Mai 302018
 

„Ach wenn ich doch nur einen Platz hätte!“ Diesen unhörbar leisen Satz oder Seufzer glaubte ich heute Vormittag in Schöneberg von einer älteren Dame zu hören, die soeben in die S-Bahn nach Wannsee eingestiegen war. Mühsam und leicht wackelnd hielt sie sich auf ihrem Gehstock aufrecht. Wir schrieben 28 Grad im Schatten. Alles war verrammelt! Kinder und Erwachsene standen dicht gedrängt vor den Sitzen, die alle belegt waren. Schwitzende Menschen in der S 1! Außerdem versperrte ein quer gestelltes Fahrrad den Zugang zu den wenigen freien Stehplätzen, die es noch gab. „Es tut mir leid“, sagte ich laut, „dass ich Ihnen nicht helfen kann! Es ist kein Sitz frei.“ Da hörte ich eine Stimme mir gegenüber: „Schauen Sie sich um, da wird ein Platz frei!“ Ich drehte mich um, in der Tat: Soeben war ein Sitz frei geworden, und das Fahrrad hatte sich wie von Engelsgebärde gerührt zur Seite gestellt, sodass eine schmale Gasse zu dem mittlerweile freigewordenen Sitz offen stand. Ach wie schön! Die Frau konnte endlich Platz nehmen. Sie war wohl 80. Sie ging wohl zum Arzt, dachte ich, so adrett und ordentlich war sie herausgeputzt. Nun fuhr sie weiter bis Mexikoplatz, wo sie ausstieg. Zum Abschied wandte sie sich noch an mich und sagte: „Wissen Sie, ich habe einen Arzttermin, und ich komme schon von Baumschulenweg!“ „Na, da haben Sie ja eine Odyssee hinter sich!“, erwiderte ich. Und so endete diese kleine Begebenheit. Einige Stationen später, in Nikolaussee, stiegen all die Kinder und Erwachsenen und ich aus. Schon bald danach konnten alle aufatmen: Vor uns lag das Strandbad Wannsee mit all seinen Herrlichkeiten!

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