Sep 132010
 

„EIN Griechenland“, „Groß-Türkei“, „Drittes Europa“ unter polnischer Führung – was ist noch im Angebot? Nach dem ersten Weltkrieg sprossen überall in Europa Großmachtsphantasien auf. Völker wie die Griechen, die Türken oder die Polen sahen sich berufen, unter Führung des eigenen Staatsvolkes einen „Großraum der Macht und des Friedens“ zu errichten – und zwar auch mit blutigen Mitteln, mit Waffengewalt. So wurden nach dem ersten Weltkrieg eine ganze Reihe von regionalen Kriegen entfesselt: der griechisch-türkische, der polnisch-russische Krieg etwa. Diese Kriege sind heute in Deutschland vergessen oder verdrängt. Dabei waren es äußerst blutig geführte Angriffskriege, die heute unter der Ächtung der UN-Charta stünden.

Am schlimmsten und am verheerendsten unter diesen Großmachtsplänen sollten sich  – aus heutiger Sicht – die Ideen vom Großdeutschen Reich und von der Großen Schutzmacht Sowjetunion herausstellen. Millionen und Abermillionen Menschen fielen ihr zum Opfer: in den Konzentrations- und Vernichtungslagern, auf den Schlachtfeldern, durch Plünderungen und Vertreibungen, durch Ausmerzungsaktionen gegen unerwünschte Bürger.

Kaum mehr als eine Fußnote im Konzert der Großmachtspolitiken füllt heute die Idee eines unter polnischer Führung stehenden „Dritten Europa“, welche das autoritär regierte Polen in den dreißiger Jahren verfolgte, wofür insbesondere der Name Josef Beck steht.

Lorenz Jäger bringt heute in der FAZ auf S. 3 unter dem Titel „Countdown für den Untergang“ die Details. Man kann also auch ohne Polnischkenntnisse Einblick in die spannende innen- und außenpolitische Dynamik jener Jahre nehmen, die in den Jahren 1919-1938 unter anderem zu bewaffneten Konflikten und echten Angriffskriegen zwischen Polen und der Sowjetunion, zwischen Polen und der Tschechoslowkei führte und mitunter aberwitzige Konstellationen erzeugte:

Polen paktiert mit dem Deutschen Reich und mit Frankreich gegen die Tschechoslowakei!

Deutsches Reich paktiert mit der Sowjetunion gegen Polen!

England paktiert mit Deutschem Reich gegen Tschechoslowakei!

Verwirrend – aber alles letztlich erklärbar als System einander bedrohender, angriffsbereiter Großmachtreiche, die am eigenen Bedeutungsverlust leiden.

Entscheidend bleibt: Deutschland, Polen und die Sowjetunion verfolgten damals Großraumpläne und überzogen einander mit einem wechselseitigen Geflecht an Drohungen, Bündnissen und Geheimverhandlungen.

Im Rückblick entsteht fast der irreführende Eindruck: „Die steckten doch alle unter einer Decke!“

Ab 1939, spätestens aber ab 1941 vereinfachte sich diese verwirrende Gemengelage: Deutschland und Sowjetunion fielen im September 1939 in verbrecherischen Angriffskriegen über Polen her, teilten es verabredungsgemäß unter sich auf. Sofort begannen hinter den Linien die unsäglichen Massenverbrechen an der polnischen Bevölkerung, ausgeführt von deutschen und sowjetischen Truppen und „Ordnungskräften“, die obendrein noch eine gemeinsame Siegesparade in Brest-Litowsk inszenierten.

Dann, spätestens ab 1941 standen Deutsches Reich und seine Verbündeten Italien, Slowakei, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Kroatien usw. den anderen Mächten, den Alliierten, gegenüber.

Wiederum später, nach 1945, vereinfachte sich die verwirrende Gemengelage noch stärker.

Ab 1945 galt für Europa: Deutschland hatte den Weltkrieg ganz allein gegen den Rest der Welt entfesselt, allein geführt und allein verloren. Das ist heute allgemeiner Konsens. „Die Deutschen sind an allen Kollektivverbrechen, die in ganz Europa in den Jahren 1933-1945 begangen wurden, ganz allein schuld.“ So denkt Europa heute mehrheitlich.

