Nov 232010
 

Immer wieder hört man von „europäischen Ideen“ wie etwa Freiheit, „deutschen Tugenden“ wie etwa Gründlichkeit, schwäbischen Tugenden wie etwa „Sparsamkeit“ reden.

Der postkoloniale Diskurs beispielsweise behauptet, die Kolonialmächte hätten „europäische Ideen“  in die unterjochten Völker getragen. Nach der Befreiung vom Kolonialismus müssten die unterdrückten Kulturen zu sich selbst zurückkehren und sich neu definieren. Sie müssten sich von den „“europäischen Werten“ reinigen. Hier ein beliebig gewähltes Beispiel für diese Sichtweise:

Post-colonialisme – Wikipédia
Le colonialisme a instauré dans le pays colonisé un système de valeurs fondé sur des idées européennes. Dans ce système de pensée était représentée la supposée supériorité du monde occidental. Après l’indépendance, les populations des pays libérés ont dû abandonner ce système de valeurs par lequel ils s’étaient toujours définis comme étant inférieurs. C’est pourquoi, afin de réaffirmer leurs origines et devant l’immense tâche de se reforger une identité ils ont souvent eu recours à des idées nationalistes. Cette étape est visible dans la littérature de ces pays.

Ich halte das Reden von „europäischen Ideen“ für missverständlich. Begriffe wie Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde, Demokratie sind zweifellos in Europa besonders stark und prägend ausgeformt worden. Dennoch sind sie nicht in Europa entsprungen. Sie entstanden in Auseinandersetzung mit anderen Kulturräumen. Europa bekannte sich nicht immer zu ihnen. Es gab in Europa nicht weniger Unfreiheit als in anderen Erdteilen auch.

Freiheit und Menschenwürde sind nur als universale Werte, nicht als „europäische Werte“ zu verstehen. Freiheit etwa ergibt nur dann einen Sinn, wenn sie gleichermaßen den Europäern wie den Nichteuropäern zugeschrieben werden kann.

 Posted by at 14:44

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