Jan 182012
 

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Der arme Kreuzberger Blogger genoss nach dem Frühstück das herrlich frauliche Gespräch zwischen den feschen Münchner Darstellerinnen Birgit Minichmayr und Bibiana Beglau in der neuen Vogue deutsch, ab S. 206. Lesenswert, da wär ich aber gern dabeigewesen! Ein klares, spielerisches Plaudern über den Zwang zur Androgynität auf deutschen Bühnen, in deutschen Filmen, die fest in der Hand der ewigen Jünglinge, der ewigen Mädchen sind – und deren Herrscher natürlich vorzugsweise ihresgleichen einkaufen und einstellen.  

Toll andererseits das Geständnis: „Ich brauche meine Familie“, so Birgit Minichmayr . – Na endlich singt jemand wieder ein sehr sehr verdruckstes Loblied der Familie. Schön. Wobei Familie stets die eigenen Eltern sind, nie der Mann, die Frau oder die eigenen Kinder. Eigene Kinder, eigener Mann, das kannst du als Künstlerin und öffentliche Frau nicht bringen, mindestens nicht in der Öffentlichkeit! Dann bist du nicht mehr en vogue! Denn jede lebt ihren Stiletto und tankt auf bei Mutti.

FreundInnen! Die neueste VOGUE erzählt so viel über unsere Gesellschaft! Zunächst einmal: Das völlige Verschwinden des Mütterlichen aus dem öffentlichen Frauenbild. Das Abmagern, das Hinmagern zum knabenhaften Körper! Herrlich dieses Hermaphroditische, artistisch herausgestellt in der Schwarz-Weiß-Photographie eines Axel Hoedt, in Frisur, Körperhaltung und Makeup!  Jeder, die magersüchtige Mädchen kennt, weiß, welche Leiden dieser gesellschaftliche Druck erzeugt. Und doch die tiefe Sehnsucht nach dem Mütterlichen – vorzugsweise von Frau zu Frau – aber eben unter Ausschluss des Kindes, unter völliger Leugnung des Kinderwunsches, unter Leugnung des Älterwerdens. Supi! So entsteht die organisch schrumpfende Gesellschaft. Ein schallender Beleg dafür sind die neuesten, gestern herausgekommenen Bevölkerungsstrukturdaten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK)! Die Zahl der alleinlebenden Singles, der alleinlebenden Alten und der Alten überhaupt, die Zahl der zeitweilig zusammenlebenden Paare ohne Kinder nimmt weiter zu – das sind wichtige, geldwerte Daten für Konsumforscher, Städteplaner, Autobauer, Friseure und Designer.

Auch die politischen Parteien haben sich längst auf diesen Megatrend der Konsumforscher eingeschworen. Es gibt beispielsweise in Deutschland keine Partei, die offen das Gründen von Familien, das Zeugen und Aufziehen von Kindern, das Zusammenleben mit Kindern und mit Großeltern, das Gründen und Wachsenlassen einer Familie für ein vorrangiges Ziel der Gesellschaftspolitik erklärte. Ich persönlich halte es allerdings für ein überragendes Ziel.

Ebenso gibt es meines Wissens keine namhaften PädagogInnen oder BildungsforscherInnen mehr, die Erziehung zu zwischenmenschlicher Verantwortung zu einem der obersten Ziele von Bildung und Erziehung zu erklären wagten. Motto ist heute: JedeR sorge für sich – der Staat sorge für alle!

Wichtig sind heute Punktezahlen im VERA-Test, sind die Erfüllung der EU-Konvergenzkriterien, sind Bologna-Prozesse und Europäische Qualifikationsrahmen.

Was heute gesellschaftspolitisch zählt, sind Quoten: Studierendenquoten – mindestens 40% eines Altersjahrgangs müssen es schon sein, die die Universitäts-Hörsäle füllen. Dass händeringend HandwerkerInnen gesucht werden – egal! Auch zählen die Frauenerwerbsquoten: je mehr Frauen im Erwerbsleben, desto besser! Mutterwerden muss warten können oder ganz ausfallen.  Lohnabstandsgebote, demographische Faktoren, Inflationsausgleich, Rentenformel, Kleinkinderbetreuungsquoten – das sind die Stellschrauben.

Überragendes Ziel ist ausweislich der VOGUE und der Gesellschaft für Konsumforschung offensichtlich die komplett verwertbare, ewig junge, selbständige, mädchenhafte, androgyne, die vollkommene Frau, die ewige Tochter und marktgerechte junge Frau. Sie soll es auch noch genießen, sie soll glücklich sein dabei.

Ohne SORGE, seid OHNE SORGE!

Das Gespräch zwischen Birgit Minichmayr und Bibiana Beglau offenbart die tiefen Risse, das tiefe Unwohlsein in diesen einseitigen Zuschreibungen dessen, wie die moderne Frau zu sein hat. Die moderne Frau zahlt einen hohen Preis für ihr ständiges Streben nach Bühnen- und Marktgerechtigkeit.

Danke, Frau Beglau, danke, Frau Minichmayer!

Quellennachweis: SPIEL-LUST. Birgit Minichmayer und Bibana Beglau über Liebe, Nacktheit auf der Bühne und den Verdacht, eine Diva zu sein. Moderation: Eva Karcher. VOGUE deutsch, 2/2012, Februar 2012, S. 206-211

Mode, Trends, Beauty und People – VOGUE

Foto: die Kirche St. Nikolai am Gasteig, München, aufgenommen gestern

 Posted by at 20:28

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