Verkehr dient dem Menschen bloß. Ich persönlich schlage deshalb vor, die Bergmannstraße in einem umfassend durchdachten, kulturell anspruchsvollen Ansatz in eine „Straße der Mitmenschlichkeit“ umzugestalten.

22062011765.jpg

Die Fotos in diesem Eintrag stammen alle aus dem Juni 2011 und zeigen den jetzigen Zustand der Bergmannstraße.

 Posted by at 10:00

Städtische Räume gemeinsam neu aneignen!

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Jun 252011
 

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Von 1984 bis 1988 lebte ich bereits ein erstes Mal in Kreuzberg, in das ich mit habichtsgleich geschärftem Blick nach langer Odyssee 2002 als migrantischer Rückwanderer zurückgekehrt bin. Damals verfolgte ich die IBA als neugieriger Zaungast, besuchte das eine oder andere Objekt, hatte Freunde am Fränkelufer, die in die „Wohnhäuser entlang der Brandmauer“ eingezogen waren. Es herrschten üppige Verhältnisse, Reichtum für alle – also staatlich ausgereichte Gelder – gab es in Hülle und Fülle. Heute erweisen sich gerade die Kreuzberger IBA-Bauten als arge Kostenfalle für Mieter und Stadt.

Braucht Berlin heute erneut eine Internationale Bauausstellung? Wie schaffen es Städte, sich so zu verändern, dass ihre äußere Gestalt den Werthaltungen, den Lebensentwürfen und den Bedürfnissen der Menschen entspricht? Diesen Fragen widmet sich heute auf S. 12 des Tagesspiegels der Architekturtheoretiker Werner Durth von der TU Darmstadt. Gut zu lesender Artikel!

Unabhängig von der Beantwortung der gestellten Frage greifen wir einige allgemeine Überlegungen heraus. Denn es geht nicht nur um die IBA, sondern um eine neue Art von Gestaltung des gemeinsamen Raumes.

Durth schreibt:

„Eine IBA ist mehr als eine Bauausstellung. Sie stellt Lebensentwürfe und Wertorientierungen der Stadtgesellschaft zur Diskussion, sie gibt Antwort auf soziale Fragen nicht nur durch die Gestaltung von Gebäuden, sondern auch durch Ermöglichung neuer Formen der Aneignung öffentlicher Räume in Stadt und Landschaft. Zur Definition der Themen sind vorbereitende Diskurse und vorgeschaltete Werkstätten im Abwägen von Alternativen wichtig. So wird die Aufmerksamkeit aller Beteiligten nicht allein auf das Bauen, sondern auch auf die Wahrnehmung der Entstehungsbedingungen und die Qualität von Prozessen gerichtet.“

Gemeinsame Aufmerksamkeit aller Beteiligten (joint attention, wie es Michael Tomasello nennt) – das ist doch genau das Thema, das wir seit einigen Tagen auf diesem Blog verfolgen.

Städtische Räume bedürfen der Sammlung von Aufmerksamkeit, damit eine echte Bürgergesellschaft entstehen kann. Brunnen, gestaltete Plätze, Märkte, Kunstwerke, Friedhöfe, Kirchen, Spielplätze, Moscheen, Tempel, Denkmäler sind derartige Aufmerksamkeits-Vereiniger.

Was zersplittert und trennt hingegen die Aufmerksamkeit? Was verhindert das Zusammenwachsen der Menschen im städtischen Raum?

Nun, ich meine, ein Übermaß an Aufmerksamkeit wird heute vielerorts in den Städten durch den motorisierten und auch nichtmotorisierten (!) Straßenverkehr gebunden, abgelenkt und zersplittert. Der Straßenverkehr in seiner jetzigen Form zerschneidet an zu vielen Stellen jeden Versuch der Bürger, den städtischen Raum als ihren „gemeinsamen Raum“ zu erfahren. Die Verkehrssituation ist an vielen Stellen zu unübersichtlich, zu kompliziert, zu verworren, zu gefährlich, zu laut, zu schmutzig. Dies gilt insbesondere aus der Sicht der Alten, der Kinder, der Behinderten und Kranken.

Not tut vielfach eine Neuaneignung städtischen Raumes durch neue Widmung der Flächen, durch Schaffung vernünftig gestalteter Verhältnisse, die sich den Werthaltungen der Menschen anpassen müssen, statt dass Menschen sich den Verhältnissen unterwerfen müssen.

Die Überlegungen Werner Durths verdienen ihrerseits gemeinsame Aufmerksamkeit!

Bild: ein Habicht über dem Prinzenbad, aufgenommen gestern. Findet ihr ihn? Schärft eure Aufmerksamkeit!

THEMA: Blaupause statt Baupause Neue Bauten braucht Berlin – Berlin – Tagesspiegel

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Mai 202011
 

180520116211.jpg  Jeder, der sich innerhalb der Berliner Parteien ein bisschen bewegt, weiß, wie tief die politische Landschaft noch geteilt ist. Es gibt praktisch kein stadtpolitisches Thema, bei dem die 30-jährige Ost-West-Mauerspaltung (1961-1989) keine Rolle spielte! Mein Heimatbezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist das lebende Symbol dafür! Kommt alle nach Friedrichshain-Kreuzberg, schaut euch das an – diese Vielfalt, diesen Zwiespalt!