Jeder, der diesen Konsens auch nur minimal in Frage zu stellen beginnt, wird sofort mit einer ganzen Latte an Vorwürfen überzogen, von denen der des Revisionismus nur der geringste ist.

Politik – FAZ.NET

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„Die Hölle ist auch in mir“

 Augustinus, Das Böse, Hebraica, Kain, Sündenböcke  Kommentare deaktiviert für „Die Hölle ist auch in mir“
Sep 132010
 

Eine der besten, klarsten Stimmen, die aus dem heißen afrikanischen Wüstensand zu uns herüberschallen, stammt von — Aurelius  Augustinus! Der christliche Kirchenvater des 4. Jahrhunderts erforscht sein Selbst, erzählt die langen gewundenen Pfade, auf denen er zu einer inneren Ruhe findet. Inquietum cor nostrum est! Lange her.

Aber heute würde ich diesen Titel der besten, klarsten und eindrucksvollsten „Stimme aus dem afrikanischen Wüstensand“ ohne zu zögern an meinen zugewanderten Mit-Augsburger Hamed Abdel-Samad verleihen. „Die Hölle war auch in mir.“ So spricht er im aktuellen Spiegel 37/2010, S. 124. Allein für eine solche Aussage verdient er fast schon, noch in Hunderten von Jahren gelesen zu werden!

Vergleicht diese Aussage: „Die Hölle war auch in mir“ mit dem scheinbar völlig entgegengesetzten Satz von Sartre: „L’enfer, c’est les autres!“ Die Hölle sind immer die anderen. Auch dieser Satz Sartres hat seine Berechtigung. Die Hexenjagden und Hexerjagden unserer Tage (vide causa Sarrazin, vide causa Steinbach) sind ohne diesen tiefen Drang, alles Böse im anderen zu suchen, die Hölle in den anderen zu sehen, nicht verständlich.

Sie werden zu den Bösen, zu den Sündenböcken erklärt, deren man sich entledigen muss. Sie werden in die Wüste geschickt.

Sündenböcke oder Hexen können viele sein – auch der aktuelle Spiegel, den ich nachdrücklich zum Kauf empfehle, bietet reichlich Beispiele dafür: etwa FJ Raddatz und einige andere mehr 🙂

Einer der wichtigsten Sätze aus den 5 Büchern Moses meint etwas ganz Ähnliches: „Die Sünde, das Böse lauert stets an der Tür deines Herzens, wenn es dir nicht wohl ergeht.“ So lässt sich 1. Buch Moses, Kapitel 4, Vers 7 verstehen.

Suche – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten

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Sep 132010
 

Na, was die Statistiker alles so herausfinden! Je höher gebildet, desto weniger nutzen die Menschen das Auto als bevorzugtes Verkehrsmittel. Sie, die Akademiker, Freiberufler und Beamten der oberen Besoldungsstufen, steigen aufs Fahrrad um. Man kucke sich doch mal in der Kreuzberger Bergmannstraße um!

Die Proletarier und Hartzler fahren weiterhin ihr eigenes Auto, um Zigaretten und Sixpack vom ALDI zu holen. Sie dokumentieren somit, dass sie keine Unterschichtler sind. Denn wer ein eigenes Auto hat, ist nie und nimmer Proletarier, denn der Proletarier hat ja per definitionem nur einen Besitz – eigene Kinder, proles eben, wie der Lateiner sagt.

HAB ich’s doch geahnt!

Das Image der angeblichen Kreuzberger Unterschichtler, die leidenschaftlich gern Rad fahren, erleidet tiefe Kratzer. Wer zwei Fahrräder sein eigen nennt, kann per definitionem kein Underschichtler sein, auch wenn er sein eigen Kind jahrelang zu den muslimischen Migrantenmehrheiten geschickt hat.

Arbeiter fahren lieber Auto statt Bus oder Bahn Umfrage: Wer nutzt welche Verkehrsmittel? – Mobil – Welt – Tagesspiegel

Die Nutzungsdauer eines Autos hängt von Faktoren ab wie zum Beispiel Alter, Beruf und Bildungsabschluss. Bei Menschen ab 60 Jahren nutzen nur noch drei von fünf Befragten ein Auto, in der Altersklasse zwischen 30 und 39 Jahren sind es noch 78,5 Prozent. Arbeiter sind tendenziell häufiger hinter dem Lenkrad, während bei den Beamten nur jeder Zweite mit dem Fahrzeug fährt. Auch Akademiker wählen öfters öffentliche Verkehrsalternativen. Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss beschränken sich dagegen auf das Auto als mobilen Untersatz.

