Jul 252009
 

duden_9783411704255.jpg Große Neugier herrschte vorgestern in mir beim Auspacken des neuen Rechtschreibdudens, der in diesen Tagen in seiner 25. Auflage herauskam. Denn auch wenn manche mir sagen: „Du bist ja ein wandelndes Wörterbuch, Johannes!“, wäre nichts falscher als das! Immer wieder bin auch ich gezwungen, Wörterbücher zu Rate zu ziehen. Ich besitze stets die neuesten Ausgaben der Rechtschreibwörterbücher aus den Häusern Wahrig und Duden, die einander ja auch oft genug widersprechen.

Aus altem deutschem Herkommen und Brauch, aus dem amtlichen Regelwerk, aus den beiden einander bisweilen widersprechenden Wörterbüchern, – und häufig genug nach eigenem Sinnen und Trachten erstelle ich mir wie Hunderttausende anderer Deutscher eine eigene Rechtschreibung. Denn wir wissen: Es gibt derzeit keine einheitliche sinnvolle deutsche Rechtschreibung. In äußerster, jedoch nicht falscher Überspitzung könnte man sagen: Wir stehen ungefähr da, wo Adelung und die Seinen im 18. Jahrhundert standen. Wir leben in einem Zustande organisierter Verantwortungslosigkeit. Die deutsche Rechtschreibung ist ein Unikum weltweit. Sie ist ein Paradebeispiel unserer Reformunfähigkeit. Jeder ist deshalb aufgefordert, im Geist der Verantwortung seinen richtigen Weg durch die Banlieues des Regelgestrüpps zu suchen, in welches uns viele Jahrzehnte staatlich und kommerziell missleiteter Rechtschreibpolitik unter Verschwendung hoher öffentlicher Mittel geführt haben.

Genug des Gelabers! Welche tatsächlichen Stolpersteine stellten sich diesem Blog entgegen? Nehmen wir das Wort Banlieue oder besser Banlieu aus unserem Beitrag vom 23.07.2009! Wir zitierten da aus dem Tagesspiegel. Welche Schreibung bietet uns der neueste Duden an? Oder nehmen wir den Begriff Gauß’sche Normalverteilung, mithilfe dessen wir in diesem Blog den prophetischen Nachweis erbrachten, dass es in den nächsten zweihundert Jahren deutschlandweit etwa stets gleich viele Arme geben wird. Ich wollte den Begriff nennen, tat es aber nicht, weil ich nicht herausfinden konnte, wie man ihn schreibt. Was bietet uns der neueste Duden an?

Kleine Nadelstiche der Enttäuschung erlebte der unbedarfte Blogger da! Die Gauß’sche Normalverteilung habe ich mir selbst anhand der auf Seite 85 abgedruckten Regeln zurechtgelegt. Denkbar und zulässig demnach sind auch: gaußsche Normalverteilung, nicht aber: Gaußsche Normalverteilung!

Der Eintrag Banlieue oder Banlieu jedoch – fehlt auf Seite 248 im neuen Duden. Schade! Dafür finden sich aber die herrlichen Wörter: Bankazinn, der Bankert, bannig, die Banse, bansen, Banus, der Baphomet, der Bar (ein Meistersängerlied), der Baraber, der Baratt. Und ein knackig-knarziges deutsches Eigenschaftswort: bärbeißig. Toll!

Also, kennt ihr alle diese Wörter? Ich hörte Bankert im süddeutschen Raum übrigens oft als das Bankert. Damals wurden noch fast alle Kinder innerhalb von Ehen geboren. In Bansen sprang ich als Kind gerne umher!  Die Geschichte der Baphomets sollte man vielleicht endlich aufarbeiten – da käme so manches überraschende Ergebnis für den muslimisch-christlichen Dialog heraus!

Was fehlt noch? Aus dem krachig-kriminellen Kreuzberger Straßenkampf fehlt mir: die Antifa, ein feminines singulare tantum – wie mir scheint.

Hochinteressant dagegen der warnende Eintrag zum Begriff Neger auf S. 769!

Als Anregung an die Duden-Redaktion möchte ich empfehlen, das amtliche Regelwerk vollständig im Wortlaut abzudrucken. Wahrig macht es vor. Dann kann der Leser selber entscheiden, ob und wie er den amtlichen Regeln oder den Empfehlungen der Wörterbuchverlage folgen soll. Insgesamt stellt sich der Duden-Verlag im neuen Rechtschreibduden weiterhin als fast-amtlich dar – ein keineswegs haltbarer Anspruch, den er durch geschickte Strategien über Jahrzehnte hinweg erkämpft hat und den er offenbar auch zu behaupten gedenkt.

Also, Freunde, schwelgt in Wörtern! Lest eifrig die verschiedenen Wörterbücher aus den verschiedensten deutschen Verlagen! Pflegt den Reichtum unserer Sprache! Achtet auf gute Rechtschreibung, doch gebrauchet Sinn und Verstand. Hört auf den Rat eures bärbeißigen Bloggers: Die letzte Verantwortung für alles, was ihr sagt und schreibt – tragt ihr selbst. Es kommt auf dich an!

 Posted by at 13:09

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