Auch die Parteien werden teils als Ostpartei, teils als Westpartei wahrgenommen!

In meinem ehrenamtlichen Engagement auf kommunalpolitischer Ebene in Friedrichshain-Kreuzberg habe ich über mehrere Monate hin wieder und wieder  das zentrale Thema „Die zusammenwachsende Stadt“ gespielt.
Zwei der wenigen Berliner Landespolitiker, die in der Tat redlich versuchen, beide Hälften der Stadt zu bespielen, sind der von mir unterstützte Frank Henkel und sogar – man höre und staune – Klaus Wowereit. Wie kann man es machen? Nun, man muss Themen setzen, die beiden Hälften der Stadt auf den Nägeln brennen – wie etwa den Berliner Hauptbahnhof, der abgesehen von den noch fehlenden Fahrradabstellmöglichkeiten ganz gelungen ist, wie ich finde.

Die zusammenwachsende Stadt – das ist das Motto!  Der Aufsatz von Klaus Wowereit ist sehr gelungen. Ein guter Aufsatz! Nun sollte auch die Politik folgen. Ab September 2011.

Gastbeitrag des Regierenden Bürgermeisters: Klaus Wowereit über das Tor zur Stadt – Berlin – Tagesspiegel
Allen ist nun klar, wie wichtig das Infrastrukturprojekt Hauptbahnhof war. Er ist ein Symbol für die Veränderungen einer noch immer zusammenwachsenden Stadt.

 Posted by at 08:09
Apr 292011
 

Die auf Paraffin gemalten, geritzten, eingeriebenen, eingearbeiteten Bilder Heike Jeschonneks prägten den Abend – einen langen, hinausgezögerten Vorsommerabend.

Ich gehe zur Eröffnung der Ausstellung.

Unterwegs, an der Ecke Obentrautstraße/Mehringdamm fragt mich eine Touristin auf Englisch: „Entschuldigung, ich weiß nicht, wohin ich gehen soll. Was würden Sie mir raten?“

„Gehen Sie mit mir!  Ich sehe doch, Sie interessieren sich für Kunst.“ Und so gehen wir zusammen hin. Ich erzähle von meiner Heimat Kreuzberg, sie erzählt von ihrer Heimat Tel Aviv. Wir gehen zur Eröffnung der Ausstellung in der Galerie Tammen und Partner in der Hedemannstr. 14 / Ecke Friedrichstr. in Kreuzberg.

Ich treffe viele Bekannte und Freunde, stelle ihnen meine neue Bekannte vor und lerne selbst einige neue Bekannte kennen, führe Gespräche über Städte, Bilder, Menschen und mit einer Finnin über „die wahren Finnen“.

Ich mag dieses Würfelspiel aus Bildern, Gesichtern und Gesprächen, typisch für die bunte treibende Berliner Kunstszene.

Aber am besten hat mir heute doch gefallen, dass ein unbekannter Mensch, der aus Israel nach Berlin gekommen war, mich gefragt hat: „Ich weiß nicht, wohin ich gehen soll. Was würden Sie mir raten?“ Dieses Vertrauen, das ich darin spüre, war ein riesiges Geschenk!

Es gibt so viel Negativität im Leben und auf der Welt. Terry Eagleton ist – nach seinem Buch zu urteilen – überzeugt, dass aufs Ganze gesehen die negativen Aspekte in der Weltgeschichte bisher bei weitem überwiegen. Sonach gibt es keinen endgültigen Trost für Hiob. Bisher!

Dennoch schließe ich den heutigen Tag mit der überwältigenden Bilanz ab: es gibt hier in Kreuzberg, in meinem Umfeld, deutlich mehr Vertrauen als Misstrauen, deutlich mehr Gutes als Schlechtes, deutlich mehr Liebe und Zuneigung als Neid und Misstrauen. Es tut mir leid für alle Philosophen der Negativität, für all die Schopenhauers, Adornos, Žižeks und Habermas‘.

Wir sind keine Gespenster, sondern Menschen aus Fleisch und Blut, die einander im Guten zugetan sind.

Die Evidenz des Guten, das ich erfahre, überwiegt  noch den wortreichsten Versuch, mich vom Gegenteil zu überzeugen.

Immer wieder wird mir dann entgegnet: „Ja, aber: Auschwitz! Gulag! Hiroshima! Srebrenica!“  Darauf erwidere ich: Der Riesenunterschied zwischen Auschwitz und heute ist: Ich persönlich habe diesen heutigen Tag erfahren. Von Auschwitz habe ich nur gehört und gelesen. Es ist vergangen. Der heutige Tag, das Jetzt gibt den Ausschlag.

Bild: „Gespenster“ von Heike Jeschonnek.

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