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Sep 122010
 

In den Ferien hatte ich leider wegen der Torfbrände um Moskau herum wieder reichlich Zeit, mich im Rahmen bibliothekarischer Streifzüge in die bolschewistische und die nationalsozialistische Propagandasprache einzulesen. Wir wohnten in der Datscha, in der früher russische Abweichler ein- und ausgegangen waren, wie etwa der Ökonom Nikolaj Kondratjew (erschossen während der großen Säuberungen 1938).

Ganz besonders häufig wurde von den sowjetischen und den deutschen Diktaturen gegen „Abweichler“, gegen „Beschmutzer“, gegen die „Giftmischer“ und „Brunnenvergifter“, gegen zersetzende Propaganda des Feindes zu Felde gezogen.

Die Beleidigung und Herabwürdigung anderer Menschen als „Giftmischer“ oder „Rattenfänger“ ist kennzeichnend für die totalitäre, menschenverachtende Propaganda der Kommunisten und der Nationalsozialisten.

Wichtig: Die Fakten spielen keine Rolle. Es wird nur immer wiederholt: Dieser oder jener Mensch – z.B. der Okönom Kondratjeff  – ist ein Abweichler, er muss entsorgt, er muss beseitigt werden. Er beschmutzt das hehre und reine Anliegen der Bewegung.

Kommunistische Propaganda und später auch die faschistische und die nationalsozialistische Propaganda sind hocheffizient darin gewesen, abweichende Meinungen zu brandmarken, nicht durch sachliche Widerlegung, sondern durch Rufmord, durch gezielte Beschimpfung von Menschen.

Es fehlt hier an der Redlichkeit des Wortes, an einer respektvollen Befassung mit dem parteipolitischen Gegner. Es fehlt an echter Debattenkultur.

Genau dasselbe Verfahren wird derzeit wieder einmal gegen Erika Steinbach angewendet. „Frau Steinbach ist eine Giftmischerin“ – so wörtlich Thomas Oppermann, Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. „Giftmischerin?“ – da fehlt nur noch die Aussage: „Es gibt Hexen. Steinbach ist eine von ihnen.“

Die Sprache verrät die Absicht. Sie enthüllt eine unredliche Grundhaltung. Statt sich auf der Sachebene mit dem Gegner einzulassen, wird er dämonisiert und seiner Würde beraubt. Zuletzt gilt es ihn zu „entsorgen“. Das ist LTI – Lingua Tertii Imperii!

Steinbachs  Aussagen sind sachlich nicht zu widerlegen. Das würde weder Herrn Oppermann noch Herrn Nouripour (ebenfalls MdB) gelingen. Zumal die deutsche politische Klasse über recht eingeschränkte Kenntnisse der osteuropäischen Geschichte verfügt. Wer kennt sich heute noch im komplizierten Bündnissystem der Zwischenkriegszeit aus, das es beispielsweise der Republik Polen ermöglichte, im Zuge des Münchner Abkommens eigene Gebietsansprüche gegenüber der Tschechoslowakei zu befriedigen, indem sie das tschechische Gebiet um Teschen für sich einkassierte?

Ja, wer hättte das gedacht – die Republik Polen paktierte 1934 mit dem Deutschen Reich, schloss 1934 bzw. 1932 Freundschaftsverträge mit Hitler und Stalin, profitierte auch vom Münchner Abkommen 1938, um ein Teilgebiet der Tschechoslowakei für sich zu erobern. Hätten Sie’s gewusst?

„Aber sie könnte ja etwas damit gemeint haben, die sagt das doch nicht einfach so dahin.“

Hierauf ist zu erwidern: Sie, Erika Steinbach, verleugnet doch gar nicht die deutsche Schuld! Was wollt ihr eigentlich?

