Jul 082017
 

Morgen am Sonntag, dem 9. Juli,  findet um 18.00 Uhr ein kleines sommerliches Konzert in der Kreuzberger Kirche St. Bonifatius, Yorckstraße 88, statt. Es eignet sich besonders auch für Kinder, die allmählich an die Musik herangeführt werden sollen. Ich spiele und singe selbst dabei mit. Auch ihr Lesende seid mir alle willkommen. Besonders freue ich mich auf das Singen des Liedes „Geh aus / mein hertz / und suche freud Jn dieser lieben sommerzeit“. Es hat 15 Strophen!

Mit Gewalt setzte heute der Sommer ein! Der erste Tag, an dem der pralle Sommer zu Mittag in uns alle fährt. Im Hans-Baluschek-Park mache ich Halt und nehme die Blumenwiese auf. Zuhause suche ich die älteste gedruckte Fassung des Evergreens von Paul Gerhardt heraus. Sie lautet so:
1
Geh aus / mein hertz / und suche freud
Jn dieser lieben sommerzeit
An deines Gottes gaben:
Schau an der schönen gärten zier
Vnd siehe / wie sie mir und dir
Sich außgeschmücket haben.

2
Die bäume stehen voller laub /
Das erdreich decket seinen staub
Mit einem grünen kleide
Narcissus und die Tulipan
Die ziehen sich viel schöner an /
Als Salomonis seyde.

3
Die lerche schwingt sich in die luft /
Das täublein fleugt aus seiner kluft /
Und macht sich in die wälder.
Die hochbegabte nachtigal
Ergötzt und füllt mit jhrem schall
Berg / hügel / thal und felder.

4
Die glucke führt ihr völcklein aus /
Der storch baut und bewohnt sein haus /
Das schwälblein speist die jungen /
Der schnelle hirsch / das leichte reh
Ist froh und kömmt aus seiner höh
Ins tiefe graß gesprungen.

5
Die bächlein rauschen in dem sand
Vnd mahlen sich und ihren rand
Mit schattenreichen myrthen:
Die wiesen ligen hart dabey
Und klingen gantz vom lustgeschrey
Der schaf und jhrer hirten.

6
Die unverdroßne bienenschaar
Fleucht hin und her / sucht hie und dar
Jhr edle honigspeise.
Des süssen weinstocks starcker saft
Bringt täglich neue stärck und kraft
Jn seinem schwachen reise.

7
Der weitzen wächset mit gewalt
Darüber jauchzet jung und alt /
Und rühmt die grosse güte
Des / der so überflüssig labt /
Und mit so manchem gut begabt
Das menschliche gemüthe.

8
Ich selbsten kan und mag nicht ruhn:
Des grossen Gottes grosses thun
Erweckt mir alle sinnen /
Jch singe mit / wenn alles singt /
Und lasse was dem Höchsten klingt
Aus meinem hertzen rinnen.

9
Ach denck ich / bist du hier so schön /
Und läßst dus uns so lieblich gehn
Auf dieser armen erden /
Was wil doch wol nach dieser welt
Dort in dem vesten himmelszelt
Vnd güldnem schlosse werden?

10
Welch hohe lust / welch heller schein
Wird wol in Christi garten seyn /
Wie muß es da wol klingen /
Da so viel tausent Seraphim /
Mit unverdroßnem mund und stimm
Jhr Alleluja singen.

11
O wär ich da! o stünd ich schon /
Ach süsser Gott / für deinem thron
Und trüge meine palmen:
So wolt ich nach der Engel weis
Erhöhen deines Namens preis
Mit tausent schönen psalmen.

12
Doch wil ich gleichwol / weil ich noch
Hier trage dieses leibes joch /
Auch nicht gar stille schweigen /
Mein hertze sol sich fort und fort /
An diesem und an allem ort
Zu deinem lobe neigen.

13
Hilf mir und segne meinen Geist
Mit segen / der vom himmel fleußt /
Daß ich dir stetig blühe:
Gib / daß der sommer deiner gnad
In meiner seelen früh und spat
Viel glaubensfrücht erziehe.

14
Mach in mir deinem Geiste raum /
Daß ich dir werd ein guter baum /
Und laß mich wol bekleiben /
Verleihe / daß zu deinem ruhm
Jch deines gartens schöne blum
Vnd pflantze möge bleiben.

15
Erwehle mich zum Paradeis
Vnd laß mich bis zur letzten reis
An leib und seele grünen:
So wil ich dir und deiner Ehr
Allein / und sonsten keinem mehr /
Hier und dort ewig dienen.

Gedruckte Erstfassung hier zitiert nach:
1653. Paul Gerhardt: Sommergesang. Mel. Den Herren meine seel erhebt. In: Gedichte 1600-1700. Nach den Erstdrucken in zeitlicher Folge herausgegeben von Christian Wagenknecht. [=Epochen der deutschen Lyrik in 10 Bänden. Herausgegeben von Walther Killy. Band 4], 2., verbesserte Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1976, S. 207-209

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