Ich meine: Es ist höchst gefährlich, jemand anderen des „Beschmutzens“ oder des Giftmischens zu bezichtigen. Die Vorwürfe gegen Erika Steinbach, wie sie etwa Omid Nouripour oder Thomas Oppermann erheben, erinnern an die uralten antijüdischen Vorwürfe der Giftmischerei und der Brunnenvergiftung. Sie gemahnen an mittelalterliche Hexenjagd. Wir sollten diese Vorwürfe entschlossen zurückweisen.

Und heute mal im ZDF die tschechische Dokumentation „Töten auf Tschechisch“ ankucken.

Grünen-Politiker Nouripour: „Frau Steinbach beschmutzt das Anliegen der Vertriebenen“ – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik
Das im Kern richtige Anliegen der Vertriebenen, auf das Unrecht der individuell erlittenen Vertreibung aufmerksam zu machen, beschmutzt sie mit ihren geschichtsverfälschenden Äußerungen.

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Sep 112010
 

Jedes Berliner Kind nichtmuslimischen Hintergrunds, das in eine muslimische Schülermehrheit hinkommt, muss lernen, wie es mit der Minderheitenposition umgeht, in die es von der Mehrheit hineingedrängt werden könnte.

In der Urania: Sarrazin kommt auf Touren – und attackiert Merkel – Berlin – Tagesspiegel
Noch mehr Applaus, als Sarrazin dem 1975 Geborenen entgegenhielt, dass deutsche Kinder, auf vielen Schulhöfen die Minderheit, mit Verbalattacken von türkischen und arabischen Mitschülern leben müssten.

Ich weiß: Selbstverständlich  wird auf Kreuzbergs Schulhöfen viel geprügelt. Die Kinder tragen die in den Familien aus Vaterhand erlebte Gewalt in die Schule hinein.

„Warum werde ich immer angespuckt von den älteren Mädchen?“

„Warum werde ich gehänselt? Warum wollen die Jungs immer meinen Penis sehen?“

Bis hin zur absoluten Eskalation: „Ich werde hier nur verprügelt, weil ich ein Christ bin.“ So berichteten es mir Ohrenzeugen. Das sind typische Sätze, die ich von nichtmuslimischen Schülern gehört habe.

Das häufige Mobben, Hänseln, Spucken und Prügeln ist ein wichtiges Thema behutsamer interkultureller Arbeit.

Motto muss lauten: „Mein Freund heißt Fritz.“

bla bla bla blubber blubber blubber

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Konzert mit lauter Migrantinnen und 1 deutschen Blogger!

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Sep 102010
 

Samstag, 11. September 2010, 19.00 Uhr:
Schwartzsche Villa
Grunewaldstraße 55 – 12165 Berlin-Steglitz

Russische Lieder und Romanzen

(Rachmaninow, Glinka, Tschaikowskij u.a.)

Irina Potapenko, Mezzosopran
Angela Billington, Sopran
Lala Isakova, Klavier
Johannes Hampel, Violine

Eintritt: € 10.-/erm. 8.- Kinder bis 14 Jahre frei

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Geschichte Polens zwischen 1918 und 1939 besser kennenlernen!

 Europäischer Bürgerkrieg 1914-1945, Polen, Vergangenheitsunterschlagung  Kommentare deaktiviert für Geschichte Polens zwischen 1918 und 1939 besser kennenlernen!
Sep 102010
 

Nach dem Fall des Eisernern Vorhangs wird endlich der Blick für die gesamte bunte Gemengelage der europäischen Geschichte frei! Zur Zeit diskutiert man in Deutschland über die polnische Geschichte seit dem 3.11.1918, dem Tag, an dem die polnische Republik proklamiert wurde.

Wie andere europäische Staaten auch hatte Polen bedeutende nationale Minderheiten in seinem neu definierten Territorium: 100 000 Litauer, 1 Million Deutsche, 1,5 Mill. Weißruthenen, 3 Mill. Juden, 4 Mill. Ukrainer. Die Volksgruppenkonflikte dominierten jahrelang die Innenpolitik. Günter Grass und Walter Kempowski liefern in ihren Büchern einen Einblick in das ständige Gefühl der Benachteiligung, das damals diese Volksgruppen hegten.

Im Übrigen herrscht in deutschen Landen weit und breit eine erstaunliche Unkenntnis über die Geschichte unseres Nachbarlandes, fast niemand spricht ja auch die Sprache. Niestety, wie der Pole sagt.

Es ist für mich immer wieder ernüchternd zu sehen, dass die europäischen Staaten und die Türkei ihre Volksgruppenkonflikte nicht schiedlich-friedlich lösen konnten. Die Lösung, die letztlich erreicht wurde, lautet seit 1990: Nationalstaaten quer über die gesamte Landkarte!

Dabei gibt es nur ganz wenige Ausnahmen, wo es gut gegangen ist, wie etwa die Südtiroler in Italien.

Deutschland hat sich offenbar (?) entschieden, letztlich doch einen einheitlichen deutschen Staatsbürger zu wollen, also keine nationalen Minderheiten, keine klar abgegrenzten Volksgruppen.

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Arbeite dich aus der Hilflosigkeit hervor, o Mensch!

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Sep 092010
 

Philipp Melanchthon, der rastlose, vielschreibende Freund und Gefährte Martin Luthers, beabsichtigte eine lateinische Übersetzung des Koran. Denn er überlegte immerhin, „ob möglicherweise die Mahometaner eine Abspaltung von der Kirche Gottes seien“.

Erstaunlich: Noch zu Luthers Zeit standen Islam und Christentum in echtem Kontakt, an Melanchthons Tisch soll oft „Latein und Griechisch, Hebräisch und Ungarisch, ja sogar Türkisch und Arabisch“ zu hören gewesen sein.

Wittenberg – das war damals für wenige Jahrzehnte eine Art multikulturelle Elite-Universität des Abendlandes, ehe ihm das sächsische Halle dann den Rang ablief.

Ich selbst kann nur die ersten Zahlen Arabisch – das reicht bei weitem nicht aus, um den Koran zu verstehen. Aber ich vergleiche mitunter verschiedene Übersetzungen und suche bei muslimischen Freunden um Auskunft zum Sinn dieser oder jener Stelle.

Hier zum Beispiel:

Eine Frage zu Lamya Kaddors  deutscher Übersetzung der Sure 70, Vers 19: „Der Mensch ist von Natur aus ängstlich“  vs. „Der Mensch ist kleinmütig erschaffen“ (Khoury). Was sagt der Vers im Arabischen aus? Dass der Mensch grundsätzlich Angst hat – und nur durch einen weiteren Schritt Mut fasst? Wollte Gott den Menschen von Angst befreien oder ihn in Angst belassen?

Wir gelangen zu folgender Antwort:

Erklärungen aus dem Tafsir von Qutb und Muhammad Asad:

Dies ist die Verhaltensweise eines Kindes, die auch dem erwachsenen Menschen weiter anhaftet, wenn er nicht durch das Gebet zu besserem Verhalten geführt wird. (Qutb)

Der Mensch hat eine Neigung zur Rastlosigkeit, die ihn entweder zu fruchtbarer Vollendung oder zu chronischer Unzufriedenheit und Frustration treiben kann. Es ist mit anderen Worten die Art und Weise, mit der er diese gottgegebene Fähigkeit nutzt, die bestimmt, ob ein positives oder negatives Ergebnis dabei herauskommt. Die folgenden beiden Verse spielen auf letzteres an, während die Ajas 22-25 zeigen, dass ein wahres geistiges und moralisches Bewusstsein die angeborene Rastlosigkeit in eine positive Kraft verwandeln und damit innere Stabilität und Zufriedenheit herbeiführen kann. (Asad)

Ergebnis der Koran-Befragung:

Gott schenkte den Menschen verschiedene Fähigkeiten. Es kommt auf den einzelnen Menschen an, was er aus diesen Fähigkeiten macht. Rechter Gebrauch der Fähigkeiten erlaubt es dem Menschen, sich aus dem Urzustand der Angst, der Rastlosigkeit, der Hilflosigkeit hervorzuarbeiten.

Den rechten Gebrauch der geschenkten Fähigkeiten, der „Talente“, nennen wir von alters her in allen Sprachen Tugenden.

Ich meine also: Die Entfaltung der Tugenden ist ein zentrales Gebot muslimischer Ethik.

Quellenhinweis:

Petra Bahr: „Europäer und Weltbürger“. In: Melanchthon. Das Magazin zu seinem 450. Todesjahr. EKD, S. 70-74.

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Na, Jungs, ich hoffe ihr habt durchgehalten!

 Islam  Kommentare deaktiviert für Na, Jungs, ich hoffe ihr habt durchgehalten!
Sep 092010
 

Vom Sinn des Fastens sprach ich vor Tagen mit einigen arabischstämmigen Jungs, mit denen mein Sohn und ich bolzten: Einsicht in echte Armut, Demut, Selbstbeherrschung, Zucht.  Ihr habt es geschafft.

In diesem Sinne:

Ein gesegnetes Fest des Fastenbrechens! عيد مبارك سعيد و كل عام و انتم بخير
Bayraminiz kutlu olsunuz! 

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Sep 092010
 

Hier noch zwei teuflisch böse kleine Zitate für alle antirassistischen KämpferInnen aus taz und Tagesspiegel:

„Die besten Lehrkräfte, Institutionen und Strukturen werden aber daran scheitern, auch für Kinder aus weniger begünstigten Elternhäusern individuelle Aufstiegsperspektiven zu schaffen und zu verbessern, wenn es dem Einzelnen an Leistungswillen und der Bereitschaft zur Anstrengung mangelt.“

Schiller hätte gesagt:

Auf der Tugend arbeitvoller Bahn
werdet ihr den Preis erringen

Tja, ich muss es so sagen, die ganze an den Schuhsohlen abgelaufene, die ach so ermüdende deutsche Integrationsdebatte kreiselt meinem Empfinden nach im luftleeren Raum, weil sie ständig die Schuld den Strukturen und Institutionen gibt, dann auch wieder dem deutschen Alltagsrassismus, dann dem gegliederten Schulwesen, dann dem ungegliederten jahrgangsübergreifenden Lernen, dann den Lehrern, dann der Politik, dann den Parteien, dann der Regierung, dann der Opposition. Alle sind schuld – alle anderen sind schuld! Immer sind die anderen schuld!

Niemand fragt die Frage, die Necla Kelek kürzlich bei Anne Will stellte: „Was können die Migranten selber beitragen?“ DAS ist fürwahr die entscheidende Frage!

Ich frage: „Du willst den Erfolg? Wie hinderst du dich daran?“

Das Haupthindernis der Integration ist meines Erachtens und nach meinen jahrzehntelangen eigenen leidvollen Erfahrungen in Kreuzberg und anderswo – neben erstickend hohen staatlichen Zahlungen an Hinz und Kunz, an Mehmet und Ali  – eine unfassbare geistige Trägheit, ein Mangel an Fleiß, eine zähe Bequemlichkeit, eine Selbstabschottung, eine alle Grenzen sprengende Unlust, sich anzustrengen und sich zu konzentrieren.

Es fehlt bei uns im Lande ganz allgemein an Einsicht in die wichtigen, unverzichtbaren Tugenden, wie sie noch jede Volksschule noch im hintersten Dorf der Türkei vom ersten Schultag an vermittelt.

„Ich brauchte erst einmal sechs Monate, um die Schüler so weit zu haben, dass wir richtig zu arbeiten anfangen konnten“, solche Sätze wird man immer wieder von Berliner Lehrern hören können.

Es fehlt unseren Dauerbenachteiligten in der Regel an Arbeitswillen, an Fleiß und an Mut, an Selbstbeherrschung und Höflichkeit. Das sind alles uralte individuelle Haltungen, die dringend dem Einzelnen abverlangt werden müssen. Vulgärsprachlich früher Tugenden genannt. Uralte Hüte, die dringend der Entstaubung bedürfen.

Ha! Tugend! Potz! Ein leeres Wort! Wahrhaftig – ein leeres Wort?

Hören wir abschließend noch einmal einen der vielen vergessenen großen Dichter der Deutschen, nämlich Friedrich Schiller:

Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall,
Der Mensch kann sie üben im Leben,
Und sollt er auch straucheln überall,
Er kann nach der göttlichen streben.

Ich sage:

Oh ihr grantigen Dauerbenachteiligten!
Rafft euch auf! Lernt und arbeitet!
Kämpft und lernt auf der Tugend arbeitvoller Bahn!
Dann werdet ihr den höhren Preis erringen.

Zitatnachweise:

Armin Laschet: Die Aufsteigerrepublik. Zuwanderung als Chance. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009, hier S. 234

Friedrich Schiller: Sämtliche Werke. Erster Band. Gedichte. Dramen I [=Lizenzausgabe des Hanser Verlags], Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1987, hier S. 171 („Die Götter Griechenlands“) sowie S. 215 („Die Worte des Glaubens“)

 Posted by at 13:52

Warum werden sie nicht Lehrer?

 Integration  Kommentare deaktiviert für Warum werden sie nicht Lehrer?
Sep 092010
 

Nur 1-2 Prozent der deutschen Lehrer haben Migrationshintergrund. Woran liegt das?  Meiner Erfahrung nach wollen diejenigen, die es geschafft haben, das Etikett „Migrant“ abzustreifen, auf keinen Fall in ihr düsteres Herkunftsmilieu zurück. Arzt, Rechtsanwalt, Unternehmer, das sind die typischen Berufe, die die Abiturienten mit Migrationshintergrund anstreben.

Aufschlussreich auch die Anregung eines Diskutanten am Berliner Kurfürstendamm, bei der Diskussion mit dem Autor Armin Laschet: „Gebt den Lehrern mehr Geld, bezahlt sie endlich anständig, dann werden auch Migranten diesen Beruf ergreifen!“ Laschet, ganz geschulter Gentleman, nahm dieses Wahnsinnsargument mit Fassung, mit freundlicher Gelassenheit.

Aber das Muster ist deutlich: „Gebt UNS endlich mehr Geld, dann tun auch WIR etwas für die Integration der Zuwanderer. Nehmt endlich mehr Geld in die Hand, und gebt es UNS, dann wird Zuwanderung zur Integration führen.“

Alles durchschaubar. Darauf sollte man sich nicht mehr einlassen. Pustekuchen.

Ich rate: Nehmen wir weniger Geld in die Hand! 37 Jahre sollten eigentlich ausreichen, um gutes Deutsch zu lernen. In der Zeit kann man 5-6 andere Sprachen hinreichend einstudieren, um damit und davon zu leben.

Siehe Hamed Abdel-Samad.  Er lernte Deutsch mit 19 Jahren und schreibt jetzt Bücher.

Migration – Burschkowsky kritisiert Integrationsprogramm – Berlin Aktuell – Berliner Morgenpost – Berlin
Das am Mittwoch beschlossene Programm empfiehlt für die Zukunft, beispielsweise die Zahl der Lehrer aus Migrantenfamilien über Stipendienprogramme zu erhöhen. Derzeit liegt der Anteil der Lehrer mit ausländischen Wurzeln nur bei 1,2 Prozent. Zudem wird Verbänden eine stärkere Öffnung für junge Zuwanderer empfohlen. Im Herbst soll ein Integrationsgipfel die Debatte weiter voranbringen.

 Posted by at 12:37
Sep 092010
 

Dieser alte Choral aus der Matthäuspassion kam mir jüngst in der Lutherstadt Wittenberg in den Sinn, und ich sang ihn laut im Hotelzimmer Nr. 122 des Luther-Hotels vor mich hin.

Jetzt fällt er mir erneut ein. Denn: Radfahrer und Autofahrer stehen wie bekannt in der Fahrradstadt Berlin auf einem gespannten Fuße miteinander. Darüber berichtet unser Berliner Tagblättchen heute:

Radfahren : Krieg an der Kreuzung – Berlin – Tagesspiegel
In Berlin ist die Stimmung zwischen Autofahrern und Radfahrern oft angespannt. Häufig geben sie sich gegenseitig die Schuld für Zusammenstöße.

Was meine ich dazu? Nun, ich verleugne nicht die Schuld, die wir Radfahrer auf uns laden, wenn wir Fußgänger auf dem Gehweg bedrängen, wenn wir bei Rot über die Ampeln brettern und ein fürchterliches Vorbild für die ABC-Schützen abgeben, wenn wir Fußgänger beim Verlassen des Hauses, beim unbeabsichtigten Betreten des Radweges gefährden, wenn wir kreuz und quer aus allen Richtungen vom Fußweg auf die Fahrbahn geschossen kommen und somit die Autofahrer zur Verzweiflung treiben.

Dabei muss ich aber heute ein gutes Wort für die Autofahrer einlegen: Viele Autofahrer halten ausreichenden Sicherheitsabstand, wenn sie mich überholen! Danke, Autofahrer!  Sie wissen: Wenn man mit 30 cm Abstand einen Radfahrer überholt, gefährdet man ihn. Jede unbeabsichtigte  Wendung, jeder Schlenker mit dem Lenker kann Tod und Verletzung bringen, wenn die Autofahrer den Sicherheitsabstand nicht einhalten. Danke, ihr vielen rücksichtsvollen Autofahrer all!

Diese Autofahrer all lassen mir die Vorfahrt, wenn sie rechts abbiegen und ich geradeaus fahre. Diese Autofahrer all drehen sich um, schauen durch den berühmten „Schulterblick“, ob ein vorfahrtberechtigter Radfahrer kommt. Die Autofahrer all wissen: Viele schwere Verletzungen, viele tödliche Unfälle entstehen dadurch, dass Radfahrer von rechtsabbiegenden PKWs und LKWs überfahren werden. Danke, ihr Autofahrer all!

Dank und Lob an die Radfahrer, die bei Rot anhalten, die den Kindern ein Vorbild sind. Danke und Lob an die Radfahrer, die sich an die Regeln halten! Die vorschriftsmäßige Beleuchtung haben! Ruhm und Preis euch allen!

Danke, danke, danke an alle Radfahrer und Autofahrer, die sich an die Verkehrsregeln halten.

Dank und Preis an all die Autofahrer und die Radfahrer, die
rücksichtsvoll,
um-sichtig,
vor-sichtig,
nach-sichtig,
vorausschauend fahren!

DAMIT IHR GUT FAHRT!

 Posted by at 10:20
Sep 082010
 

Immer wieder fahre ich mit beklommenem Gefühl durch unsere sauber und adrett mit viel Geld hergerichteten Städte in den östlichen Bundesländern. Bad Doberan, Görlitz, Köthen, Frankfurt/Oder – die Bilder gleichen sich: die Stadtkerne sind hübsch und sauber wiederhergerichtet, die Außenbezirke verfallen, Plattenbauten werden abgerissen, denn die Einwohnerzahlen schrumpfen in rasantem Tempo. Wohnraum wird vernichtet. Schulen werden geschlossen. Es fehlen die Menschen. Es fehlen die Kinder im Land!

Brauchen wir ein Neuansiedlungsprogramm für junge Familien, für gut ausgebildete, arbeitslose Facharbeiter aus anderen Ländern, für arbeitslose Ingenieure, Facharbeiter und Hausärzte aus Kasachstan, Uzbekistan, Russland, Georgien? Ja, ja, ja.

Ich will Kinder, ich will Leistung, ich will Aufstieg für all die gutausgebildeten fleißigen Familien aus der ehemaligen Sowjetunion, die hier gebraucht werden. Diese Menschen sind alle von einem individuellen Leistungsethos beseelt. Sie wollen anpacken, sie wollen arbeiten, und sie wären sofort bereit, sich hier zu integrieren.

Voraussetzung: Ihre Qualifikationen müssen anerkannt werden. Und wir brauchen ein sechsmonatiges Einsteigerprogramm ähnlich dem israelischen Ulpan-Wesen: Sprache, Landeskunde satt, und dann: „Geh deinen Weg!“

 Streit über Integration: Wirtschaftsforscher fordert 500.000 Zuwanderer pro Jahr – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Wirtschaft
Für Zimmermann ist indes das Hauptproblem, dass die Zuwanderung bisher „nicht über den Arbeitsmarkt gelenkt“ wurde. Dazu komme, dass die Integration von Migranten „nicht ideal geglückt“ sei, sagte er der Zeitung. „Insbesondere die zweite und dritte Generation der Migranten sucht in ähnlichen Bereichen Arbeit wie ihre Eltern, doch diese Berufe sind heute nicht mehr gleichermaßen gefragt.“

 Posted by at 12:02